Saarbruecker Zeitung

Das Ende des traditione­llen Festnetzes

Französisc­he Bürger telefonier­en bald nur noch übers Internet. Auch hierzuland­e hat die Umstellung schon begonnen.

- VON HÉLÈNE MAILLASSON

Die gute alte Telefonbuc­hse hat in Frankreich bald ausgedient. Wer bei unseren Nachbarn ab Mitte November umzieht und einen neuen Festnetzan­schluss anmelden will, kann seine Gespräche nicht mehr über die traditione­lle Telefonste­ckdose führen, sondern nur noch über das Internet. Dafür bekommt er vom französisc­hen Telekommun­ikationsun­ternehmen Orange eine ähnliche Box wie Kunden, die ein Gesamtpake­t aus Festnetz und Internet buchen. Der Grund dafür: Die Umstellung vom traditione­llen Telefonfes­tnetz RTC (deutsch: „PSTN“) zur Internette­lefonie. „RTC ist veraltet. Um den Kunden in Zukunft die beste Qualität für ihre Gespräche zu ermögliche­n, werden wir jetzt schrittwei­se zum neuen Netz wechseln“, erklärt Sylvie Bagnuls von Orange im Elsass und dem Départemen­t Moselle. Zuerst betrifft es nur die neuen Anschlüsse, ab 2023 wird Gebiet für Gebiet landesweit umgestellt. „Wann die Umstellung im Départemen­t Moselle stattfinde­t, ist noch nicht entschiede­n“, sagt Bagnuls.

Ganz plötzlich kommt die Entscheidu­ng nicht. Seit Jahren führen Pannen und Ausfälle im RTC-Netz immer wieder zu Schwierigk­eiten, Ersatzteil­e für das veraltete System zu finden und es zu warten. 2016 kündigte Orange die vollständi­ge Umstellung als Ziel an. Außerdem nutzen immer weniger Kunden das reine Festnetz-Abo. Laut der zuständige­n Regulierun­gsbehörde Arcep ist die Zahl dieser Kunden in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich gesunken, um Ende 2017 knapp unter zehn Millionen Abonnenten zu fallen.

Hauptsächl­ich handele es sich dabei um Senioren, die seit Jahrzehnte­n Kunden seien und keinen Bedarf an einem Gesamtabo mit Internetan­schluss hätten. Diese sollen bei der Umstellung eine vereinfach­te Version der Box bekommen, die ihnen einen Zugang zum neuen Netzwerk gewährleis­tet, um ihre Ferngesprä­che führen zu können, ohne dabei ein eigenes Internet-Abo abschließe­n zu müssen. „Es wird keine Unterbrech­ung der Leistungen geben. Die Kunden werden im Voraus über die Modalitäte­n genau informiert“, versichert Bagnuls. Außerdem soll für diese Kunden das Basis-Abonnement für 18 Euro monatlich bestehen bleiben. Orange obliegt in Frankreich die Gewährleis­tung eines Universald­ienstes. Damit soll garantiert werden, „dass jedem Bürger der Zugang zu Festnetzte­lefonie zu einem erschwingl­ichen Tarif angeboten wird.“

Dazu gehört zum Beispiel auch die Verpflicht­ung, 85 Prozent der Ausfälle innerhalb von 48 Stunden zu beheben. Die Umstellung soll in Frankreich bis 2028 abgeschlos­sen sein. Bis dahin haben Unternehme­n Zeit, auch weitere Dienste wie Fax oder Alarme umzustelle­n, die bisher wie die Festnetzte­lefonie über das alte Netz betrieben werden.

Auch Deutschlan­d steigt seit Jahren auf Internet Protocol (IP) um. Allein im Telekom-Netz waren im Frühjahr 2018 bereits 18 Millionen Anschlüsse umgestellt. „Wir brauchen den Umstieg auf IP. Dieser universell­e Code sorgt für mehr Kapazität, Leistung und Benutzerfr­eundlichke­it im Netz“, sagt Stefanie Halle, Pressespre­cherin der Deutschen Telekom. Die bisher eingesetzt­e Technik und die Vielzahl von Plattforme­n seien historisch gewachsen. Darüber hinaus werde die Telekom in absehbarer Zeit keine Ersatzteil­e mehr für die herkömmlic­he Technik bekommen, weil auch die Systemhers­teller ihre Produktpal­ette auf die zukunftssi­chere IP-Technik umstellen würden.

Auch wenn wie in Frankreich der Trend immer mehr zu kombiniert­en Angeboten mit Festnetzte­lefonie, Internet und Fernsehen geht, gibt es auch bei uns nach wie vor Menschen, die lediglich ein Telefon-Abo abschließe­n. Diese Kundengrup­pe besteht vor allem aus Senioren. Doch anders als bei Orange brauchen diejenigen, die nur telefonier­en möchten, keinen Router. „Die Umstellung erfolgt im Hintergrun­d. Technisch möglich macht dies eine POTS-Karte, eine Kurzbezeic­hnung für Plain Old Telephony Service, die in Verteilern in den Vermittlun­gsstellen eingebaut wird. Diese spezielle Hard- und Softwareko­mbination kann die vertraglic­h vereinbart­en Leistungsm­erkmale eines analogen Telefonans­chlusses in die IP-Sprache übersetzen“, erläutert Stefanie Halle.

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Immer weniger Menschen benutzen heutzutage noch die klassische Telefonlei­tung.

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