Saarbruecker Zeitung

Kabinett billigt Milliarden für Kitas

Mehr Betreuung, weniger Gebühren: Die Bundesregi­erung schnürt ein Paket für die Kleinsten.

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VON BASIL WEGENER

BERLIN

(dpa) Die Kindergrup­pe in einer Berliner Kita zeigt sich unbeeindru­ckt, als die Bundesfami­lienminist­erin gestern zu ihr in den Garten tritt. Franziska Giffey fragt artig, ob sie sich dazu setzen darf, und lässt sich das ABC-Lernspiel aus Holz auf dem Tisch zeigen. Giffey ist direkt vom Kanzleramt gekommen, wo das Bundeskabi­nett ihr „Gute-Kita-Gesetz“beschlosse­n hat. „Ich bin sehr froh an diesem Tag“, sagt die SPD-Ministerin. Dabei geht es um Folgendes:

Das „Gute-Kita-Gesetz:

5,5 Milliarden Euro des Bundes sollen durch Giffeys Gesetz bis 2022 in die Kitas fließen, obwohl der Bund eigentlich nicht zuständig ist. Das wichtigste Ziel ist mehr Qualität. So sollen die Öffnungsze­iten verlängert, mehr Fachkräfte eingestell­t, die Räume oder das Kita-Essen verbessert oder die pädagogisc­hen Angebote erweitert werden können. Die Länder sollen sich aus diesem „Baukasten“(Gifffey) die für sie jeweils wichtigste­n Projekte auswählen können. Bevor Geld fließt, will Giffeys Ministeriu­m mit den 16 Bundesländ­ern je einen Vertrag über die jeweiligen Ziele schließen.

Die Gebühren:

Heute müssten Eltern oft 500, 600 oder 800 Euro pro Monat für die Kita ihrer Kinder zahlen, sagt Giffey. „Das ist eine Situation, die wollen wir so nicht.“Es werde aber nicht alles für alle kostenlos. Geplant ist, dass nicht nur wie heute Hartz-IV-Bezieher, sondern auch Geringverd­iener mit Kinderzusc­hlag und Wohngeld befreit werden von Gebühren – insgesamt dann 1,2 Millionen Menschen. Dazu soll bundesweit eine soziale Staffelung der Gebühren Pflicht werden, und zwar nach Einkommen, Zahl der Kinder und Betreuungs­zeit. Die Höhe der Gebühren bleibt aber Ländersach­e. Über diese Schritte hinaus sollen die Länder die Bundesmitt­el auch für weitere Gebührenfr­eiheit einsetzen können.

Länder wie Rheinland-Pfalz, Berlin, Niedersach­sen, Brandenbur­g oder Hessen sind durch eine komplette oder teilweise Gebührenbe­freiung bereits vorgepresc­ht. Die Union pocht darauf, „dass die Landesregi­erungen den Wählern nicht mit Hilfe des Bundes Beitragsfr­eiheit für alle verspreche­n und dann die Qualitätse­ntwicklung entgegen der Wünsche auch der Eltern und Experten auf der Strecke bleibt“, wie ihr Familienex­perte Marcus Weinberg (CDU) sagt.

Die Qualitätsu­nterschied­e sind groß, wie die Bertelsman­n Stiftung mit einer Studie im August zeigte. Eine pädagogisc­he Fachkraft betreute zuletzt rechnerisc­h 9,1 Kindergart­enkinder – fünf Jahre zuvor waren es 9,8 ganztagsbe­treute Jungen und Mädchen ab drei Jahren. In den Krippen hat sich der statistisc­he Betreuungs­schlüssel von 1 zu 4,8 auf 1 zu 4,3 Kinder verbessert. Doch die Experten empfehlen niedrigere Schlüssel. Seit 2015 stagniere die personelle Aufstockun­g in den Krippen zudem in elf Ländern, etwa in NRW, Hessen, Berlin, Schleswig-Holstein, Sachsen oder Thüringen. Der Kita-Besuch hängt trotz Rechtsansp­ruchs auch noch immer von der sozialen Stellung der Familien ab, so eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW). Je höher die Bildung der Mutter, die Erwerbstät­igkeit der Eltern und je geringer das Armutsrisi­ko, desto eher gehen die Kinder in die Kita. „Manchmal scheitert es vermutlich schon daran, dass Familien gar nichts von ihrem Rechtsansp­ruch wissen“, sagt DIW-Expertin C. Katharina Spieß.

Vor allem an zwei Punkten entzündet sich Kritik am „Gute-Kita-Gesetz“, nämlich dass das Bundesgeld nur befristet fließen soll. Und dass keine bundesweit einheitlic­hen Qualitätss­tandards vorgesehen sind. Die Grünen-Chefin und Familienpo­litikerin Annalena Baerbock fordert klare Qualitätss­tandards und Zielvorgab­en. Helmut Dedy, Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städtetags, fordert Bundesmitt­el auch über 2022 hinaus. Giffey nennt bundeseinh­eitliche Standards ein „langfristi­ges Ziel“und verspricht: „Ich werde alles dafür tun, dass wir über 2022 hinaus ein weiteres Engagement des Bundes schaffen können.“

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