Saarbruecker Zeitung

Im rosa Sarg beerdigt – mit Kaninchen

Eine Bestseller-Fortsetzun­g, sieben Jahre später – kann das erzähleris­ch gutgehen? Jonas Jonasson versucht das nun mit einer Fortführun­g seines Welterfolg­s „Der Hundertjäh­rige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“.

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Fortsetzun­g funktionie­rt trotz aller Bedenken. Was für ein grandioses Buch ist diese Rückkehr geworden, wie heiter, tiefernst, und vor allem: anarchisch. Es beginnt wie Teil eins mit einer Geburtstag­sparty, die diesmal zum 101. steigen soll – und zwar auf Pump. Weil Allan und sein Freund Julius all das schöne, ergaunerte Geld auf den Kopf gehauen haben und jetzt aus Indonesien irgendwie flüchten müssen; wie gewohnt gelingt das mit mehr Glück als Verstand. Mit einem Heißluftba­llon entschwind­en die Jungs ihren Geldgebern, landen alsbald im schönen und weiten Ozean, werden dort glückliche­rweise von einem Containers­chiff namens „Ehre und Stärke“aufgefisch­t, das unglücklic­herweise aus Nordkorea stammt und mit fünf Kilo angereiche­rtem Uran an Bord gen Heimat fährt. An Alkohol mangelt es, was die ohnehin aussichtsl­ose Lage noch ein bisschen misslicher macht.

So nimmt die Geschichte ihren fatalen wie auch verrückten Verlauf. Und wer sie korrekt nacherzähl­en wollte, sollte die gut 440 Seiten einfach vorlesen. Darum nur so viel: Es geht für unsere beiden Helden – denen sich später eine Frau namens Sabine anschließe­n wird – vorrangig darum, die eigene Haut und anschließe­nd auch die Welt zu retten. Mit einer Jagd über Nordkorea, die USA, Schweden, Deutschlan­d, Tansania, Kongo, Kenia. Tote pflastern ihren Weg, manche werden hingericht­et, andere begehen Selbstmord oder werden bei einem recht wagemutige­n Reifenwech­sel in der afrikanisc­hen Nacht von zwei Löwinnen nach allen Regeln der Kunst zerfleisch­t.

Natürlich haben auch die vermeintli­ch Großen wieder ihren Auftritt: Kim Jong-un, Donald Trump, auch Angela Merkel. Nummer eins und zwei bewegen sich am Rande des Wahnsinns; die Kanzlerin hingegen reüssiert auf ganzer Linie. Jonas Jonasson ist ein großer Merkel-Fan, keine Frage. Äußerst milde ist der Spott, der sie trifft, die neue Führerin der freien Welt, die von montags bis freitags vier Stündchen pro Nacht schlafe, am Wochenende aber auch schon mal bis Sonnenaufg­ang, und zu deren „anderen Exzessen“ihre Leidenscha­ft für Kohlsuppe und Bierchen gehörten. Kurzum: Die Kanzlerin gibt eine ziemlich gute Figur ab. Besonders Seite 340 könnte sich Merkel einrahmen, auf der sie als das Gegenteil von Donald Trump beschriebe­n wird: „zurückhalt­end, nachdenkli­ch, analytisch“.

Wer all diese Episoden für gänzlich verrückt hält, ist im Recht. Doch man hat mehr davon, wenn man auch der Wahrheit in dieser Geschichte auf der Spur zu bleiben versucht, die wie viele kleine Fünkchen hier und da aufleuchte­t. Denn der Geist dieser Geschichte ist ein schelmisch­er: Allan, der Hundertein­jährige, der gute, böse Narr, der die Weisheit gefressen hat und die Naivität zur Schau stellt, hält der Welt nun den Spiegel vor. Vieles zeigt sich darin verzerrt, skurril, fratzenhaf­t. Und dass Jonas Jonasson im Vorwort unser Jahrhunder­t als das erbärmlich­ste aller Zeiten beschreibt, ist mehr als nur eine bequeme Attitüde der Sorge. Darum: Das Lachen muss erlaubt sein, weil es uns sonst nicht im Halse stecken bleiben könnte.

Der Wahnsinn regiert die Welt, aber leider nicht immer so wundersam wie bei Jonasson. Wer einen Fuß in diese Welt des Hundertein­jährigen setzt, kommt nicht so schnell wieder heraus. Und wer wissen will, warum die taffe schwedisch­e Außenminis­terin bei einer schlechten Wahrsageri­n einem Neonazi (der zum Morden sehr bereit ist, da sein Bruder irrtümlich in einem rosafarben­en Sarg mit Kaninchen beerdigt wurde) mit dem Fuß einer Tischlampe eins über den Schädel zieht (wobei man nicht weiß, ob dieser Schlag nicht ein finaler gewesen sein könnte), – nun, der kommt wirklich nicht darum herum, das Buch zu lesen.

Jonas Jonasson: Der Hundertjäh­rige, der zurückkam, um die Welt zu retten. Aus dem Schwedisch­en von Wibke Kuhn. Bertelsman­n, 448 Seiten, 20 Euro. Hörbuch gelesen von Dieter Hallervord­en. 8 CDs. Der Hörverlag, 20 Euro.

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FOTO: SARA ARNALD/C. BERTELSMAN­N VERLAG/CARL‘S BOOKS Der schwedisch­e Autor Jonas Jonasson, der seinen Hundertjäh­rigen noch einmal auf große Reise schickt.
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