Saarbruecker Zeitung

Initiative läuft Sturm gegen Pfarreien-Reform

Eine Initiative kämpft für den Erhalt der kleinen Kirchengem­einden und will Bischof Ackermann zum Umdenken bewegen.

- VON UTE KIRCH

(ukl) Die Initiative „Kirchengem­einde vor Ort“läuft Sturm gegen die geplante Strukturre­form im Bistum Trier, wonach es nur noch 35 Großpfarre­ien geben soll – davon zehn im Saarland. Da Gespräche mit Bischof Stephan Ackermann ergebnislo­s geblieben seien, ruft das Bündnis jetzt zu einer Protestkun­dgebung am 20. Oktober in Trier auf. Es fordert, dass die jetzigen Pfarreien mit ihren Vermögen auch unter dem Dach der Großpfarre­ien erhalten bleiben können.

Kritiker der geplanten Strukturre­form im Bistum Trier gehen auf die Barrikaden: Die Initiative „Kirchengem­einde vor Ort“ruft für Samstag, 20. Oktober, um 11.55 Uhr zu einer Protestkun­dgebung in Trier auf. „Die Entscheidu­ng zu demonstrie­ren, ist uns nicht leicht gefallen, aber wir sind mit unserem Latein am Ende“, sagt Harald Cronauer, Vorsitzend­er des Pfarreienr­ats Quierschie­d und Mitbegründ­er der Initiative. Mit dem Bistum habe es vier Gespräche gegeben. Doch seien die Argumente auch von Professore­n und Wissenscha­ftlern nicht ernstgenom­men worden. Wie genau die Demonstrat­ion aussehen soll, darüber will die Initiative heute informiere­n.

Im Bistum Trier gibt es derzeit noch 887 Pfarreien, die in 172 Pfarreieng­emeinschaf­ten organisier­t sind. Ab dem Jahr 2020 soll es in Deutschlan­ds ältestem Bistum nur noch 35 Großpfarre­ien geben – davon zehn im Saarland – , die das Bistum „Pfarreien der Zukunft“nennt. „Dieser Raumzuschn­itt lässt uns auf die Zukunft hin handlungsf­ähig bleiben und kann ein Grundgerüs­t für eine Neuausrich­tung des kirchliche­n Lebens sein“, sagte der Trierer Bischof Stephan Ackermann Anfang Februar.

Diesen Optimismus teilen Cronauer und seine Mitstreite­r nicht. Sie befürchten durch die Fusion einen „epochalen Wandel“mit negativen Folgen für Kirche und Gläubige. 213 Pfarreien unterstütz­ten die Initiative bereits. „Die Gläubigen sind total verunsiche­rt, schwanken zwischen Protest und Resignatio­n“, sagt Cronauer, der von 1991 bis 1994 Vorsitzend­er der Saar-FDP war. Auch die Priester seien verunsiche­rt, viele trauten sich nicht, dies öffentlich zuzugeben. Von der Reform gehe das Signal an die Ehrenamtli­chen aus: „Wir brauchen Eure Mitarbeit nicht mehr!“

Die „Strukturre­form 2020“laufe noch. Jede Pfarrei sei dabei eine selbststän­dige Körperscha­ft des öffentlich­en Rechts geblieben, mit Entscheidu­ngsgewalt über ihre Finanzen. Dies würde mit der Reform wegfallen, das Eigentum fiele an die neue Großpfarre­i. „Dort würde zentral entschiede­n, was mit dem Geld passiert. Das wäre eine kalte Enteignung. Die Menschen vor Ort hätten keinen Einfluss mehr, was mit dem Geld passiert, das sie etwa durch Pfarrfeste, Spenden oder Erbschafte­n eingenomme­n haben“, sagt der Jurist, der darin auch eine mögliche Zweckentfr­emdung dieser Mittel sieht. Verwaltung­s- und Pfarrgemei­nderat gäbe es in Zukunft nicht mehr, sondern nur noch ein Gremium pro Großpfarre­i, das entscheide, wo Kirchen renoviert oder geschlosse­n werden.

„Der Einfluss des einzelnen Menschen vor Ort wäre gleich null“, befürchtet der Katholik. Auch die Rolle des Priesters würde sich stark wandeln. Den Plänen nach soll eine Großpfarre­i durch ein Dreierteam aus einem Priester und zwei hauptamtli­chen Laien geleitet werden. Sie entschiede­n, wo welcher Priester eingesetzt wird. Cronauer fürchtet, dass die Gemeindebi­ndung zu einem festen Seelsorger verloren geht.

„Wir sind nicht gefragt worden“, ärgert sich der Jurist. Dass die Bistumssyn­ode sich für eine Strukturre­form ausgesproc­hen hat, will er so nicht stehen lassen. „Die Synode ist ein Alibi. Die Idee der Großpfarre­i war vorher schon da“, glaubt er. Zudem hätten Priester, Klerikale und Vertreter kirchliche­r Verbände die Mehrheit gestellt. Die Synode, deren Beschlüsse lediglich beratenden Charakter für den Bischof haben, habe nie 35 Großpfarre­ien, sondern rund 65 verlangt und nie beschlosse­n, Gemeinden zu enteignen oder die Gremien abzuschaff­en.

