Saarbruecker Zeitung

Auf Zeitreise mit dem ersten Saarländer

Tholix heißt das Maskottche­n des Tholeyer Museums, das auf ein altes Steinrelie­f zurückgeht.

- VON EVELYN SCHNEIDER

In direkter Nachbarsch­aft zur Benediktin­erabtei und dem Rathaus liegt das Tholeyer Museum Theulegium. 2006 hat es der Historisch­e Verein zur Erforschun­g des Schaumberg­er Landes in Zusammenar­beit mit der Gemeinde Tholey eröffnet. Zehn bis 15 Vereinsmit­glieder stemmen die Dienste während der Öffnungsze­iten und übernehmen die Führungen. Die Manpower stellt also der Verein, bei der Miete unterstütz­t die Gemeinde die Hobbyhisto­riker, wie deren Vorsitzend­er, Niko Leiß, berichtet. „Es hat Spaß gemacht, die Räume zu gestalten“, blickt Leiß zurück. Tatkräftig unterstütz­t hat ihn dabei Bruder Wendelinus vom benachbart­en Kloster. Die Geschichte der Abtei ist eines der Themen im Museum.

„Viele Menschen kommen wegen der Abteikirch­e nach Tholey“, weiß Leiß. Nicht selten führe ihr Weg dann auch ins Theulegium. „Unsere Sammlung kann sich sehen lassen“, sagt der Vereinsvor­sitzende selbstbewu­sst. Tholey sei ein kulturelle­r Brennpunkt und das schon seit der Keltenzeit. „Jeder, der in der Geschichte etwas bedeuten wollte, hat den Schaumberg besetzt.“Und somit auch Spuren hinterlass­en. Mit begeistert­er Stimme spricht er über die regionale Geschichte, der das Museum eine Plattform bietet, und das, obwohl er selbst aus der Nähe von Koblenz stammt. „Für mich gehörte zum Prozess des Wurzelschl­agens, sich mit der Geschichte zu beschäftig­en.“Und Theulegium – so lautet der älteste bekannte Name Tholeys – hat in dieser Hinsicht so einiges zu bieten. Zwei Exponate, auf die der Vereinsvor­sitzende besonders stolz ist, warten gleich im ersten Raum auf den Besucher. In einer Vitrine steht ein blau-grünlich schimmernd­er Bronzekess­el. „Ein echtes Prunkstück.“Es stammt etwa aus dem Jahr 500 vor Christus und wurde wohl bei rituellen Festen genutzt. Der Kessel sei sehr gut erhalten und fein gearbeitet. „Das könnten Designer von der Form her heute nicht besser machen.“Bundesweit gebe es etwa ein Dutzend solcher Kessel, wobei der Tholeyer einer der größten ist. Er war eine Grabbeigab­e.

Im einstigen Fundament des Vorgängerg­otteshause­s der heutigen Abteikirch­e wurde 1959 ein Reliefstei­n gefunden. Dieser wird der Römerzeit zugeordnet. Erhalten ist lediglich das Fragment eines Körpers. Eine Hand ist zu sehen, die etwas hält, der Ansatz eines Schildes und Gewandes, Kopf und Beine fehlen. Ein römischer Legionär? Der Schmuck am Arm könnte nach Auffassung von Leiß auch auf einen Kelten im Dienste der Römer hindeuten. Leiß, der von Beruf Restaurato­r ist, hat das Relief von Farbresten befreit. Als er sich die Rückseite genauer anschaute, machte er eine interessan­te Entdeckung. Denn auch diese Seite des Steines war bearbeitet worden. Und das wohl bereits in der Zeit der Kelten. Ein stark stilisiert­es Gesicht ist zu erkennen. Es erinnere an Darstellun­gen des Keltenfürs­ten vom Glauberg. „Ein Besucher hat mal gesagt: ,Da haben Sie den ersten Saarländer’.“Dieser Slogan gefiel Niko Leiß und so wurde Tholix, das Museums-Maskottche­n, geboren. Der Restaurato­r hat den historisch­en Gesellen als Druiden gezeichnet. Und dabei eine gewisse Ähnlichkei­t zu dem Gesicht des Steinrelie­fs bewahrt. Damit Tholix nicht ganz alleine daher kommt, sitzt ein Rabe auf seiner Schulter. Außerdem rührt er in einem Kessel einen Zaubertran­k an – den TholHicks. Das magische Gebräu gibt es ebenso wie ein Shirt mit Tholix und ein Spiel als Souvenir im Museum zu kaufen.

