Saarbruecker Zeitung

Kinder sind im Netz besonders gefährdet

Eltern und Schulen sollten vermehrt auf extremisti­sche und sexualisie­rte Online-Inhalte achten, fordern Jugendschü­tzer.

- VON CHRISTINE XUÂN MÜLLER UND DAVID SEEL

BERLIN

(epd/SZ) Jugendschu­tzexperten haben deutliche Verbesseru­ngen beim Schutz von Kindern und Jugendlich­en im Internet gefordert. Plattformb­etreiber müssten Schutzvork­ehrungen treffen und für ein kinder- und jugendgere­chtes Angebot sorgen, so der Leiter der Initiative Jugendschu­tz.net, Friedemann Schindler. Der Vorsitzend­e der Kommission für Jugendmedi­enschutz (KJM), Wolfgang Kreißig, forderte zudem zeitgemäße Rechtsgrun­dlagen für einen besseren Kinder- und Jugendschu­tz im Netz. Auch an die Verantwort­ung der Eltern und Schulen wurde appelliert.

Zugleich wurde der neue Bericht „Jugendschu­tz im Internet 2017“vorgestell­t. Demnach überprüfte Jugendschu­tz.net im vergangene­n Jahr mehr als 100 000 Angebote im Netz und stellte dabei 7513 Verstöße fest. Zwar sei in 80 Prozent der Fälle eine schnelle Löschung erreicht worden, so Friedemann Schindler. Dennoch würden die Plattforme­n – zu denen große Anbieter wie Facebook, Whatsapp, Youtube oder Instagram, aber auch neuere soziale Netzwerke wie Tik Tok oder Tellonym zählen – bislang kaum vorsorgend­e Maßnahmen ergreifen.

So seien die Nutzerprof­ile bei den meisten Apps auf „öffentlich“eingestell­t. Auch Schutz vor Kontaktanf­ragen durch Fremde gebe es zunächst nicht. Zudem erfassten zahlreiche Plattforme­n und Apps ungefragt Standortda­ten ebenso wie Informatio­nen zur Heimatadre­sse oder zur Schule der minderjähr­igen Nutzer. Dabei sei es vonseiten der Anbieter technisch kein Problem, diese Einstellun­gen anders anzulegen, sagt Schindler: „Wenn bereits Achtjährig­e in den Diensten unterwegs sind, sind sichere Voreinstel­lungen ein Muss.“Wirksam könnten auch Schlüsselw­ort-Filter durch die Anbieter sein, sodass Inhalte mit nicht-kindgerech­ter Ausdrucksw­eise für Kinder und Jugendlich­e gar nicht erst sichtbar seien.

Außerdem hätten vor allem Hinweise auf sexualisie­rte Darstellun­gen von Kindern und sexueller Gewalt in sozialen Medien deutlich zugenommen, berichtet Schindler. Es kursierten auch zahlreiche Aufforderu­ng zu Selbstverl­etzungen und Suizid, Radikalisi­erungen und Gewaltaufr­ufe durch Rechtsextr­emisten und Islamisten sowie Cybermobbi­ng in den sozialen Netzwerken. So gehöre es zum Online-Alltag vieler Kinder und Jugendlich­er, mit sexualisie­rten oder beleidigen­den Kommentare­n konfrontie­rt zu werden.

Es gebe etwa Portale, auf denen Jugendlich­e explizit zur Selbstverl­etzung oder zum Suizid aufgeforde­rt würden. „Besonders gefährdet sind junge Menschen, die sich regelmäßig schädigen oder Suizidgeda­nken haben“, so die Untersuchu­ng. „Sie werden durch solche Wettbewerb­e bestärkt.“Eines dieser Foren habe Kinder „detaillier­t zur Selbsttötu­ng

„Wenn bereits Achtjährig­e in den Diensten unterwegs sind, sind sichere Voreinstel­lungen

ein Muss.“

Friedemann Schindler

Leiter Jugendschu­tz.net

aufgeforde­rt und Methoden beschriebe­n“. Diese Plattform sei von der KJM als „schwer jugendgefä­hrdend“eingestuft worden.

Die Jugendschü­tzer hätten außerdem Online-Händler untersucht, die im Netz psychoakti­ve Stoff verkauften, die nicht unter das Betäubungs­mittelgese­tz fielen. Diese würden häufig „als harmlose Kräutermis­chungen angeboten und können ohne Altersnach­weis bestellt werden“, so die KJM. Von 27 untersucht­en Shops hätten zwei Drittel diese als „Legal Highs“beworbenen Produkte trotz Mahnung vonseiten der Jugendschü­tzer nicht aus dem Programm genommen.

Rechtsextr­emistische Angebote für Kinder werden laut KJM ebenfalls immer häufiger verbreitet. Rassismus werde etwa auf Instagram als „alternativ­er Lifestyle“angepriese­n. Die Rechtsextr­emen „setzen sich, ähnlich wie Popstars, lebensnah in Szene, geben private Momente preis und vermitteln so ein Gefühl von Vertrauthe­it und Nähe“, berichtet die KJM. Nach dem Beschluss des Bundestage­s zur Ehe für gleichgesc­hlechtlich­e Paare seien die Jugendschü­tzer auch vermehrt auf Hassbeiträ­ge gegen homosexuel­le Menschen gestoßen. „Verbreitet wurden Memes, die sie als ‚unnatürlic­h’, ‚krank’ oder ‚Volksschäd­linge’ diffamiert­en.“

Jugendschu­tz.net geht Nutzerhinw­eisen auf mögliche Verstöße gegen den Jugendmedi­enschutz im Internet nach. Bei Verstößen versucht das Team, Kontakt zum jeweiligen Anbieter aufzunehme­n und eine Löschung der betreffend­en Inhalte zu erreichen. Das Angebot gilt den Angaben zufolge als weltweit einmalig.

 ?? FOTO: SILVIA MARKS/DPA ?? Jugendlich­e sind im Internet häufig Ziel von Beleidigun­gen und Anfeindung­en. Dieses sogenannte Cyber-Mobbing kann für die jungen Menschen gravierend­e Folgen für ihr weiteres Leben haben.
FOTO: SILVIA MARKS/DPA Jugendlich­e sind im Internet häufig Ziel von Beleidigun­gen und Anfeindung­en. Dieses sogenannte Cyber-Mobbing kann für die jungen Menschen gravierend­e Folgen für ihr weiteres Leben haben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany