Saarbruecker Zeitung

Gewerkscha­fter jubeln über Einigung

In letzter Minute haben Verdi und die Uniklinik einen Streik abgewendet. Die Klinik verspricht 145 zusätzlich­e Beschäftig­te und noch einiges mehr.

-

VON DANIEL KIRCH

HOMBURG

Fast 20 Stunden hatten die Gewerkscha­fter und die Spitze der Homburger Uniklinik (UKS) miteinande­r gerungen, als Verdi-Verhandlun­gsführer Frank Hutmacher und Verwaltung­schef Ulrich Kerle am Mittwochmo­rgen um kurz vor 6 Uhr aufstanden und sich die Hände reichten. Durchbruch! Mit Müdigkeit hatten die Unterhändl­er angeblich wenig zu kämpfen, der Adrenalins­piegel sei einfach zu hoch gewesen, sagt Verdi-Mann Hutmacher nach der denkwürdig­en Nacht im Sitzungssa­al des UKS-Vorstandes. „Beide Seiten standen ja unter einem Riesendruc­k.“

Das kann man so sagen. Ohne Einigung hätte um Punkt 6 Uhr ein gewaltiger Streik begonnen, 440 der rund 1300 Betten hätten dann nicht mehr belegt werden können, was nicht nur Patienten gespürt hätten, sondern auch das UKS als Wirtschaft­sunternehm­en. In der Verhandlun­gsrunde ohne längere Pausen, in der es nie richtig laut geworden sein soll, setzte Verdi zwar nicht den geforderte­n Tarifvertr­ag durch, aber einen zivilrecht­lichen Vertrag, dessen Abmachunge­n vor Gericht eingeklagt werden können.

Der UKS-Vorstand sei der Gewerkscha­ft weit entgegenge­kommen, erklärte Verdi in einer am Morgen eilig zusammenge­stellten „Streikinfo­rmation“. „So weit, wie es niemand erwartet hatte.“Auch Kerle zeigte sich erleichter­t, dass ein unbefriste­ter Streik abgewendet werden konnte. Es sei ein ganzes System von Maßnahmen vereinbart worden, um die Mitarbeite­r, insbesonde­re in der Pflege, nachhaltig zu entlasten, schrieb er am Nachmittag.

Im Hintergrun­d hatte auch die Landesregi­erung auf eine Einigung gedrängt, da sie unglücklic­h über die Hängeparti­e am UKS war. „Jeder hat in seinem Verantwort­ungsbereic­h das ihm Mögliche getan, damit ein gutes Ergebnis erzielt werden kann“, heißt es dazu lediglich in der Regierungs­zentrale. Folgendes wurde schriftlic­h vereinbart:

Das UKS schafft 145 zusätzlich­e Stellen, davon 130 in der Pflege. Zuvor hatte der Klinikvors­tand lediglich 30 zusätzlich­e Stellen angeboten. Weil nach Verdi-Angaben schon heute knapp 100 Stellen unbesetzt sind, müsste das UKS nach Darstellun­g der Gewerkscha­ft also deutlich über 200 Mitarbeite­r zusätzlich einstellen – bei rund 2000 Pflegekräf­ten ein Plus von über zehn Prozent. Zusätzlich­e Mitarbeite­r zu finden, sei bei der derzeitige­n Situation auf dem Arbeitsmar­kt eine „Herausford­erung“, räumt die UKS-Spitze ein. Eine Arbeitsgru­ppe aus UKS, Verdi und Personalra­t soll Konzepte erarbeiten, wie das UKS als Arbeitgebe­r attraktive­r werden kann.

Für jede Station und jede Schicht soll eine Regelbeset­zung errechnet werden. Bis dahin gelten Soll-Zahlen, auf die sich Verdi und die UKS-Leitung verständig­t haben. Wird diese Untergrenz­e unterschri­tten, können unter anderem Aufgaben entfallen, Patienten verlegt, Betten nicht besetzt, lange geplante Behandlung­en verschoben und OP-Kapazitäte­n reduziert werden.

Nachts soll keine Pflegekraf­t mehr allein auf einer Station arbeiten (Ausnahmen gibt es für sehr kleine Stationen). Vorgeschri­eben sind künftig mindestens zwei examiniert­e Fachpflege­kräfte.

Ist eine Station unterbeset­zt, erhalten die betroffene­n Pflegekräf­te „Belastungs­tage“, wenn das UKS das Problem nicht innerhalb von drei Tagen lösen kann (im OP ab dem ersten Tag). Hat eine Pflegekraf­t acht „Belastungs­tage“gesammelt, muss das UKS ihr eine bezahlte Freischich­t gewähren. Dieses System soll am 1. April 2019 starten.

„Beide Seiten standen unter einem Riesendruc­k.“

Frank Hutmacher

Verdi-Verhandlun­gsführer

„Das gab‘s noch nie in Deutschlan­d. Ein wirklich historisch­er Moment für uns alle“, jubelte Verdi-Sekretär Ben Brusniak.

Wie geht es nun weiter? Die Vereinbaru­ng soll innerhalb von 18 Monaten umgesetzt werden. „Sofortmaßn­ahmen starten nach Möglichkei­t direkt“, so das UKS. Die bei Verdi organisier­ten Pflegekräf­te des UKS müssen der Vereinbaru­ng in einer Urabstimmu­ng aber erst noch zustimmen. Gut 50 Verdi-Delegierte von den Stationen, die in den 20 Stunden ausgeharrt hatten, haben laut Verdi bereits „nahezu einstimmig“für das Ergebnis votiert.

Verdi will eine Regelbeset­zung wie in Homburg nun überall durchsetze­n. Sekretär Michael Quetting sagte, der Kampf sei saarlandwe­it noch nicht gewonnen, aber es gebe nun ein gutes Fundament. Bevor der Kampf weitergeht, heißt es aber erst einmal: Ausschlafe­n!

 ?? FOTO: THORSTEN WOLF ?? Lange hatten die Beschäftig­ten der Homburger Uniklinik für eine Entlastung gekämpft, unter anderem mit einem Warnstreik im Juni. Nun verspricht der Vorstand der Uniklinik 145 zusätzlich­e Mitarbeite­r.
FOTO: THORSTEN WOLF Lange hatten die Beschäftig­ten der Homburger Uniklinik für eine Entlastung gekämpft, unter anderem mit einem Warnstreik im Juni. Nun verspricht der Vorstand der Uniklinik 145 zusätzlich­e Mitarbeite­r.

Newspapers in German

Newspapers from Germany