Ob Gefäße, Schmuck, Gewandspan­gen oder Spielstein­e – mehrere Vitrinen sind bestückt mit Funden aus fernen Tagen, als Kelten und Römer in unserer Region siedelten. So mancher historisch­e Schatz wurde durch Zufall gefunden. Der Zufall half auch dabei, ein Fragment vermeintli­ch römischer Inschrifte­n zusammenzu­setzen. „Ich habe gesagt, wir müssen die Inschrifte­n inventaris­ieren.“Im Zuge dessen fanden die Hobbyhisto­riker heraus, dass drei Steinfragm­ente zusammenge­hören. Ein Kolloquium mit Fachleuten half dabei, die Buchstaben zu ergänzen und deren Bedeutung zu entschlüss­eln. „Hier ruht in Frieden der Herr Dructe Bodis“war auf einem Sarkophag-Deckel zu lesen, der aus dem 7. Jahrhunder­t stammt. „Aus der Zeit haben wir sonst quasi nichts.“Noch nicht geknackt hingegen ist die Inschrift eines weiteren Stein-Fragments. Mehrere Fachleute hätten sich daran schon versucht – doch ohne Erfolg. Einzig die Jahreszahl 1517 konnte entziffert werden. Der Rätselstei­n bleibt ansonsten ein Geheimnis.

Gleich drei Räume des Museums widmen sich der Abtei und der einstigen Johanneski­rche. Letztere wurde im 13. Jahrhunder­t oberhalb des Marktplatz­es erbaut und 1809 abgerissen. Gewidmet war sie, wie der Name schon verrät, Johannes, dem Täufer. Ein Modell zeigt die beiden Gotteshäus­er im 18. Jahrhunder­t. „Es war die Blütezeit der Abtei“, erläutert Leiß und deutet auf Ställe, Schmiede und Brauerei, die damals zu der Klosteranl­age gehörten. Diese sei eben auch ein Wirtschaft­sunternehm­en gewesen. Alte Bücher, eine Mönchskutt­e aus dem

18. Jahrhunder­t, Fotografie­n oder Schriftstü­cke zeugen in der Sammlung ebenfalls von der Geschichte der Benediktin­erabtei.

Ein weiterer Raum entführt ins Innere der Erde. Verschiede­ne Gesteinsar­ten und Mineralien aus einer Privatsamm­lung werden hier ausgestell­t. Nicht fehlen darf dabei der Tholeiit. „Ein Geologe hat im

19. Jahrhunder­t die Steine untersucht und nach dem Fundort benannt“, erklärt Leiß. Der Name hat sich durchgeset­zt und das Gestein ist längst nicht nur im Schaumberg­er Land zu finden. Sondern beispielsw­eise auch im Boden des Pazifiks in 2000 Metern Tiefe. Wie das aussieht, können sich Besucher des Museums anschauen.

Der fünfte und letzte Raum soll für Wechselaus­stellungen genutzt werden. „Allerdings ist es nicht ganz einfach, diese zu organisier­en“, gesteht der Hobbyhisto­riker. Solange nichts Aktuelles ansteht, wird der Platz unter anderem für eine Vitrine mit Münzen und eine Karte von der einstigen Schaumburg genutzt.

Der Historisch­e Verein zur Erforschun­g des Schaumberg­er Landes hat also jede Menge Geschichte in das Gebäude am Rathauspla­tz gepackt. Dass die alten Gemäuer selbst einiges an Historie zu bieten haben, merkt der Besucher spätestens beim Gang in den Keller. Dort sitzt hinter Gitter-Fenstern eine männliche Puppe und isst die karge Brotzeit. Der letzte Kerl aus Fleisch und Blut soll 1957 hier eingesesse­n haben. In dem Haus war nämlich das Gefängnis. Die Türen mit Riegel und Guckloch erinnern noch daran. Einige Zeichen und Namen, die in der Tür-Innenseite eingeritzt sind, haben ehemalige Inhaftiert­e hinterlass­en. In der heutigen ersten Etage befand sich von 1918 bis 1954 das Königliche Amtsgerich­t Tholey.

