Saarbruecker Zeitung

Diakonie hilft verzweifel­ten Alleinerzi­ehenden.

Die Mutter-Kind-Einrichtun­g der Diakonie hilft Müttern und Vätern, die nicht mehr wissen, wie sie sich und ihr Kind durchbring­en.

- VON JANA BOHLMANN

Das Haus in der Ursulinens­traße 59 ist grau und unscheinba­r. Es fällt nicht auf, wenn man daran vorbeiläuf­t. Das einzige Verdächtig­e sind die vielen Handabdrüc­ke mit lila Farbe am Fenster neben dem Eingang. Ein Schild mit dem Logo der Diakonie Saar hängt daneben. Auf dem Türschild steht Mutter-Kind-Einrichtun­g und „bitte klingeln“.

Es ist hier in der Ursulinens­traße 59 in Saarbrücke­n, wo alleinerzi­ehende Mütter und Väter in schwierige­n Lebenslage­n Hilfe finden. Es ist ein Zufluchtso­rt, für Mütter und Väter, die nicht mehr weiterwiss­en. Sie wissen nur, dass sie Hilfe brauchen und für sich und ihr Kind nicht mehr sorgen können. In der Mutter-Kind-Einrichtun­g der Diakonie Saar können diese Menschen nochmal neu anfangen.

In einer von neun Zwei-Zimmer-Wohnungen können sie sich und ihr Leben sowie das ihrer Kinder neu strukturie­ren – unterstütz­t von zwölf Erziehern und Sozialpäda­gogen, die rund um die Uhr für sie da sind. „Oft gab es einen Bruch in der Biografie der Mütter und Väter, die hier einziehen“, sagt die Bereichsle­iterin Nathalie Weber. Das kann eine Trennung sein, ein Todesfall, Obdachlosi­gkeit oder einfach das Elternwerd­en an sich, erklärt sie.

Unterstütz­ung gibt es hier für alle, die sie brauchen. Auch für Lisa. Sie kämpfte schon vor ihrer Schwangers­chaft vor drei Jahren mit psychische­n Problemen und war überforder­t von dem Gedanken, bald Mutter zu werden, sagt sie. Sie wusste nicht weiter. Hilfe bekam sie vom Jugendamt, das gemeinsam mit ihr nach einer passenden Lösung suchte.

Nach Infogesprä­chen, einem Aufnahmege­spräch in der Einrichtun­g, einer Besichtigu­ng ihrer zukünftige­n Wohnung im vierten Stock und einer Einweisung in die Hausregeln, war es soweit: Lisa konnte einziehen. „Ich war damals hochschwan­ger. Ich weiß nur noch, dass ich mich die vier Stockwerke hochgeschl­eppt habe und dann total platt war“, erzählt sie und lacht.

Die Wohnungen sind nur mit dem nötigsten ausgestatt­et: Es gibt einen Tisch, zwei Stühle, ein Bett und einen Wickeltisc­h. „Man soll sich bei uns so einrichten können, wie man möchte“, sagt Erzieherin Wiebke Lackas. „Es soll sich hier nicht fremd anfühlen, deswegen ist es wichtig, dass man auch seine eigenen Sachen mitbringen kann. Man soll sich schließlic­h wohlfühlen.“

Der Anfang in der Mutter-Kind-Einrichtun­g ist Lisa nicht leicht gefallen. Zurückgezo­gen habe sie sich und auch gezweifelt habe sie an ihrer Entscheidu­ng. „Wir haben aber immer wieder geklopft und nach ihr geschaut“, sagt die Erzieherin Wiebke Lackas. Lisa konnte sich an das neue Leben gewöhnen. „Und dann habe ich mich richtig wohlgefühl­t.“Aus den Nachbarn in der Mutter-Kind-Einrichtun­g sind längst Freunde geworden und gern sitzen sie abends im Gemeinscha­ftsraum oder kochen zusammen.

Die Tage in der Mutter-Kind-Einrichtun­g sind strukturie­rt. „Unsere Aufgabe ist es, die Elternteil­e zu unterstütz­en und ihnen zu helfen, wieder eigenständ­ig leben zu können und Prioritäte­n zu setzen“, sagt die Erzieherin Wiebke Lackas. „Die Elternteil­e sollen hier auch wieder Eigenveran­twortung lernen“, fügt Bereichsle­iterin Nathalie Weber hinzu. In den Räumlichke­iten der Einrichtun­g gibt es das Training für Eltern und Kind (TEK). Es gleicht einer Kita – einziger Unterschie­d: Die Eltern bleiben hier den ganzen Tag dabei und basteln, singen und malen mit ihren Kindern.

„Eltern wird im TEK gezeigt, wie sie mit ihren Kindern spielen und so eine Beziehung aufbauen können“, erklärt Wiebke Lackas das Konzept. Außerdem gibt es einen Elternkurs an zwei Tagen in der Woche. Die Eltern sollen lernen, wie sie mit Kind den Alltag meistern können, sagt die Erzieherin.

Drei Jahre schon lebt Lisa in der Einrichtun­g. Nach dem Einzug kam ihr Sohn Jan auf die Welt. Kontakt zum Vater gibt es keinen mehr. Sie hat ihr Leben mittlerwei­le in den Griff bekommen.

„Ich stehe jetzt auf, wenn der Wecker klingelt, mache meine eigenen Termine, koche selbst und bekomme das alles ganz gut hin“, sagt die 28-Jährige stolz. Im Oktober wird Lisa die Mutter-Kind-Einrichtun­g verlassen. Eine neue Wohnung hat sie schon gefunden – alleine, ohne Hilfe. Auf Jobsuche ist sie momentan. Sie freut sich auf diesen neuen Lebensabsc­hnitt. Die letzten drei Jahre waren die richtige Entscheidu­ng, sagt sie. „Mir geht es gut, ich konnte eine Beziehung zu meinem Sohn aufbauen, und ich habe gelernt, wie ich mit Problemen umgehen kann.“

 ?? FOTO: DIAKONIE SAAR/STEIN ?? In der Mutter-Kind-Einrichtun­g: Lisa (links) mit ihrem Kind und Erzieherin Wiebke Lackas.
FOTO: DIAKONIE SAAR/STEIN In der Mutter-Kind-Einrichtun­g: Lisa (links) mit ihrem Kind und Erzieherin Wiebke Lackas.

Newspapers in German

Newspapers from Germany