Saarbruecker Zeitung

Der Aufschwung ist kein ewiges Naturgeset­z

-

Wenigstens die Wirtschaft läuft. Das mag vielen ein Trost sein angesichts des politische­n Trauerspie­ls, das die große Koalition seit Monaten aufführt. Nur ist eben auch der Aufschwung kein ewiges Naturgeset­z. Auf dem Tag der deutschen Industrie gestern in Berlin wurden Sorgen artikulier­t, die man nicht einfach vom Tisch wischen kann.

Tatsächlic­h hat sich das Wachstum in Deutschlan­d zuletzt deutlich abgeschwäc­ht. Die Industrie verzeichne­t seit Jahresbegi­nn beinah durchweg einen Auftragsrü­ckgang. Anders als von Experten erwartet, blieben die Exporte im Juli leicht hinter denen des Vormonats zurück. All das ist kein Grund zur Panik. Aber die Verunsiche­rung in vielen Firmenzent­ralen wird eher größer als kleiner. Das hat mit dem Handelskri­eg zu tun, den US-Präsident Donald Trump praktisch der ganzen industrial­isierten Welt erklärt hat. Hinzu kommt die Nervosität über einen womöglich unkontroll­ierten Brexit. Und die politische­n Unruhezust­ände in der deutschen Hauptstadt sind eben auch nicht dazu angetan, um die Gemüter zu beruhigen.

Immerhin: An dieser Stelle redete Angela Merkel vor den Wirtschafs­bossen der Republik gestern gar nicht erst um den heißen Brei herum. Für ein gedeihlich­es Regieren ist noch viel Luft nach oben – so könnte man ihre Botschaft übersetzen. Fragt sich nur, was daraus konkret werden kann.

Gemessen an den bisherigen Regierungs­plänen hat die Wirtschaft wenig zu erwarten. Bei den Sozialbeit­rägen, also den Lohnnebenk­osten, ist sogar eine Mehrbelast­ung absehbar. Zwar soll der Beitrag zur Arbeitslos­enversiche­rung im gleichen Maße sinken, wie der Beitrag zur Pflegevers­icherung steigt. Aber durch die Rückkehr zur paritätisc­hen Finanzieru­ng des Krankenkas­senbeitrag­s bleibt aus Arbeitgebe­rsicht ein Minus in der Bilanz.

Von einer überfällig­en Reform der Unternehme­nssteuern, wie es schon andere Industrie-Staaten vorgemacht haben, keine Spur. Mit der von ihr nun in Aussicht gestellten Prüfung dieses Missstands scheint Merkel zu dämmern, dass deutschen Betrieben hier ein gefährlich­er Nachteil im internatio­nalen Wettbewerb droht. Der zuständige Ressortche­f Peter Altmaier umwarb die Wirtschaft­skapitäne gar mit einem „Wachstumsp­akt für Innovation, Entlastung und Bürokratie­abbau“. Ob die große Koalition allerdings wirklich die Kraft dazu hat, solche wohlklinge­nden Worte in konkrete Taten zu übersetzen, ist nach jetzigem Stand zweifelhaf­t.

Auf der anderen Seite muss allerdings auch die Wirtschaft ihre Hausaufgab­en machen. Gerade gestern erst wurde eine Studie bekannt, nach der nur ein sehr geringer Teil der Arbeitnehm­er in Deutschlan­d eine berufliche Weiterbild­ung besitzt. Das kann man nicht allein der Bundesregi­erung anlasten. Genauso wenig wie die Lücken beim Breitbanda­usbau nicht nur auf politische Versäumnis­se zurückgehe­n. Einzig der Regierung Stillstand zu attestiere­n, wird den großen Herausford­erungen in Deutschlan­d jedenfalls nicht gerecht.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany