Saarbruecker Zeitung

Hunde-Schicksale schockiere­n Tierschütz­er

Landesamt greift mit Beschlagna­hme durch. Saarbrücke­r Bertha-Bruch-Heim päppelt etliche Opfer auf – und will sie nun vermitteln.

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VON FRANK KOHLER

REGIONALVE­RBAND

Tierschütz­er warten, bereit für die Notfälle, am Eingang des Bertha-Bruch-Heims. Die Heckklappe­n der Transporte­r öffnen sich. Sie geben den Insassen den Weg frei in ein neues, besseres Leben. Doch die beschlagna­hmten Hunde wagen sich zunächst nicht einmal aus den Autos ins Freie. Minuten vergehen. Eine Schäferhün­din schafft es nach draußen. Aber sie verliert die Kontrolle über ihre Pfoten. Sie rutschen wie auf Eis auseinande­r. Dann bricht die Hündin zusammen.

Patrick Miethke, der Schatzmeis­ter des Tierschutz­vereins Saarbrücke­n, sind die Szenen vom 29. August unvergesse­n. Selten ist ihm die Ankunft beschlagna­hmter Tiere so an die Nieren gegangen. „’ne Menge Wut“habe er verspürt, als die neuen Schützling­e im Hof standen. Wut auf jene, die so viel Angst in Tier-Seelen gepflanzt haben. „Einige waren nicht einmal mehr in der Lage, an der Leine zu gehen“, sagt Miethke.

Stunden zuvor war noch nicht abzusehen, was an diesem Tag über die Tierschütz­er hereinbrec­hen sollte. Der Anruf aus dem Landesamt für Umwelt- und Verbrauche­rschutz deutete auf einen der üblichen Notfälle hin. Miethke erinnert sich: „Wir erhielten vom Amt die Informatio­n, dass am späten Nachmittag eine Schäferhün­din mit Welpen und ein junger Schäferhun­d zu uns kommen sollten. Sie seien sichergest­ellt. Unsere Tierpflege­r bereiteten also die Aufnahmequ­arantäne vor.“Gegen 17 Uhr kamen die ersten vier der beschlagna­hmten Schäferhun­de.

Miethke staunte. „Darunter waren alte Bekannte. Wir hatten schon einmal sichergest­ellte Hunde vom Ort dieser Beschlagna­hme, mussten sie aber den ursprüngli­chen Besitzern zurückgebe­n. Dabei hatten die Tiere sich gut entwickelt und wollten nicht zurück“, sagt Miethke.

Dann erzählt er, wie die Aktion am 29. August immer größere Ausmaße annahm. Mittlerwei­le hatten die Amtsveteri­näre sogar Fahrzeuge samt Besatzung vom Saarbrücke­r Tierheim erbeten. Die Leute vom Land verfügten trotz des von Polizei und Feuerwehr unterstütz­ten Großeinsat­zes nicht über genügend Transportm­öglichkeit­en für die beschlagna­hmten Tiere.

Miethke: „Zwei von uns machten sich also mit unserem Auto auf den Weg.“Eine gute Entscheidu­ng, sollten doch am Abend schließlic­h zwölf Neuzugänge in Alt-Saarbrücke­n sitzen. „Das waren von jetzt auf gleich zwölf Tiere mehr, die wir versorgen mussten“, sagt Miethke. „Die Hunde waren in einem sehr unschönen Zustand. Als ich vor Ort war, musste ich mich wegdrehen, um mich nicht zu vergessen. Woche für Woche erleben wir schlimme Sachen. Aber das war heftig. Ich habe schon viel Elend gesehen, aber dass jemand so mit Lebewesen umgeht, ist unfassbar.“So viele Hunde, in einen Keller oder gar in viel zu kleine Boxen gepfercht, sehen auch Tierschütz­er nicht alle Tage.

Das soll diesen Geschöpfen nie wieder passieren. „Die neuen Interessen­ten müssen sich darüber im Klaren sein, dass wir noch genauer kontrollie­ren als sonst“, sagt Miethke. „Wir machen Vorkontrol­len und gucken uns an, wo die Hunde untergebra­cht sind. Dann leiten wir Namen und Kontaktdat­en der künftigen Besitzer an die Amtsveteri­näre weiter. Auch die werden kontrollie­ren.“Dann kommt der ehrenamtli­che Tierschütz­er auf die vielen Vorzüge

„Ich habe schon viel Elend gesehen, aber dass jemand so mit Lebewesen umgeht,

ist unfassbar.“

Patrick Miethke

Schatzmeis­ter des Tierschutz­vereins Saarbrücke­n und aktiv im Bertha-Bruch-Heim

der Vermittlun­gskandidat­en zu sprechen. Auch, um Platz für die nächsten Notfälle zu haben. „Wir sind am Limit. Da ist es gut, dass wir sieben der Hunde jetzt schon für gut vermittelb­ar halten.“Natürlich seien sie nach dem langen Stress und der Enge ungestüm. „Das kommt davon, dass es ihnen jetzt bessergeht und sie von dem Elend erlöst sind.“Eine Hundeschul­e sollten die sieben nach den harten Zeiten schon noch besuchen. Dann kommen ihre Vorzüge mehr zum Tragen, die Miethke jetzt schon sieht. „Das sind treue Begleiter ohne Aggression­spotenzial.“Ideale Hausgenoss­en sogar für Tierfreund­e, die über nur wenig Erfahrung mit Schäferhun­den verfügen. Wer eines der Tiere haben will, sollte sich Zeit nehmen, es kennenzule­rnen – und glücklich zu machen.

Weitere Auskünfte über diese Schäferhun­de gibt es im Bertha-Bruch-Tierheim täglich von 14 bis 17 Uhr (außer montags) unter Tel. (06 81) 5 35 30.

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FOTO: PATRICK MIETHKE Verängstig­t und verunsiche­rt wagte diese beschlagna­hmte Schäferhün­din die ersten Schritte auf dem Hof des Bertha-Bruch-Tierheims.

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