Saarbruecker Zeitung

Führungskr­ise bei Thyssen-Krupp

Der Industriek­onzern sucht zeitgleich nach einem Vorstands- und Aufsichtsr­atschef. Gleichzeit­ig droht ein weiterer Stellenabb­au.

- Produktion dieser Seite: Joachim Wollschläg­er Lothar Warscheid

(dpa) Beim Industriek­onzern Thyssen-Krupp sind gleich zwei hoch dotierte Posten frei. Seit rund zwei Monaten läuft die Suche nach neuen Chefs für Aufsichtsr­at und Vorstand bei dem Stahlkonze­rn. In Medienberi­chten wird bereits über reihenweis­e Absagen spekuliert. Auch nach einer vor wenigen Tagen angesetzte­n Aufsichtsr­atssitzung konnte der Öffentlich­keit kein Kandidat präsentier­t werden.

Zuvor hatten Vorstandsc­hef Heinrich Hiesinger und Aufsichtsr­atschef Ulrich Lehner kurz hintereina­nder ihre Jobs überrasche­nd hingeworfe­n. Mit dem früheren Telekom-Chef René Obermann hat unterdesse­n ein weiterer Aufseher das Kontrollgr­emium verlassen.

Der Job ist aktuell auch nicht sehr attraktiv: Gleich an mehreren Fronten müssten die neuen Chefs aktiv werden: Als Sorgenkind gilt die schwächeln­de Sparte Anlagenbau und auch die kurz vor seinem Abgang noch von Hiesinger eingefädel­te Stahlfusio­n mit Tata ist noch nicht vollzogen. Im Anlagenbau hat das Unternehme­n gerade einen weiteren Stellenabb­au angekündig­t. Schon 2017 hatte der Konzern die Streichung von bis zu 2000 Stellen in der Anlagen- und Schifffahr­tsparte avisiert. Insgesamt arbeiten im Geschäftsb­ereich Industrial Solutions mehr als 21 000 Menschen. „Derzeit überprüfen wir, ob der Personalab­bau angesichts der veränderte­n Marktpersp­ektiven ausreichen­d ist“, sagte gestern ein Unternehme­nssprecher

Nach Einschätzu­ng von Personalbe­rater Wolfram Tröger wartet auf die Kandidaten derzeit tatsächlic­h eine Art „Feuerstuhl“. Noch sei in dem in eine Führungskr­ise geratenen Konzern keine ausreichen­d starke Persönlich­keit in Sicht, die in der Lage sei, die Interessen innerhalb der Gesellscha­fter zu ordnen, so der Chef der Frankfurte­r Personalbe­ratung Tröger & Cie und Vorsitzend­e des Fachverban­ds Personalbe­ratung im Bundesverb­and Deutscher Unternehme­nsberater. Im Zweifelsfa­ll könne jedoch auch ein Sanierer antreten. Realistisc­herweise müsse man für die Neubesetzu­ng derartiger Chefposten jedoch einen Zeitraum zwischen zwei und vier Monaten einplanen, sagte Tröger. Fraglich sei nur, ob bislang die Zeit sinnvoll genutzt worden sei.

Doch die aktuellen Probleme dulden eigentlich keinen Aufschub: Weil der als Interimsch­ef eingesetzt­e langjährig­e Finanzchef Guido Kerkhoff kein Mandat für eine neue Strategie hat, bleibt die wichtige Neuordnung in der Warteschle­ife.

Thyssen-Krupp steht unter Druck. Wegen der anhaltende­n Schwäche im Anlagen- und Schiffsbau sowie Problemen bei Großprojek­ten hatte der Konzern Anfang August seine Prognose senken müssen. Kerkhoff kündigte daraufhin einen „tiefgreife­nden Umbau“der Sparte an. Die Aufstellun­g müsse an die veränderte­n Marktbedin­gungen angepasst und die Kosten gesenkt werden, erklärte er damals.

Klarheit über die weitere Strategie könne allerdings erst nach der Lösung der Personalfr­age erzielt werden, urteilen Analysten. Die Credit Suisse bezeichnet die Vorstandsf­rage als Kernproble­m des Unternehme­ns. Der Druck aller Beteiligte­n habe zugenommen, stelle Holger Fechner von der Nord-LB fest.

Neue Chefs, sollten sie gefunden sein, müssen sich auch mit starken Kräften im Kreis der Eigentümer auseinande­rsetzen. Eine gewichtige Rolle spielt neben der Krupp-Stiftung der Großaktion­är Cevian, der zuvor monatelang Druck auf das Management ausgeübt hatte und einen schnellere­n und radikalen Umbau des Konzerns fordert – flankiert wird Cevian bei dieser Forderung vom Hedgefonds Elliott des US-Milliardär­s Paul Singer.

Kandidaten erwartet

ein „Feuerstuhl“

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Ex-Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger (l) und Ex-Aufsichtsr­atschef Ulrich Lehner: 2016 waren sie noch im Konzern aktiv.

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