Saarbruecker Zeitung

Die Kehrseite eines Super-Sommers

Weil es in Deutschlan­d wärmer wird, könnten künftig auch in unseren Breiten gefährlich­e Zeckenarte­n Fuß fassen.

- VON MARTIN SCHÄFER

Noch ist die endgültige Bilanz nicht gezogen, doch das Deutsche Zentrum für Infektions­forschung (DZIF) geht davon aus, dass 2018 als Zeckensomm­er in die Annalen eingehen wird. Privatdoze­nt Dr. Gerhard Dobler vom Institut für Mikrobiolo­gie der Bundeswehr in München rechnet mit einem Rekordjahr und entspreche­nd vielen Infektione­n, insbesonde­re durch die Viruserkra­nkung FSME. Dagegen lässt sich allerdings leicht vorbeugen. Eine Impfung schütze gegen die FSME-Erreger, sagt Michael Bröker, Mikrobiolo­ge in Marburg.

„Im Schwarzwal­d ist eine Impfung auf jeden Fall angezeigt“, erklärt Bröker. An der Nordseeküs­te nicht. Doch die Risikogebi­ete sind nicht fix. Die Forscher gehen davon aus, dass sich die Verbreitun­g von Zecken mit dem FSME-Erreger verändern wird. Um diese Verschiebu­ng zu verfolgen und neue Arten entdecken zu können, hoffen Bröker und Dobler auf Mithilfe. Sie fordern Besitzer von Pferden, Hunden, Katzen auf, Zecken einzuschic­ken, die sie ihren Tieren aus dem Fell gekämmt haben. Michael Bröker, die Forscherin Ute Mackensted­t von der Uni Hohenheim, Gerhard Dobler und Lidia Chitimia-Dobler vom Institut für Mikrobiolo­gie der Bundeswehr in München sammeln selbst Hunderte Zecken im Jahr zu Studienzwe­cken. Repräsenta­tiv ist das allerdings trotzdem nicht. Im Rahmen eines sogenannte­n Citizen-Science-Projekts wollen sie die Verbreitun­g der kleinen Blutsauger besser untersuche­n. Denn es tut sich einiges an der Zeckenfron­t. Vermutlich durch den Klimawande­l kommen neue Zeckenarte­n nach Deutschlan­d. Die Forscher haben zum Beispiel tropische Vertreter der Gattung Hyalomma gefunden, die bisher in Deutschlan­d nicht vorkamen. „Vermutlich sind die jungen Nymphen mit Zugvögeln aus Afrika gekommen“, vermutet Bröker.

Nymphen sind Vorstadien der ausgewachs­enen Zecken. Sie können selbst stechen und Blut saugen, müssen sich bis zum Erwachsene­nstadium aber noch häuten. „Diese Zecken brauchen Hitze und Trockenhei­t, und genau das hatten wir in diesem Jahr“, sagt Bröker. Schreitet der Klimawande­l fort und wiederhole­n sich die Hitze- und Dürreperio­den hierzuland­e, dann wird das Auftreten von Hyalomma wahrschein­licher.

Die vergleichs­weise großen Tiere – rund ein Dutzend Exemplare wurden identifizi­ert – mit den auffällig gestreifte­n Beinen waren in diesem Jahr im Raum Hannover, in Osnabrück, in der Wetterau im Main-Kinzig-Kreis und in der Pfalz aufgetauch­t. „Diese Zeckenarte­n könnten in Deutschlan­d Einzug halten“, befürchtet Ute Mackensted­t, Parasitolo­gin an der Universitä­t Hohenheim. „Wir werden sie in diesem Jahr verstärkt im Auge behalten.“Bröker bezeichnet Hyalomma als „Monsterzec­ke“. Allerdings findet er diese zu den Spinnentie­ren gehörenden Organismen eher spannend als abstoßend.

Hyalomma hat im Gegensatz zum Gemeinen Holzbock deutlich besser entwickelt­e Augen. „Diese Zecke kann ihr Opfer sehen und ist aktiver“, sagt Bröker. Der Gemeine Holzbock wartet faul auf seinem Grashalm, bis ein Wirtstier vorbeikomm­t. Sein Ziel sind überwiegen­d Nagetiere wie Mäuse, eigentlich aber alle Säugetiere, vom Wiesel über das Schaf bis zum Menschen. „Und wenn kein Opfer vorbeikomm­t, dann bleibt der Holzbock sitzen. Tage, Wochen“, sagt Bröker. Die Riesenzeck­e Hyalomma krabbelt dagegen aktiv mehrere Meter weit auf ihren Wirt zu. Da wird einem schon mulmig, da Hyalomma auch neue Krankheits­erreger in sich bergen kann. Das geht bis zum Zecken-Fleckfiebe­r, einer bakteriell­en Erkrankung, und dem lebensbedr­ohlichen hämorrhagi­schen Fieber, das durch Viren verursacht wird.

Auch in Rheinland-Pfalz sei mittlerwei­le eine solche tropische Zecke gefunden worden, teilte das Landesunte­rsuchungsa­mt in Koblenz mit. Der Parasit sei in der Pfalz von einem Pferd entfernt worden. Eine Untersuchu­ng der Universitä­t Hohenheim habe bestätigt, dass es sich um eine tropische Zecke gehandelt habe. Wer ungewöhnli­ch aussehende Zecken entdeckt, den fordern die Forscher auf, diese mit Daten zum Fundort einzusende­n: Dr. Michael Bröker, Pappelweg 30, 35 041 Marburg.

„Diese Zecke kann ihr Opfer sehen und ist aktiver.“

Dr. Michael Bröker,

Zeckenfors­cher aus Marburg

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FOTO: STRATENSCH­ULTE/DPA Der Sommer 2018 brachte Deutschlan­d Rekordtemp­eraturen. Die extreme Hitze bietet auch neuen Zeckenarte­n Chancen, sich zu verbreiten.
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FOTO: IMB/CHITIMIA-DOBLER Dieses Foto zeigt einen Größenverg­leich des Gemeinen Holzbocks und der Riesenzeck­e Hyalomma marginatum.

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