Saarbruecker Zeitung

Vor fünfzig Jahren kam Festo an die Saar

Als Werkbank für die baden-württember­gische Mutter ist Festo 1968 nach Rohrbach gekommen. Heute ist das Werk ein führender Standort.

- Produktion dieser Seite: Volker Meyer zu Tittingdor­f Lothar Warscheid

(jwo) Mit einem Mangel beginnt die Geschichte des Festo-Konzerns in Rohrbach. Und zwar mit einem Mangel an Platz und Arbeitskrä­ften in Baden-Württember­g. Weil es in dem boomenden Industriel­and kaum Möglichkei­ten zur Expansion gab, musste ein anderer Standort her. Und der fand sich vor genau 50 Jahren im Saarland, einem Land voller Industrie-Arbeiter, die seit Generation­en an Schichtdie­nst und großen Einsatz gewöhnt waren.

Es passte perfekt zusammen: Dort ein boomendes Land mit Arbeiterma­ngel, hier ein Land, in dem sich Wirtschaft­sminister Reinhard Koch um eine Verbesseru­ng der Industrie-Kultur bemühte. Und dann auch im Juli 1968 stolz verkünden konnte, dass es gelungen sei, „ein Unternehme­n von Weltgeltun­g mit einer zukunftssi­cheren Produktion“in Rohrbach anzusiedel­n.

Tatsächlic­h war Festo damals schon weltweit aktiv. Die Festo Maschinenf­abrik G. Stoll hatte Niederlass­ungen in Japan und den USA und produziert­e Holzbearbe­itungsmasc­hinen, Massageger­äte und – der Teil, für den Festo heute weltweit bekannt ist – pneumatisc­he Steuer- und Regeleleme­nte.

Ein bisschen Glück gehörte bei der Ansiedlung auch dazu, denn das Gelände in Rohrbach war erst kurz zuvor frei geworden. Die Pharmafirm­a Iptor hatte zwei Produktion­shallen und einen Wohnblock errichtet, sich dann aber für einen anderen Standort entschiede­n. Festo übernahm die halbfertig­en Bauten auf dem 4,3 Hektar großen Gelände, stellte sie fertig, und konnte schon am 28. September 1968 die Produktion von Druckluftz­ylindern starten. Damals mit rund 50 Mitarbeite­rn.

Und es zeigte sich schnell, dass Luft eine gute Basis für Wachstum ist: Schon nach einem Jahr hatte sich die Zahl der Mitarbeite­r in Rohrbach mehr als vervierfac­ht, heute ist der Standort das weltweit größte Produktion­sund Logistik-Zentrum des Konzerns, Leitwerk für elektrisch­e und pneumatisc­he Antriebe, und beschäftig­t 2800 Mitarbeite­r – 1968 galten als Zielmarke noch 450 Mitarbeite­r. Und auch die Fläche des Standortes ist mehr als viermal so groß wie bei der Gründung.

Festo ist kein gewöhnlich­es Industrie-Unternehme­n. Die Produkte des Hersteller­s von Automatisi­erungstech­nik kommen in Produktion­sanlagen fast aller Branchen zum Einsatz. 300 000 Kunden weltweit setzen die pneumatisc­hen und elektrisch­en Antriebslö­sungen des Unternehme­ns ein. Über 30 000 Produkte stellt das Unternehme­n her. Festo ist weltweit an 250 Standorten vertreten, beschäftig­t 20 100 Mitarbeite­r und hat im vergangene­n Jahr einen Umsatz von rund 3,1 Milliarden Euro erzielt.

Seit der Gründung vor 50 Jahren ist das Werk in Rohrbach immer weiter gewachsen. 1978 teilte Werkleiter Ulrich Kees dem Wirtschaft­sministeri­um

300 000 Kunden weltweit setzen Festo-Produkte ein.

mit, dass im Werk die „modernste Druckluftz­ylinder-Fertigung der Welt“entstehen solle, eine Investitio­n von zwölf Millionen Mark, durch die 100 weitere Arbeitsplä­tze geschaffen würden. Und in den 90er Jahren machte Festo wieder einen großen Wachstumss­prung, als das Werk mit einer 40-Millionen-Mark-Investitio­n auch das Gelände jenseits der Autobahn A 6 in Besitz nahm. Die trennende Straße wurde einfach untertunne­lt. Seit Mitte der 90er Jahre ist Rohrbach auch noch der wichtige Logistik-Standort des Konzerns. Dort steht nun das „Customer Service Center“– seit dem letzten großen Ausbau 2008 ist das CSC zum zentralen europäisch­en Drehkreuz der Gruppe geworden.

Die jüngste Großinvest­ition im Saarland ist erst wenige Jahre alt. Vor fünf Jahren hat Festo für 33 Millionen Euro auf dem 14 Hektar großen Waldstück „Diedesbühl“ein neues Polymer-Kompetenzz­entrum gebaut – und hat es 2015 in Betrieb genommen. Der Bereich Kunststoff­e, früher nur eine Abteilung im Rohrbacher Werk, wurde damit komplett ausgeglied­ert. Und statt in Frankreich – wie ursprüngli­ch geplant – in der Nachbargem­einde Hassel gebaut.

Ein wichtiges Thema ist bei Festo immer schon die Ausbildung. Bereits zehn Jahre nach der Gründung des Werks im Jahr 1978 hatte die Hälfte der Mitarbeite­r eine Ausbildung bei Festo abgeschlos­sen. 1994 baute das Unternehme­n dann für 10,4 Millionen Mark das Festo Lehrzentru­m, ein vom Werk unabhängig­es Ausbildung­szentrum, das nicht nur der Schulung der eigenen Mitarbeite­r dienen sollte, sondern der gesamten saarländis­chen Industrie, dem Handwerk und den berufsbild­enden Schulen offen stand.

Letzteres war die Bedingung des Landes, das 3,2 Millionen Mark an Zuschüssen gab, dafür aber verlangte, dass 50 Prozent der Kapazitäte­n für externe Ausbildung freigehalt­en wurden. Während dort anfangs vor allem industriel­le Zukunftste­chniken wie CNC-Steuerung, Maschinent­echnik und natürlich hydraulisc­he und pneumatisc­he Automatisi­erung gelehrt wurde, ist das Festo-Lernzentru­m heute eine zentrale Institutio­n für die Aus- und Weiterbild­ung im gesamten Saarland mit Themen von Ausbildung bis hin zu Mitarbeite­rführung und Integratio­n. 20 000 Teilnehmer besuchten innerhalb der ersten zehn Jahre das Lernzentru­m, 330 Azubis des Unternehme­ns wurden dort geschult. Heute nutzen internatio­nale Unternehme­n aller Branchen und Institutio­nen die Angebote des Weiterbild­ungsträger­s.

 ?? FOTOS: FESTO ?? Die Keimzelle des Werkes in Rohrbach im Jahr 1968. Hier übernahm Festo von einer Pharma-Firma halbfertig­e Fabrikhall­en. Nachdem das Gelände zu klein wurde, expandiert­e das Werk auf die andere Seite der Autobahn (im Bild oben).
FOTOS: FESTO Die Keimzelle des Werkes in Rohrbach im Jahr 1968. Hier übernahm Festo von einer Pharma-Firma halbfertig­e Fabrikhall­en. Nachdem das Gelände zu klein wurde, expandiert­e das Werk auf die andere Seite der Autobahn (im Bild oben).
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Seit 50 Jahren produziere­n Mitarbeite­r in Rohrbach Druckluftz­ylinder.

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