Saarbruecker Zeitung

Chemnitz, Köthen und offene Fragen – Was nun, Herr Maaßen?

Für seine umstritten­en Äußerungen muss sich der oberste Verfassung­sschützer heute rechtferti­gen. Derweil gibt es neue Details rund um die Debatte.

- VON JÖRG BLANK Produktion dieser Seite: Frauke Scholl, Robby Lorenz Iris Neu-Michalik

(dpa/red) Es sind Tage der Entscheidu­ng für Hans-Georg Maaßen. Seit der selbstbewu­sste Verfassung­sschutzprä­sident öffentlich die Authentizi­tät eines Videos in Zweifel gezogen hat, das am 26. August unter dem Pseudonym „Antifa Zeckenbiss“mit dem Stichwort „Menschenja­gd“getwittert wurde, geht ein Sturm der Entrüstung über den Rheinlände­r hinweg. Hält sein Dienstherr, Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU), am obersten Verfassung­sschützer der Republik fest? Kritiker aus der Opposition stellen seit Tagen infrage, ob Maaßen noch geeignet sei, die Verfassung zu schützen. Auch die SPD und Teile der Union verlangen Belege für Maaßens Zweifel.

Klare Worte hat der Präsident nie gescheut, seit er das Bundesamt 2012 übernahm. Dass Maaßen seit 2015 immer wieder auch öffentlich Kritik an der Migrations­politik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) durchblick­en ließ, hat ihm in der Regierungs­zentrale nicht unbedingt Freunde gemacht. Aber Maaßen konnte sich halten.

Doch nun ist die Situation anders. Die Stimmung im Land ist aufgewühlt und -gereizt. Im sächsische­n Chemnitz und in Köthen in Sachsen-Anhalt skandieren fremdenfei­ndliche und rechtsextr­eme Demonstran­ten teils Nazi-Sprüche. Und ausgerechn­et in diesen Zeiten sorgt der wichtigste Verfassung­sschützer mehr für Verwirrung, als dass er zur Deeskalati­on beiträgt – so lautet die Kritik am 55-Jährigen. Viel wird für ihn von heute Nachmittag abhängen. Maaßen muss sich erst im geheim tagenden Bundestags­gremium zur Kontrolle der Geheimdien­ste erklären, dann im Innenaussc­huss.

Unterdesse­n entwickeln sich die Fälle, um die sich die Debatte dreht, weiter. Gestern wird bekannt, dass die Polizei nach dem sogenannte­n „Trauermars­ch“in Köthen von Montagaben­d zwölf Strafverfa­hren eingeleite­t hat. Der Staatsschu­tz ermittle unter anderem wegen des Verdachts der Volksverhe­tzung, heißt es. Nach der von der AfD angemeldet­en Demonstrat­ion seien zudem vier Strafanzei­gen gestellt worden. Noch immer ist unklar, was genau in Köthen geschah, als ein 22-jähriger Deutscher am Sonntag nach einem Streit mit zwei Afghanen an Herzversag­en starb. Umstände und Motive liegen weiter im Dunkeln.

Derweil berichtet das ZDF-Magazin „Frontal 21“, dass ein Mann, der auf dem Video aus Chemnitz zu sehen ist, dessen Echtheit Maaßen anzweifelt, bei einer bundesweit tätigen Sicherheit­sfirma gearbeitet habe. Schon Ende August habe man sich „mit sofortiger Wirkung von dem Mitarbeite­r getrennt, weniger als zwölf Stunden, nachdem uns das Video bekannt wurde“, wird ein Firmenspre­cher zitiert. Auf dem Video ist zu sehen, wie Männer hinter ausländisc­h aussehende­n Männer herrennen. Dabei sind Rufe zu hören wie „Ihr seid nicht willkommen!“. Laut der Sendung geht aus dem Polizeiber­icht weiter hervor, dass es am Abend des 27. August in Chemnitz mehrfach Versuche rechtsgeri­chteter Gewalttäte­r gab, linke Demonstran­ten oder Ausländer zu attackiere­n.

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FOTO: NIETFELD/DPA Verfassung­sschutzche­f Hans-Georg Maaßen muss sich heute vor zwei Gremien erklären.

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