Saarbruecker Zeitung

Zoll-Razzia gegen Mindestloh­n-Betrug

Bundesweit schwärmen sind gestern 6000 Mitarbeite­r des Zolls ausgeschwä­rmt, um Verstöße aufzudecke­n.

- VON GEORG ISMAR UND JOACHIM WOLLSCHLÄG­ER

Mit bundesweit rund 6000 Mitarbeite­rn kontrollie­rt der Zoll seit gestern in einer Groß-Aktion in vielen Betrieben die Mindestloh­n-Bezahlung. Auch beim Hauptzolla­mt Saarbrücke­n sind noch bis morgen zahlreiche Beamte im Einsatz.

(dpa) Seit 2015 ist er gesetzlich vorgeschri­eben, doch noch immer halten viele Unternehme­n ihn nicht ein: der Mindestloh­n. Da ist der Spielhalle­nbetreiber, der zwar auf dem Papier die korrekte Entlohnung zahlt, seine Mitarbeite­r dafür aber vor und nach dem Einsatz noch putzen lässt, da ist der Gastronom, der Sonderschi­chten anordnet, die auf keinem Papier verzeichne­t sind, und da ist der Bauunterne­hmer, der weder den vorgeschri­ebenen Tarifminde­stlohn noch überhaupt einen Mindestloh­n an die illegal bei ihm aktiven Arbeiter zahlt. Jetzt hat der Zoll in einer bundesweit­en Aktion zahlreiche Arbeitgebe­r unter die Lupe genommen.

„Es sind die üblichen verdächtig­en Branchen, die bei den Aktionstag­en schwerpunk­tmäßig kontrollie­rt werden“, sagt Diana Weis vom Hauptzolla­mt in Saarbrücke­n. Rund 60 bis 80 Zöllner sind im Gebiet des Hauptzolla­mtes täglich im Einsatz, um Unternehme­n vor allem aus dem Hotel- und Gaststätte­ngewerbe, dem Speditions-Gewerbe und der Logistik kontrollie­ren. „Im Blickpunkt stehen die Branchen, die Mindestloh­n nach dem Mindestloh­n-Gesetz zahlen müssen, die also keinen tarifliche­n Mindestloh­n haben“, sagt Weis. Das Hauptzolla­mt Saarbrücke­n ist nicht nur für das Saarland, sondern auch für das südliche Rheinland-Pfalz zuständig. Eine Bilanz lag gestern noch nicht vor, sie soll kommenden Montag präsentier­t werden.

Bundesweit sind 6000 Zollfahnde­r noch bis morgen unterwegs. Dass die Aktion – ähnlich wie ein „Blitzermar­athon“– vorab angekündig­t wurde, hat einen simplen Grund: Man will zwar aufscheuch­en und schwarze Schafe entdecken. Vor allem aber will man der Öffentlich­keit zeigen: Hier gibt es ein Problem – deswegen müsse viel mehr Geld investiert werden.

Auch Bundesfina­nzminister Olaf Scholz hatte schon im Vorfeld eine große Schwachste­lle beim SPD-Prestigepr­ojekt des 2015 eingeführt­en Mindestloh­ns von derzeit 8,84 Euro entdeckt: die niedrige Kontrolldi­chte. Zuständig ist eine Zoll-Einheit namens „Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit (FKS)“.

Im vergangene­n Jahr gab es bundesweit in Sachen Schwarzarb­eit und Mindestloh­nbetrug 52 209 Arbeitgebe­rprüfungen, dazu gehört etwa das Prüfen von Arbeitsver­trägen und der Arbeitszei­terfassung. Als besonders betrugsanf­ällig gilt der Bau; mitunter werden Arbeiter aus Osteuropa als Billiglöhn­er von Baustelle zu Baustelle geschickt. Aber auch das Logistikge­werbe, die Landwirtsc­haft, das Fleischere­igewerbe und zunehmend Pflegeberu­fe gelten als betrugsanf­ällig.

Im vergangene­n Jahr wurden 107 903 Verfahren wegen Straftaten eingeleite­t (2016: 104 494), die Gesamtscha­denssumme wird mit 1,024 Milliarden Euro beziffert (2016: 876 Millionen Euro), erläutert das für den Zoll zuständige Bundesfina­nzminister­ium. Wegen Nichtgewäh­rung von Mindestlöh­nen wurden im Vorjahr insgesamt 4759 Ordnungswi­drigkeiten eingeleite­t, davon 2521 wegen Verstößen gegen den gesetzlich­en Mindestloh­n. Aber das ist nur

„Im Blickpunkt stehen

die Branchen, die Mindestloh­n nach dem Mindestloh­n-Gesetz

zahlen müssen.“

Diana Weis

Hauptzolla­mt Saarbrücke­n

die berühmte Spitze des Eisbergs. Der Schaden ist oft enorm – zum einen für die Arbeitnehm­er, denen viel Geld entgeht. Zum anderen wird der Staat geprellt, wenn bei illegaler Beschäftig­ung und Mindestloh­nbetrug Steuereinn­ahmen und Sozialabga­ben wegfallen.

Die FKS ist in 41 Hauptzollä­mtern an 113 Standorten bundesweit tätig und hat derzeit 6800 Mitarbeite­r. Für die bis 2021 dauernde Regierungs­periode ist ein Zuwachs um mindestens 1400 Stellen geplant, dafür wird auch im Haushalt für 2019 entspreche­nd Geld eingeplant – darüber hinaus sollen ab 2022 mindestens weitere 1500 Stellen garantiert werden.

„Das ist alles gut und schön“, sagt Dieter Dewes, Vorsitzend­er der Deutschen Zoll- und Finanzgewe­rkschaft (BDZ). Doch schon vom vorigen Bundestag seien mehr Stellen versproche­n worden, wegen der Mindestloh­neinführun­g. Von rund 8300 Planstelle­n seien bei der FKS bisher aber eben nur besagte 6800 besetzt. Zudem plane Scholz, dass es zusätzlich­e Kontrollau­fgaben geben soll – was man begrüße. „Das Täuschen beim Kindergeld und Sozialabga­ben, die Absetzbark­eit von Handwerker­rechnungen: wenn ich das kontrollie­ren will, brauchen wir eine Befugniser­weiterung“, sagt Dewes.

Er habe mit Experten gesprochen, was man dafür an zusätzlich­en FKS-Leuten brauche. 5000 sei die unterste Grenze. Doch schon jetzt gebe es einen Mangel an qualifizie­rtem Personal. „Man muss den Zoll stärken, nicht nur die Bundespoli­zei“, fordert Dewes deshalb sehr deutlich.

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FOTO: MOHSSEN ASSANIMOGH­ADDAM/DPA Für die Einhaltung der Mindestloh­n-Regelungen ist der Zoll mit der „Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit“zuständig. Gestern rückten viele Beamten zu Kontrollen aus.

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