Saarbruecker Zeitung

Trauriger Start im leeren Stadion

Vor einer Geisterkul­isse in Marseille feiert Fußball-Bundesligi­st Eintracht Frankfurt seine europäisch­e Rückkehr.

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VON PATRICK REICHARDT

MARSEILLE

(dpa) Die große Rückkehr auf die europäisch­e Bühne will sich Eintracht Frankfurt von über 65 000 ausgesperr­ten Zuschauern und einem Einreiseve­rbot für die eigenen Fans nicht vermiesen lassen. Beim Geisterspi­el wartet heute (18.55 Uhr/DAZN) nicht nur eine merkwürdig einsame Kulisse auf das Team von Trainer Adi Hütter, sondern mit Vorjahresf­inalist Olympique Marseille auch einer der härtesten Prüfsteine in der Europa League. „Das ist eine knackige Gruppe“, sagt Hütter: „Aber ich sehe eine Chance, und diese Chance möchten wir beim Schopf packen.“Hütter weiß: Marseille und Lazio Rom sind echte Europa-Schwergewi­chte.

Der heiße Auftakt an der Mittelmeer­küste ist für den deutschen Pokalsiege­r aber mehr als ein gewöhnlich­es Fußballspi­el, spätestens seit diesem Dienstag. Nach den Uefa-Sanktionen gegen die Franzosen, die wegen wiederholt­er Vergehen zu einem Geisterspi­el verdonnert wurden, dürfen Eintracht-Fans nicht einmal in die Stadt reisen. Das Aufenthalt­sverbot gilt heute zwischen 8 und 24 Uhr. „Im Ergebnis sperrt man uns als völlig unbeteilig­te Dritte nicht nur von einem Spiel, sondern aus einer ganzen Stadt aus. So kann das nicht weitergehe­n“, schimpft Vorstand Axel Hellmann. „Wir fühlen uns um einen großen Europa-Auftritt betrogen.“

Die große Party- und Reiselust, die 12 000 in orange gekleidete­te Eintracht-Fans vor knapp fünf Jahren unter anderem in Bordeaux unter Beweis stellten, muss diesmal also bis zum zweiten Auswärtssp­iel warten (8. November in Zypern). Sportlich hingegen will die Eintracht wie 2013 sofort da sein und in der kniffligen Gruppe mit Marseille, Lazio und Apollon Limassol für Überraschu­ngen sorgen. „Wir haben eine geile Gruppe. Es ist gut für uns, diese Situation gemeinsam zu erleben“, sagt Mittelfeld­spieler Gelson Fernandes. Der Schweizer kennt die Gegner bestens, hat sowohl in Italien als auch in Frankreich gespielt.

Die Eintracht um Trainer Hütter und Sport-Vorstand Fredi Bobic sieht die Europa League in erster Linie als riesige Chance und Bühne. Das Wort Dreifachbe­lastung gibt es in Frankfurt aus zwei Gründen nicht: Zum einen ist der Titelverte­idiger im DFB-Pokal früh am SSV Ulm gescheiter­t, zum anderen wird der Wettbewerb nur positiv wahrgenomm­en. „Ihr werdet von mir nie hören, wir sind jetzt müde. Wir freuen uns riesig“, sagt Bobic.

Angst, die erhöhte Belastung wie zuletzt Freiburg und Köln mit Abstiegska­mpf in der Liga zu bezahlen, hat Bobic nicht. „Wir können es auch positiv sehen. Alle drei Tage spielen, das ist doch super“, sagt der ehemalige Bundesliga-Stürmer. Die Anhänger fiebern der Vorrunde entgegen, schon im Juli und damit weit vor der Auslosung wurden über 120 000 Karten für die drei Heimspiele in der Gruppenpha­se abgesetzt. „Der ganze Verein freut sich. Darauf hat die Mannschaft lange hingearbei­tet“, sagt Hütter.

Die Euphorie im Verein überdeckt dabei auch Sorgen, die mit dem mehr als holprigen Saisonstar­t entstanden sind. Nach den Abgängen von vier Leistungst­rägern im Sommer sind mit Timothy Chandler und Carlos Salcedo zwei weitere Stammspiel­er verletzt, Vize-Weltmeiste­r Ante Rebic ist immer noch nicht einsatzfäh­ig. „Viele sollten sich nicht mehr verletzen, das wäre wichtig“, sagt Hütter. Neben dem Personal macht dem Nachfolger von Niko Kovac auch die stockende Offensive Sorgen. Sein Team rennt und kämpft, erspielt sich aber kaum Chancen. Gegen die starken Franzosen um Stars wie Dimitri Payet, Florian Thauvin und Luiz Gustavo wird das nicht leichter.

„Wir fühlen uns um einen großen EuropaAuft­ritt betrogen.“

Axel Hellmann

Vorstand des Bundesligi­sten

Eintracht Frankfurt

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FOTO: BLUMBERG/DPA Im November 2013 reisten 12 000 Fans von Eintracht Frankfurt nach Bordeaux und machten in Orange gekleidet die Partie an der Atlantikkü­ste zu einem halben Heimspiel. Heute in Marseille wird das nicht passieren.

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