Saarbruecker Zeitung

Ein Vatikan-Pakt mit dem Teufel?

Es ist ein historisch­es, aber umstritten­es Abkommen: Der Papst einigt sich mit China über die Ernennung von Bischöfen. Aber der Preis ist zu hoch, sagen Kritiker.

- VON ANDREAS LANDWEHR UND ANNETTE REUTHER

(dpa) Die Enttäuschu­ng ist groß. Von „Ausverkauf“und einem „undurchsic­htigen Deal“ist die Rede. Und warum wurden die Katholiken in China nicht gehört? Aus den Reihen der Kirche hagelt es heftige Kritik an dem historisch­en Abkommen zwischen dem Papst und Peking über die Ernennung von Bischöfen in China.

Erstmals erkennt Franziskus die Autorität der kommunisti­sch geführten „Patriotisc­hen Vereinigun­g“an. Diese Staatskirc­he erlaubt ihm ihrerseits allerdings nicht, wie anderswo als höchste Instanz die Bischöfe allein auszuwähle­n. Ob ihm jetzt zumindest eine Mitsprache in China eingeräumt wird, ist offen. Es bleibt vorerst eine Geheimabsp­rache. Ausgerechn­et in einer Phase verschärft­er Unterdrück­ung in China mache der Papst gemeinsame Sache mit der kommunisti­schen Führung, beklagen die Kritiker. Ein Priester fragt sich, ob die Katholiken in China künftig ein noch „schwereres Kreuz“tragen müssten. Die Verhandlun­gen hätten ihre Stimme und „die Wirklichke­it des Glaubens, aller Arten der Verfolgung“völlig ignoriert, schreibt der Priester in einer Kritik im Internet, die von der chinesisch­en Zensur schnell wieder gestrichen wird.

Kontrolle, Verfolgung und Zerstörung von Kirchen – das ist in China Realität. Von den mehr als zehn Millionen Katholiken entzieht sich nach Schätzunge­n mehr als die Hälfte der Kontrolle des Staates und steht loyal zum Papst, wofür viele hohe persönlich­e Opfer hingenomme­n haben.

Der Streit geht Jahrzehnte zurück. Nach ihrer Machtübern­ahme in Peking im Jahr 1949 brachen die Kommuniste­n die Beziehunge­n zum Vatikan ab und gründeten die „Patriotisc­he Vereinigun­g“. Priester und Ordensschw­estern, die dieser Staatskirc­he nicht beitreten wollten, wurden inhaftiert, geschlagen und umgebracht. Wer dem Papst die Treue hielt, musste in den Untergrund flüchten. Diese Spaltung in eine „offizielle“Kirche und eine im Untergrund aufzuheben, ist das Ziel von Franziskus. So ruft er mit dem Abkommen alle Katholiken in China auf, „eine brüderlich­ere Zusammenar­beit“zu pflegen. Im „Vogelkäfig“, ohne Freiheit, wie der Hongkonger Kardinal Joseph Zen sagt. Der scharfe Kritiker der Annäherung des Vatikans an Peking hat schon früh „Verrat“gewittert. Er befürchtet nur noch mehr Kontrolle.

Warum Franziskus jetzt ohne Not mit China vorprescht, ist Beobachter­n ein Rätsel. Der 81-Jährige durchläuft die wohl schwerste Phase seines Pontifikat­s. Erzkonserv­ative Gegner zielen aus dem Hinterhalt auf den Argentinie­r, der ihnen viel zu modern ist. Im Zentrum steht der italienisc­he Erzbischof Carlo Maria Viganò, der dem Papst sogar Vertuschun­g von Missbrauch vorwirft. Nicht nur in den USA, sondern auch in anderen Ländern brechen Skandale über pädophile Geistliche wieder auf. Und der Pontifex steht in der Kritik als einer, der nicht genug dagegen tut.

Im Reich der Mitte war der Papst noch nie. Vor vier Jahren hat ihm Peking den Überflug auf dem Weg nach Südkorea erlaubt. Demnächst will er auch landen – vielleicht schon im kommenden Jahr. Aber wie kann er über die mangelnde Religionsf­reiheit schweigen, fragt sich Porson Chan vom Bistum Hongkong. „Der Vatikan sollte zumindest die chinesisch­e Regierung auffordern, alle festgenomm­enen und vermissten Bischöfe und Priester freizulass­en, und aufhören, sie zu belästigen.“Rund 30 papsttreue Bischöfe im Untergrund bleiben auch weiterhin ihrem Schicksal überlassen.

„Das Abkommen ist das falsche Signal zur falschen Zeit“, sagt Ulrich Delius von der Göttinger Gesellscha­ft für bedrohte Völker. „Die katholisch­e Kirche willigt in ihre Gleichscha­ltung in Chinas kommunisti­sches Regierungs­system ein“, moniert der Experte. Die chinesisch­e Führung sei der große Gewinner, ohne dabei Garantien für Glaubensfr­eiheit zu geben, sagt Delius, und übt scharfe Kritik an Rom. Der Vatikan „wäscht sie von jedem Verdacht religiöser Verfolgung rein“.

 ?? FOTO:SCHIEFELBE­IN/DPA ?? Diese Taufe in einer Kathedrale von Peking sieht nach Routine aus: Doch der Schein im Reich der Mitte trügt.
FOTO:SCHIEFELBE­IN/DPA Diese Taufe in einer Kathedrale von Peking sieht nach Routine aus: Doch der Schein im Reich der Mitte trügt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany