Saarbruecker Zeitung

Ein eigenes Produkt, eine Vision und eine Wachstumss­trategie

Über 30 Jahre hat Ulrich Kees als Werkleiter den Standort Rohrbach ausgebaut und weiterentw­ickelt – und ihn sogar vor der geplanten Schließung bewahrt.

- DIE FRAGEN STELLE JOACHIM WOLLSCHLÄG­ER

Von 1972 bis 2004 war Ulrich Kees als Werkleiter für das Rohrbacher Festo-Werk verantwort­lich. Im Rückblick erzählt der 78-jährige unter anderem, warum das Werk nur knapp der Schließung entging.

Herr Kees, es heißt, die Gründung des Festo-Werks 1968 im Saarland sei einem Zufall geschuldet.

Es war tatsächlic­h ein Zufall. Dr. Wilfried Stoll, einer der Festo-Eigner, hatte im Saarland studiert. Und auf der Heimreise hatte er dann diese unvollende­te Fabrik entdeckt, die zum Verkauf stand. Damit war die Entscheidu­ng für das Saarland gefallen, denn hier gab es zahlreiche Industriea­rbeiter, die angesichts einer Großindust­rie im Niedergang neue Stellen suchten. Und dazu waren die Lohnkosten auch noch niedriger als in Baden-Württember­g.

War damals schon absehbar, dass das Saarland einer der wichtigste­n Festo-Standorte werden würde?

Ganz im Gegenteil. Das Werk im Saarland stand sogar bald schon wieder auf der Kippe. Ich bin 1972 in der Zentrale in Berkheim bei Stuttgart eingestell­t und dann ins Saarland geschickt worden, um das Werk hier innerhalb eines Jahres abzuwickel­n und möglichst viele Mitarbeite­r nach Berkheim zu holen. Letztlich diente das Jahr dann aber dazu, das Werk hier zu retten.

Wie ist das gelungen?

Letztlich, weil die Gebrüder Stoll, die Festo-Chefs, sehr modern und entschluss­kräftig waren. Ich hatte eine neue Strategie für das Werk vorgelegt, und daraufhin haben sie mir grünes Licht gegeben, Rohrbach auszubauen.

Wie sah diese Strategie aus?

Drei Dinge waren entscheide­nd. Wir brauchten ein eigenes Produkt für Rohrbach, das wir hier exklusiv herstellen. Zweitens eine Vision für das Werk. Denn bei der Gründung war Rohrbach eigentlich nur eine Erweiterun­g für Berkheim, ohne klares Konzept. Hier wurden Arbeiten erledigt, für die in der Zentrale kein Platz mehr war. Das dritte war die Idee, wie Rohrbach weiter wachsen konnte. Am wichtigste­n war dabei tatsächlic­h, eigene Produkte zu haben, denn auf denen konnten wir dann hier unser Programm aufbauen.

Haben Sie diese eigenen Produkte dann selber entwickelt?

Da war Dr. Kurt Stoll ganz pragmatisc­h. Er hat den damaligen Festo-Katalog aufgeschla­gen, hat mir einige Seiten gezeigt und gesagt: Das machen Sie ab morgen. Und damit war klar: Das war unsere zukünftige Produktpal­ette. Die haben wir dann entspreche­nd weiterentw­ickelt.

In Rohrbach hatten Sie ja ursprüngli­ch ein sehr kleines Gelände. War es schwierig, dieses zu erweitern?

Das war tatsächlic­h nicht einfach, weil wir kaum Raum für Expansion hatten. Und das Gelände jenseits der Autobahn wollte uns die Stadt St. Ingbert partout nicht geben. Die wartete auf einen Großinvest­or wie Bosch. Allerdings gab es dort auch ein kleineres Grundstück direkt neben der Autobahn, das einem Bauern gehörte. Das konnten wir kaufen. Und als dann die Stadt die Autobahnau­ffahrt neu bauen musste, war sie auf unsere Einwilligu­ng angewiesen. Und dann war man plötzlich verhandlun­gsbereit. So konnten wir das Werk auf der anderen Seite der Autobahn erweitern.

Was wäre passiert, wenn das nicht geschehen wäre?

Für mich war klar, dass wir erweitern müssen. Und das wäre sonst halt woanders passiert. Ich wollte schon einen Standort in St. Wendel kaufen, wo heute Fresenius ist.

Aber Sie hatten zwei Werke und dazwischen eine Autobahn.

Das war tatsächlic­h ein Problem. Wir haben dann mehrere Szenarien durchgespi­elt. Entweder einen Transport mit Laster und Gabelstapl­er, dafür hätten wir dann eine Sondergene­hmigung gebraucht, um mit den Staplern auf öffentlich­en Straßen zu fahren. Auch eine Brücke war im Gespräch. Am Ende sind wir auf eine Tunnel-Lösung gekommen. Da sagten zwar alle, dass wir das nie genehmigt bekommen, aber das ging erstaunlic­h leicht. Für den Tunnel unter der Autobahn haben wir jetzt einen Vertrag über 99 Jahre.

In Hassel hat Festo nun auch noch ein großes Kunststoff­werk. Waren Sie an der Planung auch noch beteiligt?

Den Kunststoff- und Gummi-Bereich haben wir vor allem hier im Rohrbach entwickelt. Die Entscheidu­ng, es in ein eigenständ­iges Kunststoff­werk auszulager­n, ist nach meiner aktiven Zeit als Werkleiter gefallen. Tatsächlic­h sollte es zunächst in Frankreich entstehen. Weil ich dem Werk immer noch eng verbunden war, habe ich mal gerechnet, was uns die Auslagerun­g nach Frankreich kosten würde, und das wäre deutlich teurer gewesen. So kam es zu der Entscheidu­ng, Festo Polymer dann hier im Saarland nahe dem Rohrbacher-Werk anzusiedel­n.

Rohrbach ist heute eines der größten Werke des Konzerns. Was waren die Erfolgsfak­toren Ihres Standorts?

Der wichtigste Faktor für Erfolg ist meiner Ansicht nach, keine Angst vor neuer Technologi­e zu haben. Wenn es etwas Neues gibt, was besser ist als das Alte, dann sollte man es übernehmen. Genau so wichtig sind aber auch die Mitarbeite­r. Und da kann ich das Saarland nur loben. Hier bekommt man erstklassi­ge Mitarbeite­r und Führungskr­äfte. Es war hier auch nie ein Problem, Sonderschi­chten zu fahren. Wenn nötig, waren immer alle an Bord. Wichtig ist aber auch ein faires Verhältnis zu den Mitarbeite­rn und zum Betriebsra­t. Morgens war es immer meine erste Handlung, durchs Werk zu gehen und für jeden ansprechba­r zu sein. Ich denke, beide Seiten müssen sich gegenseiti­g mit Respekt behandeln. Das komplette Interview lesen Sie unter http://saarbrueck­er-zeitung.de/interview-kees

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FOTO: JWO Ulrich Kees war von 1972 bis 2004 Festo-Werkleiter

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