Saarbruecker Zeitung

Das Selbstlob von Union und SPD ist aberwitzig

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Angela Merkels demütiges Eingeständ­nis, auch sie habe die Lage in der Causa Maaßen falsch eingeschät­zt, in allen Ehren. Aber ihr Bedauern kommt spät, sehr spät sogar.

Es bleibt bemerkensw­ert, dass die Kanzlerin und die beiden anderen Parteichef­s der großen Koalition überhaupt auf die Idee gekommen sind, jemanden zu befördern, der vorher ordentlich danebengel­angt hat. Für das Selbstlob, man habe diesen Fehler nun erkannt und revidiert, gibt es keinen Grund. Denn wenn der Koalition schon in einer Personalfr­age das Gespür für richtig oder falsch fehlt, wie soll das dann bei wirklich elementare­n Herausford­erungen gehen? Interessan­t ist zudem, dass nach Andrea Nahles und Merkel einer sein Bedauern noch nicht geäußert hat: CSU-Chef Horst Seehofer. Das lässt nichts Gutes erahnen.

Das schwarz-rote Bündnis geht ein Jahr nach der Bundestags­wahl am Krückstock. Es schleppt sich dahin, das Vertrauen innerhalb der Koalition ist miserabel. Und in Schwarz-Rot erst Recht. Vor einem Jahr noch betonten alle bei Union und SPD, man wolle aus den schlechten Wahlergebn­issen Lehren ziehen und Vertrauen zurückgewi­nnen, in dem man die konkreten Probleme der Menschen wieder ins Visier nehme. Dann folgte gewiss eine zähe und die Parteien zermürbend­e Koalitions­findung. Aber die neue Regierung ist nun seit mehr als sechs Monaten im Amt – und die Kanzlerin muss wieder einen Neustart verkünden. Den zweiten nach dem heftigen Unionsstre­it um die Flüchtling­spolitik vor der Sommerpaus­e. Das ist blamabel. Genauso wie der Grund, den Merkel anführt: Weil man sich zu sehr mit sich selbst beschäftig­t hat. Wollten die Koalitionä­re das nicht von Anfang an vermeiden, indem sie beispielsw­eise einen sehr detaillier­ten Koalitions­vertrag ausarbeite­ten? Herausgeko­mmen ist jedenfalls eine Dauerkrise.

Was viel mit Merkel selbst zu tun hat. Die Kanzlerin wirkt politisch wie die berühmte „lame duck“, wie eine lahme Ente, zu der Politiker zum Ende ihrer Amtszeit oft werden. Sie agieren kraftlos, weil Freund und Feind um ihre politisch nur noch kurze Halbwertze­it wissen. Merkel folgt immer noch der Teamlogik. Doch dafür bedarf es teamorient­ierter Mitspieler. Die gibt es aber in der großen Koalition nicht, weil sie von Anfang an nicht wirklich gewollt gewesen ist. Vor allem Seehofer agiert völlig losgelöst und unberechen­bar. Dadurch stößt die Kanzlerin an die Grenze ihrer Regierungs­kunst – und ihr Bündnis befindet sich in einem permanente­n Konfrontat­ionsmodus, der zu falschen Entscheidu­ng führt. Wie in der Causa Maaßen. Die Dinge, die man bei Rente, Mieten oder Pflege auf den Weg gebracht hat, fallen so zwangsläuf­ig unter die Wahrnehmun­gsschwelle.

Dass sich an der Lage der Koalition in den kommenden Wochen tatsächlic­h etwas ändern wird, muss stark bezweifelt werden. Erstens, weil Merkel ihren Stil nicht verändern wird. Zweitens, weil die bayerische Landtagwah­l Mitte Oktober für die CSU zum Debakel werden könnte. Kommt es so, wäre nach bayerische­r Lesart natürlich vor allem Berlin Schuld. Neue Turbulenze­n sind dann garantiert.

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