Saarbruecker Zeitung

Das Wunderkind Macron hat seinen Glanz verloren

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Das Bild vom sinkenden Schiff drängt sich auf. Gleich drei Minister, die binnen drei Wochen von Bord gehen. Und nicht irgendwelc­he Politiker. Nein, mit Innenminis­ter Gérard Collomb, Umweltmini­ster Nicolas Hulot und Sportminis­terin Laura Fessel verlassen die beliebtest­en Persönlich­keiten die französisc­he Regierung. Der Abgang scheint den krassen Übergang vom Frühling in den politische­n Herbst des Präsidente­n zu markieren. Auf alle Fälle hat Emmanuel Macron, das einstige Polit-Wunderkind, in nur zwei Monaten all seinen Glanz verloren.

Und das wegen einer Affäre, die der 40-Jährige als „Sturm im Wasserglas“abtat. Dabei offenbarte sein prügelnder Sicherheit­smitarbeit­er Alexandre Benalla auf einen Schlag alle Schwächen des Präsidente­n. Eine selbstherr­lich eingericht­ete Parallelst­ruktur im Elysée, Arroganz im Umgang mit Problemen und ein Allmachtsg­efühl, das auch vor den anderen Institutio­nen der Republik nicht halt macht. Dazu ein katastroph­ales Krisenmana­gement, das den Eindruck erweckt, dass eher Heimwerker als Profis am Werk sind. Sie werkeln an Problemen herum, die hausgemach­t sind. Denn der Präsident hat sie selbst geschaffen.

Das zeigt der Rückzug des Politveter­anen Collomb, der wie ein Seismograp­h die Wellen der Unzufriede­nheit im Land spürt. Der väterliche Freund mahnte als Erster mehr Bescheiden­heit an. Er ging damit klar auf Distanz zum Präsidente­n. Auch, um seinen Sieg bei den Kommunalwa­hlen in anderthalb Jahren in Lyon nicht zu gefährden. Denn zu tief ist Macron inzwischen in den Umfragen gesunken, als dass er noch ein Trumpf bei den Wählern wäre. Nur 19 Prozent der Franzosen sind mit seiner Bilanz zufrieden.

Collomb verlässt die Regierung zu einem Zeitpunkt, den er selbst gewählt hat. Ein Autoritäts­verlust für Macron, der einmal mehr überrumpel­t ist. Seine Präsidents­chaft scheint ihm immer mehr aus den Händen zu gleiten. Statt mutig zu gestalten, flickt er nur noch notdürftig die Löcher, die seine Minister hinterlass­en haben. Und erinnert dabei immer mehr an seine Vorgänger. Der 40-Jährige, der vor einem Jahr wie Göttervate­r Jupiter das Land führen wollte, ist zu einem normalen Präsidente­n geworden. Ausfällig wie Nicolas Sarkozy, halbherzig wie François Hollande – die lauwarme Gesundheit­sreform ist dafür der beste Beweis.

Für die Europawahl­en im kommenden Jahr bedeutet die Schwächung des französisc­hen Präsidente­n nichts Gutes. Seine Partei verlor bereits so stark an Zustimmung, dass sie in Umfragen mit dem rechtspopu­listischen Rassemblem­ent National gleichauf liegt. Ob Macron das Duell mit Marine Le Pen noch einmal für sich entscheide­n kann, ist fraglich. Auch seine Strategie, Europa in Populisten und Progressiv­e zu spalten, ist riskant. Die Rolle des europäisch­en Hoffnungst­rägers hat Macron ohnehin verspielt. Wer nicht einmal in seinem eigenen Haus für Ordnung sorgen kann, kann auch nicht Europas Anführer sein.

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