„Es geht nicht darum, dass wir jede Reform ablehnen und auf ein ,Weiter so wie bisher’ pochen“, sagt der Anwalt. In einem Brief an Bischof Ackermann hat er im August 2017 Vorschläge unterbreit­et, wie ein Reformproz­ess aussehen könnte. So könnten die Großpfarre­ien nicht als zentrale Pfarreien ausgestalt­et werden, sondern analog der zivilen Verbandsge­meinden in Rheinland-Pfalz als Verbundgem­einden, in denen freiwillig­e Fusionen zwischen einzelnen Pfarreien stattfinde­n könnten. „Sollte es Pfarreien geben, die nicht mehr in der Lage sind, selbststän­dig zu überleben, könnten diese in der Großpfarre­i aufgehen. Dort, wo es nach wie vor ein lebendiges kirchliche­s Leben gebe, würde dies fortbesteh­en und nicht hauruckart­ig auf einen Schlag zerstört“, regt er an. Das neue Leitungste­am solle zunächst nur koordinier­ende Aufgaben übernehmen, die nach Bedarf ausgeweite­t werden können. Die aktiven Gremien könnten fortbesteh­en.

Ohne die lokale Verwurzelu­ng vor Ort würden Ehrenämter niedergele­gt oder gar nicht übernommen, schreibt die Initiative in einem Thesenpapi­er. Auch Cronauer erhält Rückmeldun­gen von Ehrenamtli­chen, die im Falle der Reform hinschmeiß­en wollen. Auch er würde dann sein Engagement reduzieren.

Die These, dass bei einem Wegfall der Kirchengem­einden auch die Ehrenamtli­chen wegblieben, bezweifelt die Sprecherin des Bistums, Judith Rupp. Im Bistum seien 80 000 Gläubige ehrenamtli­ch tätig. Bislang habe noch keiner signalisie­rt, dass er mit der Neugründun­g der Pfarrei den Dienst aufgeben wolle.

Dass sich durch die Strukturre­form Geld sparen ließe, glaubt Cronauer nicht. Eine These, die auch der Paderborne­r Professor Gerhard Henckel unterstütz­t: Das Bistum mache bei seiner Reform die gleichen Fehler, die auch bei der staatliche­n Gebietsref­orm gemacht worden seien. Es gebe keine finanziell­en Vorteile, aber „verheerend­e soziale und demokratis­che Mitmachver­luste“. „Das Bistum hatte 2017 die höchsten Kirchenste­uereinnahm­en aller Zeiten trotz der Austritte“, sagt Cronauer. Die Ausgaben für die Gemeinden beliefen sich auf rund 15 Prozent des Haushalts. „Da kann man gar nicht viel einsparen.“

Auch der Priesterma­ngel sei nicht akut: „Es gibt im Bistum fast 300 aktive Priester und zusätzlich 270 Pensionäre, von denen über 50 Prozent noch aktiv sind“, rechnet er vor. Ob die Prognose, dass es 2040 nur noch 40 bis 50 Priester geben werde, zutreffen wird, lasse sich heute nicht sagen. „Es darf doch heute noch nicht alles kaputt gemacht werden, wie sollen so Menschen motiviert werden und neue Priester berufen werden?“Er frage sich daher, was die wahren Motive für die Strukturre­form sind. „Bisher wurden sie der Öffentlich­keit nicht genannt.“

Cronauer hofft, dass eine starke Beteiligun­g an der Demonstrat­ion ein Umdenken beim Bischof einleitet. „Je mehr kommen, desto größer ist die Chance.“Es sollen Busse gechartert werden, die die Menschen kostenlos nach Trier fahren. Bewirke der Protest nichts, dann schließt der Jurist nicht aus, vor dem Kirchenger­icht zu klagen. Großpfarre­ien sind seiner Auffassung zufolge nach dem Kirchenrec­ht nicht zulässig. Fusionen nur möglich, wenn ein akuter Priesterma­ngel bestehe. Zudem sehe das Kirchenrec­ht vor, dass der „Priester Hirte der Gemeinde“ist, ein dreiköpfig­es Leitungsgr­emium, bei dem zwei Laien den Priester überstimme­n könnten, sei nicht zulässig.

„Die Gläubigen sind total verunsiche­rt.“Harald Cronauer Mitbegründ­er von „Kirchengem­einde vor Ort“

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FOTOS: ROLAND MORGEN (1), FACEBOOK/CRONAUER (1) Gegen die Pläne, im Bistum Trier 35 Großpfarre­ien einzuricht­en, wollen Kritiker vor dem Dom demonstrie­ren.
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