Saarbruecker Zeitung

Über 440 Opfer von Missbrauch im Bistum Trier

Angesichts einer Studie über jahrzehnte­langen sexuellen Missbrauch bittet die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d um Entschuldi­gung.

- VON BERND WIENTJES

TRIER/SPEYER/FULDA (SZ/dpa) Die Leitung des Bistums Trier hat zugegeben, jahrelang Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlich­en durch Priester vertuscht zu haben. „Wir haben den Mantel des Schweigens über ihre Taten gedeckt“, sagte Generalvik­ar Ulrich Graf von Plettenber­g gestern in Trier.

Man stehe erschütter­t vor dem verbrecher­ischen

Missbrauch. „Wir müssen uns zu

Recht fragen lassen, warum Bistumsver­antwortlic­he dem Schutz der Täter und der Institutio­n Kirche Vorrang eingeräumt haben vor dem Schutz der Betroffene­n“, erklärte Plettenber­g. Er und Bischof Stephan Ackermann würden sich zu der Verantwort­ung für die Taten bekennen.

Ackermann hatte kurz zuvor in Fulda, wo die Deutsche Bischofsko­nferenz zu ihrer Herbstvers­ammlung zusammenge­kommen ist, gemeinsam mit seinem Vorgänger in Trier, Kardinal Reinhard Marx, eine groß angelegte Studie zum Missbrauch in der katholisch­en Kirche präsentier­t. Der Untersuchu­ng zufolge gab es zwischen 1946 und 2014 3677 Opfer sexueller Übergriffe. In insgesamt 38 156 ausgewerte­ten Akten der 27 deutschen Bistümer gab es bei 1670 Klerikern Hinweise auf Beschuldig­ungen. Ackermann, Missbrauch­sbeauftrag­ter der Bischofsko­nferenz, sagte, er habe das Ergebnis der Studie „leider“erwartet. „Es erschreckt mich dennoch wieder neu“, betonte er. Marx bat die Opfer um Entschuldi­gung. „Ich empfinde Scham für das Wegschauen von vielen, die nicht wahrhaben wollten, was geschehen ist, und die sich nicht um die Opfer gesorgt haben. Das gilt auch für mich. Wir haben den Opfern nicht zugehört“, sagte er.

Allein im Bistum Trier, zu dem weite Teile des Saarlandes gehören, sind seit 1946 insgesamt 148 Priester wegen sexuellen Missbrauch­s beschuldig­t worden. Betroffen waren 442 Opfer, davon 252 männlich. Nach den Vorwürfen gab es laut Plettenber­g 54 staatliche und 67 kirchenrec­htliche Verfahren. Von den staatliche­n wurde fast die Hälfte eingestell­t. In 16 Fällen sei es zu Freiheitss­trafen gekommen. Es gebe „nichts zu beschönige­n oder zu beschwicht­igen“, so Plettenber­g.

Beim Bistum Trier haben sich seit dem Jahr 2010 zudem 140 Opfer gemeldet, die 75 Priester beschuldig­ten. Diese Zahlen flossen nicht in die Studie ein. Bislang bewilligte das Bistum 96 von 104 Anträgen auf Zahlungen wegen erlittenen Leides. Gezahlt wurden 475 500 Euro, im Schnitt knapp 5000 Euro pro Opfer.

Das Bistum Speyer, das bis in den Osten des Saarlandes hineinreic­ht, hat 89 Priester in seinen Akten erfasst, die des sexuellen Missbrauch­s beschuldig­t werden. Es gab demnach 186 Opfer. In elf von 23 strafrecht­lichen Verfahren sei es zu Verurteilu­ngen gekommen. In 19 Fällen zahlte das Bistum nach eigenen Angaben insgesamt 139 000 Euro an Opfer. Fast alle Täter seien mittlerwei­le gestorben, hieß es.

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FOTO: AFP/ROLAND Der Trierer Bischof StephanAck­ermann

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