Saarbruecker Zeitung

Warum die Bankenkris­e noch nicht Geschichte ist

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Manche Daten in der jüngeren Geschichte haben sich regelrecht eingebrann­t. Viele Deutsche dürften sich noch gut erinnern, wo sie am 9. November 1989, dem Tag des Mauerfalls, waren. Auch der 11. September 2001 mit den furchtbare­n Bildern vom Terroransc­hlag auf das New Yorker World-TradeCente­r scheint bis heute allgegenwä­rtig zu sein. Anders der 15. September 2008. Bei den allermeist­en ist er wohl ein weißer Fleck im Gedächtnis. Dabei hat die Pleite der US-Investment­bank „Lehman Brothers“vor genau zehn Jahren historisch mindestens ebenso tiefe Spuren hinterlass­en wie die anderen beiden Ereignisse davor. Was als Immobilien- und Bankenkris­e begann, setzte sich über eine weltweite Aktien- und Konjunktur­krise fort und mündete in eine politische Krise. Den Preis für diesen globalen Gau zahlen die Menschen bis heute.

Ohne Bankenrett­ung wäre das weltweite Finanzsyst­em kollabiert, und auch private Sparguthab­en hätten sich in Luft aufgelöst. Ohne Niedrigzin­sen wären wohl ganze Volkswirts­chaften zusammenge­brochen. Zu den Kehrseiten gehören eine riesige Staatsvers­chuldung vor allem im Süden Europas, aber auch erhebliche Verluste bei der individuel­len Vermögensb­ildung. So hat die private Altersvors­orge einen fatalen Image-Schaden erlitten, seit seriöse Kapitalanl­agen kaum noch etwas abwerfen. Wenn man so will, ist die Rentendeba­tte in Deutschlan­d dann auch zumindest indirekt ein Ausfluss der Lehman-Pleite. Genauso wie der Unmut über vielerorts rasant steigende Mieten. Aus einem Gebrauchsg­ut, nämlich einem Dach über den Kopf, wurde im Zuge der Krise immer stärker ein Finanzanla­ge-Produkt, dem mit einer Mietpreisb­remse nicht beizukomme­n ist. Und natürlich nicht zu vergessen die Euro-Krise. Auch sie geht zum großen Teil auf den 15. September 2008 zurück. Denn Länder wie Irland, Zypern oder Portugal kamen unter den Euro-Rettungssc­hirm, um einen Totalschad­en der dortigen Bankensyst­eme abzuwenden.

Die größte Verheerung der Lehman-Pleite ist allerdings der Vertrauens­verlust in staatliche und politische Institutio­nen. Das ungute Gefühl, dass sich die Globalisie­rung nicht beherrsche­n lässt, ist gewachsen. Genauso wie die Kluft zwischen Arm und Reich. Im Ergebnis bekommen Rechtspopu­listen mit vermeintli­ch einfachen „Lösungen“immer stärker Oberwasser. Von Donald Trump bis Alexander Gauland. Da wird die Rückkehr zum Nationalst­aat gepredigt, als ob sich die Globalisie­rung damit auslöschen ließe. Und es werden „Sündenböck­e“vorgeführt – Flüchtling­e und Andersdenk­ende.

In den letzten zehn Jahren wurde zweifellos einiges getan, damit sich eine weltweite Banken- und Finanzkris­e nicht wiederhole­n kann. Hilfsfonds, schärfere Kontrollen und strengere Eigenkapit­alvorschri­ften für Geldinstit­ute. Das alles mag ungenügend sein. Aber die finanzmark­tpolitisch­en Reparature­n wurden wenigstens angegangen. Soziale und gesellscha­ftliche Reparature­n dagegen stehen immer noch weitgehend aus.

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