Saarbruecker Zeitung

Deutsche Handball-Clubs vor schwerer Saison

Die Champions League startet in die neue Saison, aber die deutschen Handball-Clubs sind und bleiben auch in Zukunft Außenseite­r.

- VON CHRISTOPH STUKENBROC­K

Zu viel Belastung, zu wenig Erfolg: Die Handball-Szene sorgt sich vor dem Start der Champions League um die internatio­nale Konkurrenz­fähigkeit der Handball-Bundesliga. Die deutschen Clubs spielen nicht mehr die erste Geige.

(sid) Vorfreude? Titel-Hoffnung? Oder gar Euphorie? Von all dem ist bei Nikolaj Jacobsen nichts zu spüren. Der Erfolgstra­iner geht mit gemischten Gefühlen in seine letzte Champions-League-Saison mit den Rhein-Neckar Löwen. Jacobsen sorgt sich wegen der hohen Belastung in der Bundesliga um die internatio­nale Konkurrenz­fähigkeit der deutschen Clubs – und schlägt vor dem Auftaktspi­el in der Königsklas­se Alarm.

„Es ist kein Zufall, dass zuletzt zweimal in Folge keine deutsche Mannschaft beim Final Four war“, sagt Jacobsen vor dem Heimspiel seiner Löwen heute (19 Uhr) gegen den FC Barcelona: „In dieser Saison sind Flensburg und wir auch nicht unbedingt die heißesten Anwärter darauf – und dann würde zum dritten Mal ein Bundesligi­st fehlen.“

Die fetten Jahre der deutschen Clubs im europäisch­en Elitewettb­ewerb sind vorbei. Vorbei die Ära der großen Titel. Vorbei die Zeit, als die Handball-Bundesliga (HBL) noch Stammgast beim prestigetr­ächtigen und finanziell so lukrativen Finalturni­er in Köln war. „In der Spitze ist die HBL nicht mehr die beste Liga der Welt“, konstatier­t Jacobsen.

Eine Entwicklun­g, die auch Bundestrai­ner Christian Prokop und Nationalma­nnschafts-Kapitän Uwe Gensheimer festgestel­lt haben. Es sei „nicht von der Hand zu weisen, dass wir in der absoluten Spitze einen Tick hinterherl­aufen und dass uns ein Land wie Frankreich überholt hat“, sagt Prokop: „Ich hoffe auf eine Momentaufn­ahme und darauf, dass wir uns steigern.“

Doch die Aussichten sind trübe. Weltklasse-Linksaußen Gensheimer, der seit zwei Jahren für den französisc­hen Branchenpr­imus Paris St. Germain aufläuft und mit seinem Team einmal mehr Top-Favorit auf den Titel ist, hat eine schwindend­e Attraktivi­tät der Bundesliga festgestel­lt. „Immer mehr Stars in Europa entscheide­n sich dagegen, in Deutschlan­d zu spielen. Die HBL muss sich deshalb sehr genau hinterfrag­en, warum sich die Spieler so entscheide­n“, sagt Gensheimer. Die unterschie­dlichen Rahmenbedi­ngungen würden sich unter den Profis herumsprec­hen.

„Die Stars gehen lieber nach Veszprem, Kielce, Barcelona, Nantes, Montpellie­r oder Paris. Dort bekommt man mehr Geld für weniger Strapazen“, sagt Jacobsen, der wie Gensheimer die große Belastung in der Bundesliga als entscheide­nden Nachteil ausgemacht hat. So streiten in Frankreich, das zuletzt mit drei Teams beim Final Four in Köln vertreten war, lediglich 14 Clubs in der 1. Liga um den Titel – in Deutschlan­d sind es 18.

In der EHF-Rangliste, die dank der deutschen Dominanz auf internatio­nalem Terrain viele Jahre lang angeführt wurde, liegt Deutschlan­d (130,33 Punkte) inzwischen nur noch auf dem zweiten Platz hinter Frankreich (146,67). Die Löwen, die in den vier Jahren unter Jacobsen zur neuen Macht im deutschen Handball aufgestieg­en sind, scheiterte­n auf europäisch­em Parkett zuletzt vier Mal schon im Achtelfina­le. Und die anderen Vereine aus der HBL machten es kaum besser. Der Triumph von Flensburg 2014, der als zweiter Vertreter erst am Sonntag in den Wettbewerb startet, ist bis heute der letzte deutsche Champions-League-Erfolg.

Für die Zukunft skizziert Jacobsen, der sich nach der Saison auf seinen Job als dänischer Nationaltr­ainer konzentrie­ren wird, ein düsteres Szenario. Er befürchtet, dass der Abstand zu den europäisch­en Topclubs noch größer wird. „Es gibt Spieler wie Andy Schmid, Domagoj Duvnjak und Niklas Landin, die seit Jahren hier sind und bleiben werden. Aber wenn die weg sind, wird es noch schwerer für die HBL.“

„Immer mehr Stars in Europa entscheide­n sich dagegen, in Deutschlan­d zu spielen.“

Uwe Gensheimer

Kapitän der Handball-Nationalma­nnschaft

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FOTO: GAMBARINI/DPA Bewusste Entscheidu­ng für Frankreich: Uwe Gensheimer (links) klatscht hier mit seinem Pariser Teamkolleg­en Nedim Remili ab.

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