Deutsche Handball-Clubs vor schwerer Saison
Die Champions League startet in die neue Saison, aber die deutschen Handball-Clubs sind und bleiben auch in Zukunft Außenseiter.
Zu viel Belastung, zu wenig Erfolg: Die Handball-Szene sorgt sich vor dem Start der Champions League um die internationale Konkurrenzfähigkeit der Handball-Bundesliga. Die deutschen Clubs spielen nicht mehr die erste Geige.
(sid) Vorfreude? Titel-Hoffnung? Oder gar Euphorie? Von all dem ist bei Nikolaj Jacobsen nichts zu spüren. Der Erfolgstrainer geht mit gemischten Gefühlen in seine letzte Champions-League-Saison mit den Rhein-Neckar Löwen. Jacobsen sorgt sich wegen der hohen Belastung in der Bundesliga um die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Clubs – und schlägt vor dem Auftaktspiel in der Königsklasse Alarm.
„Es ist kein Zufall, dass zuletzt zweimal in Folge keine deutsche Mannschaft beim Final Four war“, sagt Jacobsen vor dem Heimspiel seiner Löwen heute (19 Uhr) gegen den FC Barcelona: „In dieser Saison sind Flensburg und wir auch nicht unbedingt die heißesten Anwärter darauf – und dann würde zum dritten Mal ein Bundesligist fehlen.“
Die fetten Jahre der deutschen Clubs im europäischen Elitewettbewerb sind vorbei. Vorbei die Ära der großen Titel. Vorbei die Zeit, als die Handball-Bundesliga (HBL) noch Stammgast beim prestigeträchtigen und finanziell so lukrativen Finalturnier in Köln war. „In der Spitze ist die HBL nicht mehr die beste Liga der Welt“, konstatiert Jacobsen.
Eine Entwicklung, die auch Bundestrainer Christian Prokop und Nationalmannschafts-Kapitän Uwe Gensheimer festgestellt haben. Es sei „nicht von der Hand zu weisen, dass wir in der absoluten Spitze einen Tick hinterherlaufen und dass uns ein Land wie Frankreich überholt hat“, sagt Prokop: „Ich hoffe auf eine Momentaufnahme und darauf, dass wir uns steigern.“
Doch die Aussichten sind trübe. Weltklasse-Linksaußen Gensheimer, der seit zwei Jahren für den französischen Branchenprimus Paris St. Germain aufläuft und mit seinem Team einmal mehr Top-Favorit auf den Titel ist, hat eine schwindende Attraktivität der Bundesliga festgestellt. „Immer mehr Stars in Europa entscheiden sich dagegen, in Deutschland zu spielen. Die HBL muss sich deshalb sehr genau hinterfragen, warum sich die Spieler so entscheiden“, sagt Gensheimer. Die unterschiedlichen Rahmenbedingungen würden sich unter den Profis herumsprechen.
„Die Stars gehen lieber nach Veszprem, Kielce, Barcelona, Nantes, Montpellier oder Paris. Dort bekommt man mehr Geld für weniger Strapazen“, sagt Jacobsen, der wie Gensheimer die große Belastung in der Bundesliga als entscheidenden Nachteil ausgemacht hat. So streiten in Frankreich, das zuletzt mit drei Teams beim Final Four in Köln vertreten war, lediglich 14 Clubs in der 1. Liga um den Titel – in Deutschland sind es 18.
In der EHF-Rangliste, die dank der deutschen Dominanz auf internationalem Terrain viele Jahre lang angeführt wurde, liegt Deutschland (130,33 Punkte) inzwischen nur noch auf dem zweiten Platz hinter Frankreich (146,67). Die Löwen, die in den vier Jahren unter Jacobsen zur neuen Macht im deutschen Handball aufgestiegen sind, scheiterten auf europäischem Parkett zuletzt vier Mal schon im Achtelfinale. Und die anderen Vereine aus der HBL machten es kaum besser. Der Triumph von Flensburg 2014, der als zweiter Vertreter erst am Sonntag in den Wettbewerb startet, ist bis heute der letzte deutsche Champions-League-Erfolg.
Für die Zukunft skizziert Jacobsen, der sich nach der Saison auf seinen Job als dänischer Nationaltrainer konzentrieren wird, ein düsteres Szenario. Er befürchtet, dass der Abstand zu den europäischen Topclubs noch größer wird. „Es gibt Spieler wie Andy Schmid, Domagoj Duvnjak und Niklas Landin, die seit Jahren hier sind und bleiben werden. Aber wenn die weg sind, wird es noch schwerer für die HBL.“
„Immer mehr Stars in Europa entscheiden sich dagegen, in Deutschland zu spielen.“
Uwe Gensheimer
Kapitän der Handball-Nationalmannschaft