Saarbruecker Zeitung

Verkehrte Welt bei den Nationalsp­ielern

Der „neue Sechser“Joshua Kimmich ist nicht der einzige im DFB-Team, der in seinem Verein eine andere Rolle einnimmt.

- VON THOMAS NIKLAUS

(sid) Joshua Kimmich schwärmte von seiner neuen Position in der Nationalma­nnschaft. Darüber, wie sehr es ihn gefreut habe, dass Joachim Löw ihn künftig auf der Sechs einsetzen will. Darüber, wie sehr er diese Rolle mag. Als die Rede jedoch auf Bayern München kam, war die Euphorie schnell weg.

Wenn der deutsche Fußball-Rekordmeis­ter an diesem Samstag (15.30 Uhr) im Heimspiel auf Bayer Leverkusen trifft, wird Kimmich vom Alltag eingeholt. Dann heißt es für ihn wieder: Rechtsvert­eidiger statt Schaltzent­rale vor der Abwehr. Und der Münchner ist nicht der einzige Nationalsp­ieler, der sich nach der Länderspie­lwoche in seinem Club zum Leidwesen der Vereinstra­iner wieder gänzlich umstellen muss. Verkehrte Welt!

Der Bundestrai­ner ist durch fehlende Qualität auf einigen Positionen zu Experiment­en gezwungen. Beim 0:0 gegen Frankreich und beim 2:1 gegen Peru setzte er etwa den Gladbacher Innenverte­idiger Matthias Ginter als rechten Verteidige­r ein – dort, wo zuletzt Kimmich immer gespielt hatte. Links war gegen den Weltmeiste­r mangels Alternativ­en Antonio Rüdiger (FC Chelsea) im Einsatz, auch normalerwe­ise in der Zentrale zu Hause.

Und das nächste (Positions-) Problem gibt es bereits: Der Saarländer Jonas Hector, im DFB-Team als Linksverte­idiger vorgesehen, spielt bei Zweitligis­t 1. FC Köln inzwischen im defensiven Mittelfeld. Er werde „in der Abwehrkett­e auch weiterhin ein bisschen variieren“, kündigte Löw vor dem heißen Nations-League-Herbst mit den Spielen in den Niederland­en (13. Oktober) und Frankreich (16. Oktober) an. Ob das wirklich sinnvoll ist?

Auch vorne ist Fantasie gefragt. In der deutschen Offensive, der seit Jahren ein echter Torjäger fehlt, musste deshalb der Dortmunder Marco Reus in beiden Länderspie­len an vorderster Front ran. Dabei weiß Löw, „dass Marco lieber auf der linken Seite spielt. Er ist wie Timo Werner über Außen sehr gut, aber auch als Anspielsta­tion vorne, der die Bälle sehr gut verarbeite­t und die Außen ins Spiel bringen kann“, sagte der Bundestrai­ner. Werner agiert bei RB Leipzig als Spitze, im DFBTeam meist über links.

Auch der Münchner Thomas Müller sieht sich eher im Zentrum, gegen Frankreich stellte ihn Löw aber nicht das erste Mal auf die rechte offensive Außenbahn. Da sei Müller „verschenkt“: „Das hat man nicht nur gegen Frankreich gesehen. Ihm fehlen das Dribbling und das Tempo“, monierte Rekordnati­onalspiele­r Lothar Matthäus. Nur: Auch Müller ist nicht der Brecher im Strafraum, wie ihn alle Top-Nationen bei der Weltmeiste­rschaft in Russland hatten – Frankreich mit Olivier Giroud, Kroatien mit Mario Mandzukic, Belgien mit Romelu Lukaku und England mit Harry Kane.

Löw sieht die Diskussion­en gelassen. Er setzt auf die Flexibilit­ät und Klasse seiner Spieler. Bei Kimmich hat er sich festgelegt, dass er den 23-Jährigen weiterhin für die Sechs vorsieht, „weil ich sehr zufrieden bin und er die Position gut bekleidet mit allem, was sie abverlangt“. Auch in Abwehr und in Offensive wird Löw ungeachtet aller Vereins-, aber auch Spielerint­eressen seine Vorstellun­gen weiter umsetzen.

Kimmich wird sich in München mit seinem „Schicksal“arrangiere­n. Mit Bayern-Trainer Niko Kovac werde er „nicht das Gespräch suchen. Ich gehe davon aus, dass ich weiter Rechtsvert­eidiger spiele“, sagte er. Umso mehr freut er sich auf die kommenden Länderspie­le auf seiner Lieblingsp­osition. Er sei „heiß auf nächsten Monat“. Ob das ein Antonio Rüdiger oder Marco Reus auch so sagen würde?

„Ich werde in der Abwehrkett­e weiterhin ein bisschen variieren.“

Joachim Löw

Bundestrai­ner

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FOTO: DECK/DPA Der Münchner Joshua Kimmich (Mitte) überzeugte in den Spielen gegen Frankreich und wie hier gegen Peru mit dem Ex-Schalker Jefferson Farfan in seiner neuen Rolle als zentral-defensiver Mittelfeld­spieler.

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