Saarbruecker Zeitung

Viel Ärger bei Labour um zweite Brexit-Abstimmung

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Ziemlich heftig haben die Delegierte­n der britischen Labour-Partei hinter verschloss­enen Türen um einen Kompromiss gerungen. Wie sollen die Sozialdemo­kraten im Königreich mit der Brexit-Herausford­erung umgehen? Erst kurz vor Mitternach­t stieg am Sonntag dann weißer Rauch über dem Konferenzz­entrum in Liverpool auf. Gewerkscha­ftsvertret­er, Parteimitg­lieder und Schattenmi­nister hatten sich auf eine Resolution geeinigt, mit der sich Labour die Option eines erneuten Referendum­s offenhält.

Allerdings wurden die Hoffnungen der Brexit-Gegner schnell enttäuscht. Denn zum einen wurde die Forderung nach einer zweiten Volksabsti­mmung nicht zur offizielle­n Parteilini­e erklärt. Zum anderen soll es nur eine erneute Befragung geben, wenn sich eine vorgezogen­e Parlaments­wahl als unmöglich erweist. Als oberste Priorität legte die Opposition bereits zum Start des viertägige­n Treffens rasche Neuwahlen fest.

Die innerparte­ilichen Streits über den richtigen Umgang beim Thema Brexit dauern weiter an. Heute soll über den vorgelegte­n Antrag abgestimmt werden. Das für viele Europafreu­nde Prekäre an dem Kompromiss­vorschlag: Ein Verbleib Großbritan­niens in der EU soll im Falle eines zweiten Referendum­s nicht zur Wahl stehen, wie Schatten-Finanzmini­ster John McDonnell mehrmals betonte. Das Votum der Wähler vom Juni 2016 müsse respektier­t werden. Vielmehr würde es bei einer erneuten Abstimmung um die Frage gehen, ob der noch von der Regierung auszuhande­lnde Deal angenommen wird oder ob es Nachverhan­dlungen mit Brüssel geben soll. In letzterem Fall würde es wohl überhaupt kein Abkommen geben.

Enttäuschu­ng und Wut verbreitet­e sich im proeuropäi­schen Lager. Tausende seien auf die Straße gegangen, und Millionen Menschen forderten eine Volksbefra­gung, befand der Labour-Abgeordnet­e David Lammy. „Das tun sie nicht, um dann ein lächerlich­es Referendum über keinen Deal oder einen schlechten Deal angeboten zu bekommen.“Es müsse auch das Recht zum Verbleib beinhalten.

Eine YouGov-Umfrage ergab jetzt, dass sich 86 Prozent der Labour-Mitglieder eine erneute Volksabsti­mmung über das finale Abkommen wünschen. Ganze 90 Prozent der Befragten würden heute sogar für Großbritan­niens Mitgliedsc­haft in der EU votieren. „Für uns tickt die Uhr, das Land vor einer harten, konservati­ven Tory-Fantasie zu retten“, schoss David Lammy gegen die regierende­n Konservati­ven.

Labour-Chef Jeremy Corbyn lehnt bislang ein erneutes Referendum ab. Zu groß ist die Sorge, Wähler zu verprellen. Der lebenslang­e EU-Skeptiker versprach aber, sich dem Willen der Delegierte­n zu beugen. Ob die ausgehande­lte und äußerst schwammige Resolution in dieser Form verabschie­det wird, bleibt jedoch abzuwarten.

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FOTO: BYRNE/DPA Labour-Chef Jeremy Corbyn will keine neue Abstimmung.

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