Zoll-Razzia gegen Mindestlohn-Betrug
Bundesweit schwärmen sind gestern 6000 Mitarbeiter des Zolls ausgeschwärmt, um Verstöße aufzudecken.
Mit bundesweit rund 6000 Mitarbeitern kontrolliert der Zoll seit gestern in einer Groß-Aktion in vielen Betrieben die Mindestlohn-Bezahlung. Auch beim Hauptzollamt Saarbrücken sind noch bis morgen zahlreiche Beamte im Einsatz.
(dpa) Seit 2015 ist er gesetzlich vorgeschrieben, doch noch immer halten viele Unternehmen ihn nicht ein: der Mindestlohn. Da ist der Spielhallenbetreiber, der zwar auf dem Papier die korrekte Entlohnung zahlt, seine Mitarbeiter dafür aber vor und nach dem Einsatz noch putzen lässt, da ist der Gastronom, der Sonderschichten anordnet, die auf keinem Papier verzeichnet sind, und da ist der Bauunternehmer, der weder den vorgeschriebenen Tarifmindestlohn noch überhaupt einen Mindestlohn an die illegal bei ihm aktiven Arbeiter zahlt. Jetzt hat der Zoll in einer bundesweiten Aktion zahlreiche Arbeitgeber unter die Lupe genommen.
„Es sind die üblichen verdächtigen Branchen, die bei den Aktionstagen schwerpunktmäßig kontrolliert werden“, sagt Diana Weis vom Hauptzollamt in Saarbrücken. Rund 60 bis 80 Zöllner sind im Gebiet des Hauptzollamtes täglich im Einsatz, um Unternehmen vor allem aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe, dem Speditions-Gewerbe und der Logistik kontrollieren. „Im Blickpunkt stehen die Branchen, die Mindestlohn nach dem Mindestlohn-Gesetz zahlen müssen, die also keinen tariflichen Mindestlohn haben“, sagt Weis. Das Hauptzollamt Saarbrücken ist nicht nur für das Saarland, sondern auch für das südliche Rheinland-Pfalz zuständig. Eine Bilanz lag gestern noch nicht vor, sie soll kommenden Montag präsentiert werden.
Bundesweit sind 6000 Zollfahnder noch bis morgen unterwegs. Dass die Aktion – ähnlich wie ein „Blitzermarathon“– vorab angekündigt wurde, hat einen simplen Grund: Man will zwar aufscheuchen und schwarze Schafe entdecken. Vor allem aber will man der Öffentlichkeit zeigen: Hier gibt es ein Problem – deswegen müsse viel mehr Geld investiert werden.
Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte schon im Vorfeld eine große Schwachstelle beim SPD-Prestigeprojekt des 2015 eingeführten Mindestlohns von derzeit 8,84 Euro entdeckt: die niedrige Kontrolldichte. Zuständig ist eine Zoll-Einheit namens „Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS)“.
Im vergangenen Jahr gab es bundesweit in Sachen Schwarzarbeit und Mindestlohnbetrug 52 209 Arbeitgeberprüfungen, dazu gehört etwa das Prüfen von Arbeitsverträgen und der Arbeitszeiterfassung. Als besonders betrugsanfällig gilt der Bau; mitunter werden Arbeiter aus Osteuropa als Billiglöhner von Baustelle zu Baustelle geschickt. Aber auch das Logistikgewerbe, die Landwirtschaft, das Fleischereigewerbe und zunehmend Pflegeberufe gelten als betrugsanfällig.
Im vergangenen Jahr wurden 107 903 Verfahren wegen Straftaten eingeleitet (2016: 104 494), die Gesamtschadenssumme wird mit 1,024 Milliarden Euro beziffert (2016: 876 Millionen Euro), erläutert das für den Zoll zuständige Bundesfinanzministerium. Wegen Nichtgewährung von Mindestlöhnen wurden im Vorjahr insgesamt 4759 Ordnungswidrigkeiten eingeleitet, davon 2521 wegen Verstößen gegen den gesetzlichen Mindestlohn. Aber das ist nur
„Im Blickpunkt stehen
die Branchen, die Mindestlohn nach dem Mindestlohn-Gesetz
zahlen müssen.“
Diana Weis
Hauptzollamt Saarbrücken
die berühmte Spitze des Eisbergs. Der Schaden ist oft enorm – zum einen für die Arbeitnehmer, denen viel Geld entgeht. Zum anderen wird der Staat geprellt, wenn bei illegaler Beschäftigung und Mindestlohnbetrug Steuereinnahmen und Sozialabgaben wegfallen.
Die FKS ist in 41 Hauptzollämtern an 113 Standorten bundesweit tätig und hat derzeit 6800 Mitarbeiter. Für die bis 2021 dauernde Regierungsperiode ist ein Zuwachs um mindestens 1400 Stellen geplant, dafür wird auch im Haushalt für 2019 entsprechend Geld eingeplant – darüber hinaus sollen ab 2022 mindestens weitere 1500 Stellen garantiert werden.
„Das ist alles gut und schön“, sagt Dieter Dewes, Vorsitzender der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ). Doch schon vom vorigen Bundestag seien mehr Stellen versprochen worden, wegen der Mindestlohneinführung. Von rund 8300 Planstellen seien bei der FKS bisher aber eben nur besagte 6800 besetzt. Zudem plane Scholz, dass es zusätzliche Kontrollaufgaben geben soll – was man begrüße. „Das Täuschen beim Kindergeld und Sozialabgaben, die Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen: wenn ich das kontrollieren will, brauchen wir eine Befugniserweiterung“, sagt Dewes.
Er habe mit Experten gesprochen, was man dafür an zusätzlichen FKS-Leuten brauche. 5000 sei die unterste Grenze. Doch schon jetzt gebe es einen Mangel an qualifiziertem Personal. „Man muss den Zoll stärken, nicht nur die Bundespolizei“, fordert Dewes deshalb sehr deutlich.