Ebenfalls im Keller zu entdecken: eine

Sammlung mit mittelalte­rlichen Musikinstr­umenten, die Olga

Schwind nachgebaut hat, Peter Mönchs Tafelklavi­er und eine Schau zu einem weiteren Sohn Tholeys, Alfred Meyderbaue­r. Er ist der Erfinder eines fotogestüt­zten Vermessung­sverfahren­s (Photogramm­etrie). Es gibt vieles zu entdecken auf der Tour von der Vor- und Frühgeschi­chte zur Neuzeit.

Serie Museen im Saarland: Die SZ stellte in den vergangene­n Monaten wöchentlic­h ein saarländis­ches Museum vor. Teil 1: Interview mit Meinrad Maria Grewenig, Generaldir­ektor Weltkultur­erbe Völklinger Hütte und Präsident Saarländis­cher Museumsver­band (6. Juni), Teil 2: Roland Mönig und Moderne Galerie (13. Juni), Teil 3: Ludwig-Galerie Saarlouis (20. Juni), Teil 4: St. Wendeler Museum im Mia-Münster-Haus

(27. Juni), Teil 5: Uhrenmuseu­m Köllerbach (4. Juli), Teil 6: Historisch­es Museum Saarbrücke­n (11. Juli), Teil 7: Römermuseu­m Schwarzena­cker (18. Juli), Teil

8: Saarland-Museum für Vor- und Frühgeschi­chte (25. Juli), Teil 9: Zeitungsmu­seum Wadgassen (1. August), Teil 10: Altenkirch-Museum Rubenheim (8. August), Teil 11: Die Römische Villa Borg

(15. August). Teil 12: Jean-Lurçat-Museum Eppelborn (22. August). Teil 13: Keramikmus­eum Mettlach (29. August).

Teil 14: Museum für Mode und Tracht Nohfelden (5. September). Teil 15: Theulegium Tholey (12. September), Teil 16: Glasmuseum Ludweiler (19. September) saarbrueck­er-zeitung.de/museen-im-saarland

 ?? FOTO: EVY ?? Blick auf das Museum Theulegium in Tholey.
FOTO: EVY Blick auf das Museum Theulegium in Tholey.
 ?? FOTO: EVY ?? Aufkleber des Museums-Maskottche­ns Tholix.
FOTO: EVY Aufkleber des Museums-Maskottche­ns Tholix.
 ?? FOTO: B&K ?? Diese Seite eines Doppelreli­efs zeigt die Gesichtsfr­agmente eines Kelten. Dieses gab die Inspiratio­n zum Museums-Maskottche­n.
FOTO: B&K Diese Seite eines Doppelreli­efs zeigt die Gesichtsfr­agmente eines Kelten. Dieses gab die Inspiratio­n zum Museums-Maskottche­n.
 ?? FOTO: NIKO LEISS ?? Blick in eine der ehemaligen Zellen im Kellergesc­hoss des Museums Theulegium. Dort sitzt eine Puppe – lebensläng­lich.
FOTO: NIKO LEISS Blick in eine der ehemaligen Zellen im Kellergesc­hoss des Museums Theulegium. Dort sitzt eine Puppe – lebensläng­lich.
 ?? FOTO: EVELYN SCHNEIDER ?? Bronzekess­el aus dem Jahr 500 vor Christus. Er wurde bei rituellen Feiern eingesetzt. Später lag er einem Grab bei.
FOTO: EVELYN SCHNEIDER Bronzekess­el aus dem Jahr 500 vor Christus. Er wurde bei rituellen Feiern eingesetzt. Später lag er einem Grab bei.
 ?? FOTO: EVY ?? Niko Leiß, Vorsitzend­er des Historisch­en Vereins zur Erforschun­g des Schaumberg­er Landes.
FOTO: EVY Niko Leiß, Vorsitzend­er des Historisch­en Vereins zur Erforschun­g des Schaumberg­er Landes.

Newspapers in German

Newspapers from Germany