Saarbruecker Zeitung

Nicht nur Handys lenken am Steuer ab

Ablenkung ist eine der Hauptunfal­lursachen. Mit einem Aktionstag soll heute auf die schweren Folgen aufmerksam gemacht werden.

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(dpa) Ein kurzer Blick aufs Handy, eine Adresse ins Navi eingeben oder der streitende Nachwuchs auf der Rückbank: Irgendetwa­s lenkt beim Autofahren immer ab. Besonders unsere Handys sind ein unterschät­ztes Risiko im Straßenver­kehr. Darin sind sich die Innenminis­ter und die Verkehrsex­perten der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster einig. Mit dem heutigen bundesweit­en Aktionstag wollen sie auf die Risiken von Ablenkunge­n am Steuer aufmerksam machen – inklusive Polizeikon­trollen, Infostände­n und Parcours und Fahrsimula­toren. 11 000 Polizisten sind heute dafür ab sechs Uhr im Einsatz. Fünf Dinge, die wir über Ablenkung wissen sollten: Ablenkung am Steuer wird als Unfallrisi­ko chronisch unterschät­zt, sagt Heinz Albert Stumpen von der Hochschule der Polizei in Münster. Wie oft fehlende Aufmerksam­keit in Deutschlan­d eine Rolle spielt, lässt sich aus den Statistike­n nicht ablesen – anders als überhöhte Geschwindi­gkeit oder Alkohol wird es nicht erfasst. Andere europäisch­e Länder weisen es aus: In Österreich spiele Ablenkung etwa bei jedem dritten tödlichen Unfall eine Rolle, sagt Stumpen. Internatio­nale Studien zeigten, dass mehr als die Hälfte der Unfälle damit in Zusammenha­ng stehen. Besonders gefährlich sind digitale Helfer am Steuer. „Elektronis­che Geräte wie Navigation­ssysteme oder Handys während der Fahrt bedienen, ist das Gefährlich­ste, was man am Steuer machen kann“, sagt Stumpen. Das Unfallrisi­ko steige um das Vierfache. Eine Nachricht beim Fahren zu lesen oder zu tippen, sei so gefährlich wie mit 0,8 bis 1,0 Promille Alkohol zu fahren. Der Grund: Man fährt beim Blick aufs Handy im Blindflug. Bei Fahrten mit Tempo 50 bedeutet eine Sekunde auf das Handy gucken schon 14 Meter Weg blind zurücklege­n. Mit Tempo 130 sind es 36 Meter – jede Sekunde. Gefahren werden später oder zu spät erkannt, die Reaktion ist verzögert. Nicht nur das Handy ist eine unterschät­zte Ablenkung. Lkw-Fahrer etwa lesen Zeitung, kochen Kaffee oder gucken Filme, während sie unterwegs sind. Doch während dieses Risiko auf der Hand liegt, werden andere Gefahren vergessen. Eltern wollen, dass ihre Kinder in Sicherheit sind – aber auch, dass sie auf der Fahrt nicht quengeln. Fällt der Teddy oder der Schnuller in den Fußraum oder rufen sie nach Essen, sollten Eltern darauf verzichten, bei der Fahrt vom Fahrersitz einzugreif­en. Stumpen von der Hochschule der Polizei spricht auch die „Smombies“an: Menschen, die scheinbar mit ihrem Smartphone verwachsen mit gesenktem Blick durch Innenstädt­e und U-Bahnhöfe laufen oder sich mit lauter Musik über Kopfhörer beschallen. „Immer wieder gibt es betrüblich­e und dramatisch­e Vorgänge, wo Menschen mit Musik in den Ohren und Blick aufs Handy vor die Straßenbah­n laufen“, mahnt Nadine Raabe-Goldermann mahnt aus dem Innenminis­terium Sachsen-Anhalt. „Man muss immer auch mit der Ablenkung der anderen rechnen“, sagt sie. Seit Herbst vorigen Jahres müssen Handysünde­r am Steuer mehr Bußgeld berappen: Statt 60 Euro und einem Punkt belasten 100 Euro und ein Punkt die Geldbörse und das Verkehrsko­nto in Flensburg. Auch Radfahrer sind nicht von Strafe frei: Sie müssen statt 25 Euro inzwischen 55 Euro zahlen. Allerdings wird die Strafe nur fällig, wenn die Polizei aktiv Verstöße kontrollie­rt und ahndet. In Sachsen-Anhalt ist das zum Beispiel der Fall: Wurden dort im Jahr 2015 noch knapp 5200 Fälle sanktionie­rt, waren es voriges Jahr bereits 6000. Tendenz steigend: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren es schon fast 4300. Die Verstöße erfasst jedes Bundesland separat.

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FOTO: WELLNHOFER DESIGNS Besonders Handys sind ein unterschät­ztes Risiko am Steuer.
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WELLNHOFER DESIGNS FOTO: Auch Kinder auf der Rückbank können beim Autofahren ablenken.

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