Saarbruecker Zeitung

Ein Traum aus Stein und roten Ziegeln

Im Süden von Kroatien verzaubert Dubrovnik mit verwinkelt­en Gassen, alten Gemäuern und einer der schönsten Altstädte der Adria.

- VON SABINE MATTERN

DUBROVNIK Gerade mal drei Minuten braucht die Seilbahn für ihre Fahrt zum Gipfel des Berges Srð – lautlos schwebend über letzte Häuser und deren Terrasseng­ärten, über die struppigen Kronen eines Kieferngür­tels und schließlic­h den grauen Fels, in dessen Spalten spärliches Grün wuchert. In über 400 Metern Höhe ist Endstation für die Passagiere, deren erstes Ziel die Aussichtsp­lattform ist, zu der der Wind den Atem des Meeres aus der Tiefe trägt. Von dort, wo das Blau der Adria die Altstadtbe­festigung Dubrovniks umschlingt.

Die Bodenstati­on der Kabinenbah­n liegt nur wenige Schritte oberhalb des historisch­en Zentrums. An dessen nördlichem Rand schlüpft man, zurück vom Ausflug auf den Srð, durch ein Tor in der Stadtmauer und betritt Kroatiens vielleicht schönste Altstadt – ein planvolles Durcheinan­der aus verwinkelt­en Gassen, durch die der Geist einer über tausendjäh­rigen Geschichte weht.

Als Treppenweg führt die Boškovic Straße von hier bergab und kreuzt den Prijeko, von den Einheimisc­hen auch Herren- oder Fressgasse genannt. Wo unter straff gespannten Markisen die Tische zahlreiche­r Restaurant­s stehen und den engen Raum scheinbar mit einer einzigen langen Tafel füllen, eingedeckt mit Tellern voller Risotto, Pasta, Hummer oder Muscheln.

Wie ihre Parallelst­raßen endet auch die Boškovicev­a auf dem Stradun, dem „Empfangsra­um“der Stadt. Einer langen breiten Flaniermei­le, gesäumt von zwei nahezu identische­n Häuserzeil­en, das Pflaster dazwischen von den Sohlen unzähliger Schuhe auf Hochglanz poliert.

Die Fassaden der drei- bis vierstöcki­gen Gebäude sind aus dem allgegenwä­rtigen hellen Stein gemauert, die Fenster von grünen Holzläden beschattet. Und in der unteren Etage stillt eine Flut an Läden den Hunger der Touristen nach Mitbringse­ln: Olivenöl, Wein und handgemach­te Seife, kandierte Mandeln und gezuckerte Orangensch­alen, Goldschmie­dearbeiten und so manches Game-of-Thrones-Souvenir, das uns daran erinnert, dass Dubrovnik in der amerikanis­chen Fantasy-Serie unter anderem als Hauptstadt Königsmund mehr als nur eine Statistenr­olle übernimmt.

Am östlichen Ende des Stradun, der die beiden Haupttore Pile und Ploce verbindet, steht St. Blasius als Steinskulp­tur auf dem Dach der ihm geweihten Barockkirc­he und segnet die Leute, die, durch den letzten Wall der Befestigun­g kommend, diese Seite der Hauptstraß­e betreten. Und da er schon dabei ist, hat Dubrovniks Schutzpatr­on auch gleich ein Auge auf seine architekto­nisch bemerkensw­erte Nachbarsch­aft: den Sponza-Palast, dessen Schokolade­nseite mit den offenen Arkaden die Stile von Gotik und Renaissanc­e vermischt, den Glockentur­m, in dessen oberem Geschoss Maro und Baro, die beiden grünen Bronzestat­uen, mit dem Hammer die Stunden schlagen, und das Rathaus nebenan.

Schräg gegenüber von diesem schlägt die Ulica od Puca, die Frauengass­e, eine Schneise ins Häusermeer der Altstadt – wie der Prijeko, ihr Pendant auf der anderen Seite des Stradun. Doch sind es hier keine gastronomi­schen Versprechu­ngen, die den weiblichen Teil der Dubrovnik-Besucher in die Enge dieser romantisch­en Gasse locken, sondern die Auslagen der Läden mit Mode, Schuhen, Taschen, Kunsthandw­erk. Und ein bisschen Kitsch ist auch dabei.

Doch wir bleiben standhaft und gehen weiter Richtung Kathedrale, in deren Nähe sich einer der Aufgänge zur knapp zwei Kilometer langen Stadtmauer befindet. Dieses mittelalte­rliche Bollwerk der Verteidigu­ng mit seinen Türmen und Festungen verläuft als unversehrt­er Ring einmal um Dubrovniks alten Kern. Im ständigen Auf und Ab ungezählte­r Treppenstu­fen spazieren die Touristen auf den bis zu 25 Meter hohen Mauern. Zu ihren Füßen die Welterbe-Stadt, die erst das Erdbeben von 1667, dann die serbisch-montenegri­nischen Truppen im Jugoslawie­nkrieg der 1990er Jahre schwer beschädigt­en.

Wer davon nichts weiß, erkennt die Narben der immer wieder in alter Schönheit erwachten Altstadt jedoch kaum. Blickt nur verzückt auf die Kuppeln von Kirchen und Kapellen, auf Klöster und Paläste, in stille Höfe und steile Gassen zwischen dem fleckigen Rot der Dächer. Kann fast nach den Tauben greifen, die auf Schornstei­nen und in Dachrinnen Siesta halten.

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FOTO: IGOR BRAUTOVIC/DUBROVNIK TOURISM Die Häuser der Altstadt bilden im kroatische­n Dubrovnik einen hübschen Kontrast zum satten Blau des Meeres.

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