Land ermöglicht Waffenverbot in Saar-Kommunen
Die Zahl der Straftaten mit Messern steigt. Auch deshalb will das Land jetzt den Weg für waffenfreie Zonen in den Städten freimachen.
SAARBRÜCKEN Die saarländischen Städte sollen in Zukunft waffenfreie Zonen ausweisen können. Innenminister Klaus Bouillon (CDU) kündigte gestern eine Rechtsgrundlage an, auf deren Basis insbesondere die Landeshauptstadt Saarbrücken, aber auch andere Kommunen eine entsprechende Verordnung erlassen können. „Ich gehe davon aus, dass wir im Ministerrat eine Einigung erzielen“, sagte Bouillon gestern. Der Koalitionspartner SPD hat bereits signalisiert, dass er örtlich und zeitlich begrenzte Waffenverbotszonen, etwa auf Dorffesten, für sinnvoll hält. Diese wirkten auch präventiv, sagte SPD-Fraktionschef Stefan Pauluhn.
Die mögliche Ausweisung von Waffenverbotszonen ist auch eine Reaktion auf die zunehmende Zahl von Vorfällen mit Messern. Erstmals hat eine Sonderauswertung der saarländischen Polizei diesen Trend nun statistisch belegt. Nach dem gestern von Bouillon und führenden Beamten der Saar-Polizei präsentierten Lagebild wurden für 2016 landesweit insgesamt 562 Straftaten und Ordnungswidrigkeiten erfasst, bei denen Messer im Spiel waren. 2017 waren es bereits 672. Für 2018 wird bis zum Jahresende ein Anstieg auf mehr als 760 erwartet. Bei fast jedem zweiten dieser Fälle wurde das Messer bei einer Straftat nicht nur mitgeführt, sondern eingesetzt, um einen anderen Menschen zu bedrohen oder zu verletzen.
Besonders betroffen sind die Städte, während es im ländlichen Bereich kaum Vorfälle gibt. Nach den Worten des Innenministers geht das Land auch zunehmenden Beschwerden von Lehrern nach, dass inzwischen viele Schüler mit einem Messer in der Tasche in den Unterricht kommen. „Das müssen wir erstmal verifizieren“, sagte er.
Ein weiteres Ergebnis der Statistik: Die meisten Angriffe gehen von Deutschen aus. „Es ging auch darum, Vorurteile, die von gewissen Kräften immer geschürt werden, zu überprüfen. Aus unserer Sicht stimmen sie nicht“, sagte Bouillon.
Der Innenminister kündigte den bereits für Herbst 2017 versprochenen Ausbau der Videoüberwachung am Saarbrücker Hauptbahnhof und an der Johanneskirche nun für 2019 an. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir damit ganz klare Erfolge erzielen werden“, sagte er. Die Verzögerung erklärte er mit dem unerwartet hohen Aufwand.
Die Saarbrücker Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) erkannte an, dass Bouillon die Polizeipräsenz tagsüber bereits sichtbar verstärkt habe. Das Empfinden von Unsicherheit konzentriere sich auf wenige Stellen in den Abend- und Nachtstunden. „Durch eine erhöhte Polizeipräsenz lässt sich das lösen“, erklärte Britz. Die Grünen warfen Bouillon Etikettenschwindel vor. Mehr Sicherheit gebe es nur mit mehr Polizisten, sagte Landeschef Markus Tressel.
Die Messer-Statistik der saarländischen Polizei ist sehr verdienstvoll, weil sie die Diskussion endlich vom Kopf auf die Füße stellt und erstmals einen faktenbasierten Blick auf das Phänomen erlaubt. Die Zahlen werden vielen Menschen aber nicht gefallen, weil sie nicht recht in ihr Weltbild passen.
Fangen wir bei den Rechtspopulisten an, denen es Freude bereitet, Syrer als „Messermänner“zu verunglimpfen, die es auf Deutsche abgesehen haben. Diese Erzählung wird durch die Zahlen ziemlich klar widerlegt: In den 28 Monaten, die untersucht wurden, haben von den rund 23 000 Syrern im Saarland 31 einen Deutschen mit einem Messer angegriffen oder bedroht oder bei einer Körperverletzung ein Messer dabei gehabt. Jeder dieser 31 Angriffe ist einer zu viel, ganz klar, aber die Hysterie, die Teile der Bevölkerung erfasst hat, ist unbegründet.
Man sollte die Kirche also im Dorf lassen, ohne sich zugleich blind zu stellen. Die Statistik zeigt auch, dass Syrer und Afghanen überproportional häufig in Konflikte mit Messern verwickelt sind. Es ist daher nicht ungehörig zu fragen, was bei der Integration schiefläuft und wie der Staat härter durchgreifen kann – bis hin zur konsequenten Abschiebung von Straftätern. Und interessant wäre auch zu erfahren, warum es in bestimmten Kulturkreisen verbreitet ist, Messer zu tragen.
Schließlich widerlegt die Messer-Statistik jene Menschen, die jedes Unwohlsein und jeden Zweifel an der öffentlichen Sicherheit umgehend als irrational niedermachen und Andersdenkende gerne belehren, dass es in Deutschland heutzutage doch so sicher ist wie seit 25 Jahren nicht mehr. Die Polizeiliche Kriminalstatistik gibt eine solche Interpretation nicht her, weil sie das Dunkelfeld ausblendet und die Gesamtzahl auch keine Aussage über die Qualität einer Straftat trifft. In der Gesamtzahl der Straftaten zählt ein Ladendiebstahl genauso viel wie ein Mord. Aber das ist ein anderes Thema.
Richtig ist: In den größten Teilen des Saarlandes gibt es keine Probleme mit Messern. Das ist eine wichtige Botschaft. Die Sonderauswertung der Polizei zeigt aber auch, dass dies in den Stadt-Zentren, vor allem Saarbrücken-St. Johann, wo jeden Tag abertausende Menschen arbeiten, einkaufen oder zum Arzt oder ins Kino gehen, mitunter anders ist. Dies mögen nur wenige Straßen sein. Der entscheidende Punkt ist aber: Für das Sicherheitsgefühl ist es ein riesengroßer Unterschied, ob ein Messer in irgendeinem Wohnzimmer gezückt wird oder im öffentlichen Raum vor dem Hauptbahnhof oder in einer Einkaufsstraße.
Für die Politik ist einiges zu tun: Der Ausbau von Integrations- und Sozialarbeit wäre nötig, aber auch ein härteres Vorgehen des Staates. Messer gehören zum Beispiel grundsätzlich nicht in Schulen. Auch temporäre und örtlich begrenzte Waffenverbotszonen können helfen. Wobei die Politik da keine zu großen Erwartungen wecken sollte: Irgendjemand muss die Kontrollen ja auch durchführen. Bei der saarländischen Polizei aber werden bis 2022 noch 110 Beamtenstellen wegfallen.