Saarbruecker Zeitung

„Wanderhans“und seine letzte Reise

Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörige­n und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorben­er vor. Heute: Hans Abel.

- VON CORNELIA JUNG

ST. INGBERT Hans Abel wurde am 7. August 1939 in St. Ingbert geboren. Schon immer sei ihr späterer Mann Hans zielstrebi­g, wissbegier­ig und risikofreu­dig gewesen, berichtet Lieselotte Abel. Sie muss es wissen, denn sie waren Nachbarski­nder, gingen in die gleiche Schule. Dort habe er immer gute Noten gehabt. Mit Mittelmaß gab er sich nicht zufrieden, habe auch das Abenteuer gesucht. So sei er als Jugendlich­er über das Geländer der Bahntrasse balanciert, und als er auf Stromboli im Urlaub war, reichte ihm das Baden alleine nicht – es musste schon eine Schwimmein­heit von 1,5 Seemeilen zum Strombolic­chio sein, ein der Küste vorgelager­ter Felsen. Die Hai-Gefahr ignorierte er und trug auch Verletzung­en durch Quallen davon.

Nach der Handelssch­ule begann Hans Abel eine Lehre bei der Kreisspark­asse St. Ingbert, wo er bis 1962 blieb. Danach wechselte er zu „Wirtz Heizungsba­u“und arbeitete dort bis zu seinem 60. Lebensjahr. Für diese Firma eröffnete er eine Niederlass­ung in Bitburg, wo er selbst etliche Jahre tätig war. Das Ziel, immer „Erster zu s ein“, habe ihn sein ganzes Leben begleitet, sagt seine Witwe. Als Mitglied der Junioren-Mannschaft des Schützenve­reins St. Ingbert wurde er 1957 Saarlandme­ister. Erster vor Ort war er auch bei der Rettung von zwei Menschen, wofür er zweimal als „Kavalier der Straße“ausgezeich­net wurde. Einen Mann am Straßenran­d, der sich einen Oberschenk­elhalsbruc­h zugezogen hatte, bewahrte er vor dem Kältetod, einen anderen zog er aus einem brennenden Auto.

Als erster Jahrgang nach dem Krieg trat er seinen Wehrdienst an. Nach zwei Jahren als Zeitsoldat in Koblenz verließ er die Truppe als Leutnant, um sich danach in München auf der Offizierss­chule zum Hauptmann der Reserve ausbilden zu lassen. 1963 heiratete er seine Lieselotte, eine geborene Wirth. Bis 1973 wohnten die beiden bei den Eltern im Mühlwald, dann wurde in der Rosenstraß­e ein Haus gebaut, in dem Lieselotte Abel noch immer lebt. Durch die Leitung der Reserviste­n-Kameradsch­aft St. Ingbert nahm Hans Abel an vielen Reserviste­nübungen teil, von denen er viele Pokale, Urkunden und Orden mit nach Hause brachte. Mit seinem Freund Werner Abmeier nahm er an den Vier-TageMärsch­en über 200 Kilometer in Nijmegen teil. So trainiert ging er ab 2004 jährlich auf Wander- oder Fahrrad-Tour, „um mal allein zu sein und zur Besinnung zu kommen“, wie seine Tochter Susanne, die 1964 geboren wurde, sagt. So ging es unter anderem 2009 zu Fuß von München nach Venedig, immerhin ein Weg von 623 Kilometern, 2013 in 15 Tagen mit dem Rad von „Dengmert“nach Kopenhagen. Einmal trampte er ohne einen Cent in Susanne Abel über ihren Vater der Tasche in neun Tagen 1000 km vom Königsee zur Nordsee. Von diesen Erlebnisse­n, auf denen ihn seine Gitarre begleitete, zeugen hunderte Bilder, die seine Frau zu Fotobücher­n verarbeite­te. Kam der „Wanderhans“, wie er sich selbst nannte, von seinen Ausflügen zurück, wurde er von Frau und Tochter gebührend begrüßt. Einige der Strecken ist Lieselotte Abel mit ihrem Mann per Auto nachgefahr­en, um erstaunt festzustel­len: „Was, das alles bist du gelaufen?“Sein Lieblingso­rt allerdings war der Horschdebr­unnen vor dem Hofgut Hochscheid­t im heimischen St. Ingbert.

Gesellig sei er gewesen, sagt seine Familie, der Muse sehr zugetan. Mit Musik und Gedichten habe er die Menschen um sich herum froh machen wollen, die Kinder auch als Nikolaus. Das war ihm wichtig, und keine Wanderhütt­e blieb ohne sein Instrument und seinen Gesang. „Er wollte, dass man die Sorgen vergisst und zusammen eine gute Zeit hat“, sagt Susanne Abel.

Als Vater sei Hans Abel streng gewesen, habe auf das Einhalten von Regeln geachtet, aber ihr auch viel beigebrach­t. Von ihm lernte seine Tochter, mit Karte und Kompass umzugehen, und Feuer zu machen. Und wenn eine Prüfung anstand, habe er ihr Mut gemacht, sagt sie.

Vor drei Jahren erkrankte Hans Abel an Prostatakr­ebs, 2016 war auch die Lunge befallen. Dabei hatte er nie geraucht, sich gesund ernährt. Der Haushaltsv­orstand und laut seiner Frau „dominante Löwe-Mann“hat nie geklagt, sich umfassend über die Krankheit informiert und behandeln lassen. Wasser in der Lunge, Atemnot und ein Magen-Darm-Verschluss waren nur einige der Probleme. „Er hat viel mitgemacht“, sagt seine Tochter. Noch kurz vor seinem Tod machte eine Krankensch­wester auf seinen Wunsch hin ein Bild von ihm im Krankenbet­t und seiner Frau. „Ich gebe dich nicht gern her“, sagte seine Frau in diesem Moment zu ihrem Hans, mit dem sie 55 Jahre durchs Leben gehen durfte und der für sie immer, wenn sich der erste Reif auf der Wiese zeigte, ein Herz hineinmalt­e. Am 15. Januar ist Hans Abel gestorben. Seine Todesanzei­ge hat er noch selbst mitgestalt­et. Sie zeigt ein Bild von einer Wanderung an den Lago Maggiore. .............................................

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stellt die SZ im Wechsel Kirchen in der Region und Lebenswege Verstorben­er vor. Im Internet zu finden unter www.saarbrueck­erzeitung.de/lebenswege

„Er wollte, dass man die

Sorgen vergisst.“

Michaela Heinze

Patricia Müller, Frauke Scholl

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FOTO: FAMILIE ABEL Lieselotte und Hans Abel feierten ihren 50. Hochzeitst­ag im Jahr 2013 in Pietra Santa, Italien.

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