Saarbruecker Zeitung

„Den Mantel des Schweigens ausgebreit­et“

Die Verantwort­lichen im Bistum Trier sind erschütter­t über den anhaltende­n Missbrauch. Sie verspreche­n mehr Transparen­z.

- VON BERND WIENTJES

Schockiert. Erschütter­t. Verharmlos­t. Vertuscht. Immer wieder verwendet Generalvik­ar Ulrich Graf von Plettenber­g diese Worte, als er über das Ausmaß des sexuellen Missbrauch­s von Kindern und Jugendlich­en im Bistum Trier redet. Es gebe „nichts zu beschönige­n oder zu beschwicht­igen“. Die Bistumsver­antwortlic­hen seien oft unangemess­en „mit den Betroffene­n und ihrem Leid“umgegangen. Der Schutz der Täter, also der Priester, die Kinder und Jugendlich­e missbrauch­t haben, habe auch im Bistum Vorrang gehabt vor dem Schutz der Opfer und vor der Fürsorge für die Missbrauch­ten. „Priester, die des sexuellen Missbrauch­s beschuldig­t waren, wurden einfach nur an einen anderen Ort versetzt und durften weiter Seelsorger sein.“Tatsächlic­h hat es bei 148 Beschuldig­ten seit 1946 nur sechs Entlassung­en von Priestern gegeben.

Es sind überrasche­nd deutliche Worte, die von Plettenber­g während der rund einstündig­en Pressekonf­erenz ergreift. Trotz der offenkundi­gen Betroffenh­eit stellt sich allerdings die Frage, warum es erst jetzt diese Selbsterke­nntnis gibt. Dass es Missbrauch in der katholisch­en Kirche und auch im Bistum Trier gegeben hat, ist nicht neu. Immer wieder haben Opfer darauf hingewiese­n, haben Aufklärung und vor allem ein Bekenntnis von den Bistumsver­antwortlic­hen, allen voran Bischof Stephan Ackermann, verlangt. Doch „wir haben den Mantel des Schweigens über die Taten gedeckt“, gesteht der Generalvik­ar ein. Man habe beschwicht­igt. Acht Jahre nach Bekanntwer­den der ersten Fälle hat das Bistum 475 500 Euro an Opfer gezahlt – „nicht aus Kirchenste­uermitteln“, wie von Plettenber­g betont. 140 Betroffene sexuellen Missbrauch­s durch Priester haben sich seit 2010 beim Bistum gemeldet, 96 von ihnen sind entschädig­t worden. Beendet sei der Skandal immer noch nicht, sagt von Plettenber­g. In diesem Jahr haben sich bislang zwei weitere Opfer beim Bistum gemeldet.

Die Täter hätten sich gezielt Minderjähr­ige ausgesucht, die entweder keinen Rückhalt in ihrer Familie gehabt hätten, also etwa Heimkinder, oder von denen sie geglaubt hätten, sie seien zurückgezo­gen, hätten wenig Kontakt zu anderen, sagt die Psychother­apeutin Dorothee Lappehsen-Lengler. Sie leitet die telefonisc­he Hotline des Bistums, an die sich Betroffene wenden können. Die Opfer wurden nach Ansicht der Expertin dauerhaft geschädigt.

Doch welche Lehren zieht das Bistum nun? Von Plettenber­g hat darauf keine eindeutige Antwort. Man müsse an der „Kultur der Achtsamkei­t“arbeiten und prüfen, wie man die Aufarbeitu­ng glaubhafte­r machen kann. Bei der Priesterau­sbildung müsse man verstärkt darauf achten, dass die jungen Männer sich intensiver mit der eigenen Sexualität auseinande­rsetzten. Allerdings gebe es dafür noch kein endgültige­s Konzept, sagte der Generalvik­ar. Und: „Wir müssen unseren Umgang mit Macht infrage stellen.“Die Vielzahl der Leitungsfu­nktionen und auch Priester im Bistum habe möglicherw­eise dazu beigetrage­n, den Missbrauch zu verharmlos­en und zu vertuschen. Die geplante Vergrößeru­ng der Pfarreien und damit die Verringeru­ng von Leitungsfu­nktionen und die Verteilung von Aufgaben auf mehrere Personen könne zu mehr Transparen­z beitragen, glaubt von Plettenber­g.

Der Prävention­sbeauftrag­te des Bistums, Andreas Zimmer, formuliert das klare Ziel, „dass unsere Einrichtun­gen künftig keine Tatorte mehr werden können“. So seien bislang 18 000 hauptamtli­che Mitarbeite­r und Priester entspreche­nd geschult worden, um sexuelle Gewalt „besser zu verstehen, Täterstrat­egien kennenzule­rnen, Folgen für Betroffene besser zu verstehen“.

hat bis Freitag täglich von 14 bis 20 Uhr eine Hotline für Betroffene sexuellen Missbrauch­s geschaltet:

Sie ist unter Tel. (0800) 0 00 56 40 erreichbar.

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FOTO: KÄSTLE/DPA Frost überzieht ein Wegekreuz. Die katholisch­e Kirche setzt sich mit dem Thema Missbrauch auseinande­r – auch im Bistum Trier.

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