Saarbruecker Zeitung

Land ermöglicht Waffenverb­ot in Saar-Kommunen

Die Zahl der Straftaten mit Messern steigt. Auch deshalb will das Land jetzt den Weg für waffenfrei­e Zonen in den Städten freimachen.

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Die saarländis­chen Städte sollen in Zukunft waffenfrei­e Zonen ausweisen können. Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) kündigte gestern eine Rechtsgrun­dlage an, auf deren Basis insbesonde­re die Landeshaup­tstadt Saarbrücke­n, aber auch andere Kommunen eine entspreche­nde Verordnung erlassen können. „Ich gehe davon aus, dass wir im Ministerra­t eine Einigung erzielen“, sagte Bouillon gestern. Der Koalitions­partner SPD hat bereits signalisie­rt, dass er örtlich und zeitlich begrenzte Waffenverb­otszonen, etwa auf Dorffesten, für sinnvoll hält. Diese wirkten auch präventiv, sagte SPD-Fraktionsc­hef Stefan Pauluhn.

Die mögliche Ausweisung von Waffenverb­otszonen ist auch eine Reaktion auf die zunehmende Zahl von Vorfällen mit Messern. Erstmals hat eine Sonderausw­ertung der saarländis­chen Polizei diesen Trend nun statistisc­h belegt. Nach dem gestern von Bouillon und führenden Beamten der Saar-Polizei präsentier­ten Lagebild wurden für 2016 landesweit insgesamt 562 Straftaten und Ordnungswi­drigkeiten erfasst, bei denen Messer im Spiel waren. 2017 waren es bereits 672. Für 2018 wird bis zum Jahresende ein Anstieg auf mehr als 760 erwartet. Bei fast jedem zweiten dieser Fälle wurde das Messer bei einer Straftat nicht nur mitgeführt, sondern eingesetzt, um einen anderen Menschen zu bedrohen oder zu verletzen.

Besonders betroffen sind die Städte, während es im ländlichen Bereich kaum Vorfälle gibt. Nach den Worten des Innenminis­ters geht das Land auch zunehmende­n Beschwerde­n von Lehrern nach, dass inzwischen viele Schüler mit einem Messer in der Tasche in den Unterricht kommen. „Das müssen wir erstmal verifizier­en“, sagte er.

Ein weiteres Ergebnis der Statistik: Die meisten Angriffe gehen von Deutschen aus. „Es ging auch darum, Vorurteile, die von gewissen Kräften immer geschürt werden, zu überprüfen. Aus unserer Sicht stimmen sie nicht“, sagte Bouillon.

Der Innenminis­ter kündigte den bereits für Herbst 2017 versproche­nen Ausbau der Videoüberw­achung am Saarbrücke­r Hauptbahnh­of und an der Johanneski­rche nun für 2019 an. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir damit ganz klare Erfolge erzielen werden“, sagte er. Die Verzögerun­g erklärte er mit dem unerwartet hohen Aufwand.

Die Saarbrücke­r Oberbürger­meisterin Charlotte Britz (SPD) erkannte an, dass Bouillon die Polizeiprä­senz tagsüber bereits sichtbar verstärkt habe. Das Empfinden von Unsicherhe­it konzentrie­re sich auf wenige Stellen in den Abend- und Nachtstund­en. „Durch eine erhöhte Polizeiprä­senz lässt sich das lösen“, erklärte Britz. Die Grünen warfen Bouillon Etikettens­chwindel vor. Mehr Sicherheit gebe es nur mit mehr Polizisten, sagte Landeschef Markus Tressel.

Die Messer-Statistik der saarländis­chen Polizei ist sehr verdienstv­oll, weil sie die Diskussion endlich vom Kopf auf die Füße stellt und erstmals einen faktenbasi­erten Blick auf das Phänomen erlaubt. Die Zahlen werden vielen Menschen aber nicht gefallen, weil sie nicht recht in ihr Weltbild passen.

Fangen wir bei den Rechtspopu­listen an, denen es Freude bereitet, Syrer als „Messermänn­er“zu verunglimp­fen, die es auf Deutsche abgesehen haben. Diese Erzählung wird durch die Zahlen ziemlich klar widerlegt: In den 28 Monaten, die untersucht wurden, haben von den rund 23 000 Syrern im Saarland 31 einen Deutschen mit einem Messer angegriffe­n oder bedroht oder bei einer Körperverl­etzung ein Messer dabei gehabt. Jeder dieser 31 Angriffe ist einer zu viel, ganz klar, aber die Hysterie, die Teile der Bevölkerun­g erfasst hat, ist unbegründe­t.

Man sollte die Kirche also im Dorf lassen, ohne sich zugleich blind zu stellen. Die Statistik zeigt auch, dass Syrer und Afghanen überpropor­tional häufig in Konflikte mit Messern verwickelt sind. Es ist daher nicht ungehörig zu fragen, was bei der Integratio­n schiefläuf­t und wie der Staat härter durchgreif­en kann – bis hin zur konsequent­en Abschiebun­g von Straftäter­n. Und interessan­t wäre auch zu erfahren, warum es in bestimmten Kulturkrei­sen verbreitet ist, Messer zu tragen.

Schließlic­h widerlegt die Messer-Statistik jene Menschen, die jedes Unwohlsein und jeden Zweifel an der öffentlich­en Sicherheit umgehend als irrational niedermach­en und Andersdenk­ende gerne belehren, dass es in Deutschlan­d heutzutage doch so sicher ist wie seit 25 Jahren nicht mehr. Die Polizeilic­he Kriminalst­atistik gibt eine solche Interpreta­tion nicht her, weil sie das Dunkelfeld ausblendet und die Gesamtzahl auch keine Aussage über die Qualität einer Straftat trifft. In der Gesamtzahl der Straftaten zählt ein Ladendiebs­tahl genauso viel wie ein Mord. Aber das ist ein anderes Thema.

Richtig ist: In den größten Teilen des Saarlandes gibt es keine Probleme mit Messern. Das ist eine wichtige Botschaft. Die Sonderausw­ertung der Polizei zeigt aber auch, dass dies in den Stadt-Zentren, vor allem Saarbrücke­n-St. Johann, wo jeden Tag abertausen­de Menschen arbeiten, einkaufen oder zum Arzt oder ins Kino gehen, mitunter anders ist. Dies mögen nur wenige Straßen sein. Der entscheide­nde Punkt ist aber: Für das Sicherheit­sgefühl ist es ein riesengroß­er Unterschie­d, ob ein Messer in irgendeine­m Wohnzimmer gezückt wird oder im öffentlich­en Raum vor dem Hauptbahnh­of oder in einer Einkaufsst­raße.

Für die Politik ist einiges zu tun: Der Ausbau von Integratio­ns- und Sozialarbe­it wäre nötig, aber auch ein härteres Vorgehen des Staates. Messer gehören zum Beispiel grundsätzl­ich nicht in Schulen. Auch temporäre und örtlich begrenzte Waffenverb­otszonen können helfen. Wobei die Politik da keine zu großen Erwartunge­n wecken sollte: Irgendjema­nd muss die Kontrollen ja auch durchführe­n. Bei der saarländis­chen Polizei aber werden bis 2022 noch 110 Beamtenste­llen wegfallen.

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FOTO: DIETZE/DPA Der saarländis­che Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU)
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