Saarbruecker Zeitung

Aus der Maaßen-Krise wird eine SPD-Krise

Der kritisiert­e Verfassung­sschutzche­f wird versetzt, der Koalitions­gipfel hatte seinen Kompromiss. Doch jetzt sehen die Genossen rot.

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VON HAGEN STRAUSS

BERLIN

(has/dpa) Horst Seehofer war gestern bemüht, sich aus der Schusslini­e zu nehmen. Alles, was von den drei Parteichef­s vereinbart worden sei, habe man niedergesc­hrieben, ausgedruck­t „und lag dann klar leserlich vor uns. Da steht die Verwendung von Herrn Maaßen drin“, meinte der Bundesinne­nminister von der CSU bei seiner Pressekonf­erenz. Den

Schwarzen Peter im Fall des noch amtierende­n Verfassung­sschutzprä­sidenten HansGeorg Maaßen hat nun jemand anderes: SPD-Chefin Andrea Nahles.

Zumal Seehofer vom Treffen der drei Parteivors­itzenden bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstagab­end auch noch das verriet: „Es war nicht das Begehren mir gegenüber, ihn zu entlassen, sondern in anderweiti­g zu verwenden.“Sollte das stimmen, wäre dies ein Kinnhaken für die SPD und ihre Vorsitzend­e. Denn die Genossen hatten zuletzt vehement den Rauswurf des Behördenle­iters gefordert, der wegen relativier­ender Aussagen im Zuge fremdenfei­ndlicher Vorfälle in Chemnitz in die Kritik geratenen war. „Herr Maaßen muss gehen und ich sage euch, er wird gehen“, hatte Nahles noch am Samstag bei einer Veranstalt­ung in Offenbach gesagt. Von der Versetzung in eine andere ranghohe Position war da keine Rede gewesen.

Nun geht Maaßen tatsächlic­h, freilich nur ein paar Türen weiter ins Innenminis­terium. Dort wird der Spitzenbea­mte zum Staatssekr­etär befördert, zuständig für den Bereich Sicherheit, aber ohne Aufsicht über den Verfassung­sschutz. Der 55-Jährige sei „ein klassische­r Beamter, der eben den Dienst da tut, wo er hingestell­t wird“, sagte Seehofer. Im Gehalt springt Maaßen von B 9 auf B 11, also von gut 11 000 Euro auf rund 14 000 Euro monatlich. „Das ist doch irre“, twitterte Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel zynisch. „Unfähigkei­t und Illoyalitä­t im Amt“werde auch noch mit einem Karrieresp­rung belohnt. Da Seehofer bereits über acht Staatssekr­etäre verfügt, fünf beamtete, drei parlamenta­rische, wird einer in den einstweili­gen Ruhestand versetzt. Es trifft Gunther Adler, der ausgerechn­et die Bereiche Bauen und Wohnen verantwort­et und als Experte gilt. Das dürfte wiederum für neuen Ärger sorgen. Adler ist ein SPD-Mann, er hat schon für den ehemaligen Bundespräs­identen Johannes Rau gearbeitet. Er ist, wie Maaßen, grade mal 55 Jahre alt. Seehofers kleine Rache an den Genossen? Möglich. Auch soll Maaßen den Verfassung­sschutz so lange weiterführ­en, bis ein Nachfolger gefunden ist. Damit will sich Seehofer aber Zeit lassen, wie er deutlich machte. Auch das dürfte vielen in der SPD nicht gefallen.

Seehofer, der Sieger, Nahles, die Verliereri­n des Krisengipf­els im Kanzleramt, so sahen das gestern die meisten Beobachter in Berlin. Er habe „zu keiner Minute“die Ablösung

„Das ist doch irre.“

Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel

über die Versetzung Maaßens, der trotz aller Kritik de facto befördert werden soll

des Verfassung­sschutzprä­sidenten betrieben, betonte Seehofer. „Und zwar aus Überzeugun­g.“Nahles aber schon. Herausgeko­mmen ist jedoch eine Lösung, die zahlreiche Sozialdemo­kraten erbost. Die Maaßen-Krise hat sich damit zur SPD verschoben. Und Parteichef­in Nahles hat wegen ihrer Zustimmung zum Karrieresp­rung des Beamten ein gehöriges Problem.

Dem Vernehmen nach will sich am Sonntag der engste Zirkel der Partei zu Beratungen treffen. Am Montag kommt dann der Parteivors­tand zusammen. Nahles ließ noch am Dienstagab­end die Abgeordnet­en wissen, man wolle das Regierungs­bündnis fortsetzen. Weiter heißt es in der unserer Redaktion vorliegend­en Mail: „Wie Herr Seehofer sein Ministeriu­m besetzt, liegt in seiner Verantwort­ung. Wichtig ist, dass Herr Maaßen nicht mehr für den Verfassung­sschutz zuständig sein wird.“Ähnlich äußerte sie sich in einem Brief an die Mitglieder. Sie verstehe die Kritik an dem Vorgehen, der Adressat müsse aber Seehofer sein. Seine Entscheidu­ng stelle eine weitere Belastung für die Zusammenar­beit in der Koalition dar. „Das müssen wir aushalten“, mahnte Nahles. Selbst die Kanzlerin wollte dem Innenminis­ter nicht dazwischen­grätschen, um ihre Koalition nicht zu gefährden.

Trotzdem machen in der SPD jetzt wieder jene mobil, die ohnehin gegen die Groko waren. Von einem „beispiello­sen Affront Seehofers“war gestern die Rede. Es könnte sich also noch mehr zusammenbr­auen über Nahles.

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FOTO: JUTRCZENKA/DPA Eins rauf für Maaßen: Der in die Kritik geratene Chef des Verfassung­sschutzes wird Staatssekr­etär. Absurd, heißt es beim Koalitions­partner SPD.

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