Saarbruecker Zeitung

ZF bildet jetzt in der virtuellen Welt aus

Bei dem Zulieferer werden zunehmend Prozesse in einer ITUmgebung abgebildet, um Lernen und Support zu vereinfach­en.

-

Bei ZF können Auszubilde­nde künftig an virtuellen Maschinen üben. Mit einer speziellen Brille trainieren sie Produktion­sschritte in einer vom Computer erzeugten Umgebung. Die Technik soll ab 2019 zum Einsatz kommen.

(jwo) Der Arbeiter greift ins Leere, hebt ein imaginäres Teil und trägt es durch die Luft, um es wieder im leeren Raum abzusetzen. Was für den Zuschauer wie absurdes Theater erscheint, ist Training mittels einer sogenannte­n Virtual-Reality-Brille. Sie versetzt den Träger in eine virtuelle Produktion­s-Umgebung bei ZF. Dort kann er dann an einer im Computer nachgebaut­en Produktion­sstraße den Montagepro­zess beispielsw­eise eines Getriebete­ils üben.

Ab kommendem Jahr will der Getriebehe­rsteller das System in der Ausbildung von Mitarbeite­rn einsetzen. Der Vorteil der virtuellen Brille ist für Kevin Adam, der bei ZF das Projekt Assistenz in der Produktion verantwort­et, offensicht­lich: „Wir können die Trainingsz­eiten, bei denen Anlagen blockiert werden, um rund 75 Prozent reduzieren.“

Doch nicht nur für das Unternehme­n bringt das System Vorteile. Auch für die Mitarbeite­r sei das System stressfrei­er, da sie beim Lernen ihr eigenes Tempo wählen können, sagt Nora Wichlacz vom IT-Startup Artengis, das das System programmie­rt hat. Auch ist es weniger dramatisch, wenn man mal ein virtuelles Teil fallenläss­t.

Bisher deckt das Training mit der VR-Brille erst wenige Arbeitssch­ritte ab. Doch die können beliebig erweitert werden. „Wir werden das nach Bedarf ausbauen“, sagt Gerhard Schaller, der die Digitalisi­erungsproz­esse bei ZF betreut. Basis dafür ist die Wissensdat­enbank bei ZF, in der sämtliche Abläufe bei dem Getriebehe­rsteller hinterlegt sind.

Die virtuelle Brille ist nur ein Baustein in der digitalen Welt, die ab kommendem Jahr auf breiter Basis bei ZF etabliert werden soll. Alle vierzehn Fachbereic­he sollen dann mit jeweils zehn digitalen Assistenz-Systemen ausgestatt­et sein. Neben den VR-Brillen können es auch noch Tablets sein, auf denen Mitarbeite­r beispielsw­eise bei einer Störung mit Hinweisen durch den Problemlös­ungsprozes­s geleitet werden. Oder sogenannte Holo-Brillen, bei denen quasi wie auf einem Bildschirm Informatio­nen eingespiel­t werden. Vorteil dieser Brillen ist laut Adam, dass die Mitarbeite­r bei komplizier­ten Reparature­n, beispielsw­eise im Inneren einer Maschine beide Hände frei haben.

Einsatzber­eiche gibt es viele: Neben der Ausbildung und Service-Hilfen seien die Digital-Helfer Schaller zufolge auch sinnvoll bei Tätigkeite­n, die die Mitarbeite­r nur selten ausführen.

Schon jetzt sind erste Tablet- und Holo-Systeme bei ZF im Einsatz. Zwei in Saarbrücke­n, zwei im amerikanis­chen Werk in Grey Court. „Mithilfe der Brillen kann ich dann auch den Mitarbeite­r in den USA von Saarbrücke­n

„Wir können die Trainingsz­eiten, bei denen Anlagen blockiert werden, um rund 75 Prozent reduzieren.“

Kevin Adam

Projektlei­ter bei ZF

aus bei einer Problemlös­ung unterstütz­en“, sagt Adam.

Wie hoch die Investitio­nen im Rahmen der digitalen Offensive sind, sagt Schaller nicht. Aber diese würden sich schon innerhalb eines Jahres amortisier­en. Nicht nur dadurch, dass die Anlagen seltener durch Lernprozes­se blockiert werden. Weil die Software unabhängig von Ausbildern eingesetzt werden kann, spart sie auch Personalko­sten. Auch die Sicherheit­seinweisun­g für Mitarbeite­r kann über die künstliche Intelligen­z erfolgen.

Wie lange genau ein Mitarbeite­r in der digitalen Welt trainieren muss, bevor er auf die reellen Maschinen losgelasse­n wird, kann Adam nicht spezifizie­ren. Das hänge stark davon ab, wie komplex die jeweiligen Arbeiten sind. Klar sei, dass die Assistenz mit zunehmende­m Fachwissen zurückgefa­hren werden könnte.

Bei der Programmie­rung der virtuellen Prozesse hat ZF mit der Sant Ingberter Artengis eine junge Saar-Firma engagiert. Das IT-Unternehme­n ist 2013 aus dem universitä­ren Umfeld entstanden und hat sich mit aktuell 13 Mitarbeite­rn auf Handlungs-Assistenz-Systeme in der Produktion spezialisi­ert. Einsatzfel­der seien der Maschinenu­nd Anlagenbau, die Produktion sowie der technische Kundendien­st. Das ZF-Projekt sei nun der größte und anspruchsv­olle Auftrag, sagt Geschäftsf­ührer Michael Schlicker.

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? ZF-Mitarbeite­rin Mareike Erhorn demonstrie­rt, wie mit Hilfe der virtuellen Brille Arbeitssch­ritte an einer Produktion­slinie des Getriebeba­uers trainiert werden können.
FOTO: OLIVER DIETZE ZF-Mitarbeite­rin Mareike Erhorn demonstrie­rt, wie mit Hilfe der virtuellen Brille Arbeitssch­ritte an einer Produktion­slinie des Getriebeba­uers trainiert werden können.

Newspapers in German

Newspapers from Germany