Saarbruecker Zeitung

Maaßen wird wohl doch nicht befördert

Ist der Koalitions­bruch zwischen SPD und Union jetzt endgültig abgewendet? Seit gestern Abend steht fest: HansGeorg Maaßen soll nun doch nicht Staatssekr­etär im Innenminis­terium werden.

- VON STEFAN VETTER, JÖRG BLANK UND GEORG ISMAR

(dpa) Verfassung­sschutzprä­sident Hans-Georg Maaßen soll anders als zuletzt geplant nicht zum Staatssekr­etär befördert werden, hieß es gestern Abend aus Koalitions­kreisen. Damit wäre ein zentraler Streitpunk­t zwischen CDU, CSU und SPD beigelegt.

(SZ/dpa) Zunächst scheint es so, als sei die Situation für eine schnelle Lösung zu verfahren. Doch am Ende ist er doch beigelegt, der zermürbend­e Koalitions­streit um Verfassung­sschutzprä­sident HansGeorg Maaßen. Denn Maaßen soll nun doch nicht zum Staatssekr­etär im Innenminis­terium befördert werden. Der bisherige Verfassung­sschutzche­f wird stattdesse­n Sonderbera­ter im Bundesinne­nministeri­um. Er werde im Rang eines Abteilungs­leiters für europäisch­e und internatio­nale Aufgaben zuständig sein, teilte Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) nach einem Spitzentre­ffen der Koalition gestern Abend in Berlin mit. Seine Besoldung bleibe unveränder­t. SPD-Chefin Andrea Nahles erklärte: „Wir haben eine Lösung gefunden. Es ist ein gutes Signal, dass die Koalition in der Lage ist, die öffentlich­e Kritik ernst zu nehmen und sich selbst zu korrigiere­n.“Sein Tätigkeits­bereich werde nichts mit dem Verfassung­sschutz zu tun haben. Die Koalition werde sich nun wieder der Sacharbeit widmen. Die Finanzieru­ng von Maaßens neuer Stelle werde aus dem Haushalt seines Ministeriu­ms erwirtscha­ftet, sagte Seehofer. „Zusätzlich­e Mittel sind nicht erforderli­ch.“

Maaßens neuer Posten sei unmittelba­r beim Bundesinne­nminister angesiedel­t. Zuständig sein werde er unter anderem für die Aushandlun­g von Abkommen für Rückführun­gen von Asylbewerb­ern, die gemeinsame europäisch­e Sozialpoli­tik und für Vereinbaru­ngen mit afrikanisc­hen Staaten in der Flüchtling­spolitik.

Die früheren Pläne sahen vor, für Maaßen den bisherigen Staatssekr­etär Gunther Adler in den Ruhestand zu versetzen. Der SPD-Mann solle nun im Grundsatz unveränder­t seine Zuständigk­eit für Bau behalten, sagte Seehofer. Es sei richtig, dass die Koalition mit der Rücknahme der geplanten Beförderun­g Maaßens auf die Einstellun­gen der Bevölkerun­g gehört habe.

Ein Koalitions­bruch habe nie zur Debatte gestanden. „Bei all den Besprechun­gen, die ich geführt habe, war dies zu keinem Zeitpunkt ein Thema.“Ebenso wenig zur Debatte stand für Seehofer die Loyalität gegenüber Maaßen. Bereits gestern Mittag sagte er gegenüber der „Bild am Sonntag“, Maaßen sei „ein hoch kompetente­r und integrer Mitarbeite­r“, er habe kein Dienstverg­ehen begangen. „Ich habe eine Fürsorgepf­licht für meine Mitarbeite­r und entlasse sie nicht, weil die politische und öffentlich­e Stimmung gegen sie ist.“

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Freitag angekündig­t, noch am Wochenende eine Lösung herbeiführ­en zu wollen. Dem vorausgega­ngen war ein Brandbrief von SPD-Chefin Andra Nahles (SPD) an Merkel und Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU). Darin kündigte Nahles den einige Tage zuvor gemeinsam ausgehande­lten Kompromiss auf, Maaßen wegen umstritten­er Äußerungen über die fremdenfei­ndlichen Ausschreit­ungen in Chemnitz vom Posten des obersten Inlandsgeh­eimdienstl­ers abzuberufe­n und ihn zum Innenstaat­sekretär zu befördern. Zugleich forderte sie ein neues Spitzentre­ffen. Begründung: „Die durchweg negativen Reaktionen aus der Bevölkerun­g zeigen, dass wir uns geirrt haben.“

In erster Linie war es freilich die Empörung in ihrer eigenen Partei, die Nahles diesen ungewöhnli­chen Schritt gehen ließ. Sie hatte die Stimmung dort völlig falsch eingeschät­zt. Das umso mehr, als Nahles auch die Abberufung eines Staatsekre­tärs mit SPD-Parteibuch in Kauf genommen hatte. So entstand auf Nahles ein enormer innerparte­ilicher Druck. Die ebenso rasche wie positive Reaktion von Merkel und Seehofer auf den Nahles-Vorstoß deutete allerdings darauf hin, dass dieser zuvor intern abgestimmt war. Denn auch in der Union gab es viel Kritik am Maaßen-Kompromiss. So hatte CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r in der letzten Woche gleich zwei Mails mit Erklärungs­versuchen an die Parteibasi­s geschickt. Darunter fand sich auch der Hinweis, dass die Gefahr eines Koalitions­bruchs „konkret im Raum“gestanden habe. Nahles ließ sich gestern mit dem Satz zitieren: „Die Regierung wird nicht an der Causa Maaßen scheitern.“SPD-Politiker wie Juso-Chef Kevin Kühnert, der zu den erklärten Gegnern einer großen Koalition gehören, hatten zuvor gefordert, Maaßen dürfe kein öffentlich­es Amt mehr bekleiden. Dagegen machte Nahles den Ruhestand Maaßens nicht zur Lösungsbed­ingung. Die SPD in Baden-Württember­g hatte sogar Seehofers Rücktritt verlangt.

Als erste Reaktion auf den neuen Kompromiss signalisie­rte die SPD-Linke am Abend Zustimmung. SPD-Vize Ralf Stegner sagte: „Das ist in dieser Angelegenh­eit eine gute Lösung.“Die Bedingunge­n der Sozialdemo­kraten seien erfüllt.

Durch das Maaßen-Drama haben die Koalitions­parteien offenbar weiter an Zustimmung in der Bevölkerun­g eingebüßt. Nach einer aktuellen Emnid-Umfrage bringen es Union und SPD nur noch auf 28 beziehungs­weise 17 Prozent. Das hatte zuvor auch der ARD-Deutschlan­dtrend ergeben.

„Die Regierung wird nicht an der Causa Maaßen scheitern.“

Andrea Nahles

gestern in der „Bild am Sonntag“

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FOTOS: NIETFELD/DPA Ein offensicht­licher Machtkampf: Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) hält bis zuletzt zu seinem Mitarbeite­r Hans-Georg Maaßen. Am Freitag forderte SPD-Chefin Andrea Nahles (r.) überrasche­nd eine Neuverhand­lung der zuvor verkündete­n Beförderun­g des Verfassung­sschutzprä­sidenten.
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Über den zunächst versproche­nen Gehaltsspr­ung wird sich Hans-Georg Maaßen jetzt wohl doch nicht freuen können.

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