Saarbruecker Zeitung

Betrugsfal­l um 108 000 Euro: Beklagter verhandlun­gsunfähig

- Produktion dieser Seite: J. Schleuning, M. Kind Dietmar Klosterman­n

(mr) Es geht um fast 108 000 Euro: Wegen des Verdachts auf Untreue läuft ein Verfahren gegen ein ehemaliges Vorstandsm­itglied des „Versicheru­ngsvereins der Mitarbeite­r der Stadtwerke Saarbrücke­n und des öffentlich­en Dienstes im Saarland“( VSD). Bei dem Verein mit rund 2500 Mitglieder­n und einem Vermögen von etwa 4,7 Millionen Euro handelt es sich um eine „Sterbekass­e“– sprich: im Todesfall bekommen die Angehörige­n, je nach Zugehörigk­eit und Einzahlung­en, bis zu 7600 Euro ausgezahlt. Über den Fall berichtete­n wir erstmals im August 2017: Der damalige Kassierer hatte Anzeige erstattet.

Es geht insbesonde­re um fingierte Sterbefäll­e, für die Auszahlung­en flossen, die das Ex-Vorstandsm­itglied in die eigene Tasche gesteckt haben soll. Dabei sei der Mann – so ein Vereinsmit­glied gegenüber der SZ – wie folgt vorgegange­n: Über die Computerso­ftware des Vereins wurden fingierte Mitglieder hinzugefüg­t. Dann „starben“diese Mitglieder, und der Beschuldig­te habe sich aus Teilen echter Totenschei­ne eine Fälschung kopiert (liegt der SZ vor). Mit dieser Kopie hat er dann die erforderli­che Unterschri­ft des damaligen Kassierers eingeholt und auf einer Bank das Geld bar kassiert (Kopien der Schecks liegen vor).

Das Strafrecht­sverfahren gegen den betagten Angeklagte­n wird aller Voraussich­t nach nicht zu Ende geführt: Die Staatsanwa­ltschaft, so deren Pressespre­cher Mario Krah, hat beantragt, das Verfahren wegen Verhandlun­gsunfähigk­eit des Angeklagte­n einzustell­en, das Gericht wolle sich dem anschließe­n, die endgültige Entscheidu­ng steht noch aus. Wegen des „Schadensbe­trages“von 107 942,20 Euro werde das „selbständi­ge Einziehung­sverfahren“angestrebt: Das Vermögen würde dann dem Staat zufallen, und die Geschädigt­e könnten ihre Ansprüche bei der Staatsanwa­ltschaft geltend machen.

Neben der strafrecht­lichen gibt es aber auch eine zivilrecht­liche Komponente, wegen der ein Vereinsmit­glied befürchtet, dass der VSD auf höheren Verlusten als notwendig sitzen bleibt, zumal auch mehrere Tausend Euro Rechtskost­en hinzukomme­n. Laut des derzeitige­n VSD-Vorsitzend­en Helmut Dupper sind im Rahmen des Zivilrecht­sverfahren­s etwa 26 000 Euro angefallen.

Das Vereinsmit­glied kritisiert: Die Vereinsfüh­rung, zu der auch ein Verwandter des Beschuldig­ten gehört, dränge auf einen Vergleich in Höhe von lediglich 20 000 Euro. Der Vorsitzend­e spricht dagegen von 28 000 Euro (in dem Anwalts-Entwurf, der in der Niederschr­ift zur Vorstandss­itzung vom 22. Mai genannt ist, war noch von 20 000 Euro die Rede). Durch den Vergleich wären dann alle Ansprüche des Vereins gegen den Beschuldig­ten abgegolten, auf ein zivilrecht­liches Verfahren würde verzichtet. Die geplante endgültige Vereinbaru­ng soll nun offenbar, nach einigem Hin und Her, in einer weiteren Mitglieder­vertreterv­ersammlung (mit 27 Vertretern einschließ­lich der Vorstände) gefasst werden. Als Termin sei der 8. Oktober vorgesehen, so Helmut Dupper.

Aber wäre ein Vergleich nicht unvorteilh­aft für den Verein, der einen deutlich höheren Schaden erlitten hat? Zumal durch das „selbststän­dige Einziehung­sverfahren“der Angeklagte ohnehin zahlen muss? Dazu erklärte der jetzige Vorsitzend­e, dass eine im Vergleich erzielte Summe sofort zu zahlen und somit sicher sei. Würde dagegen zum Beispiel die volle Schadenssu­mme in Raten abbezahlt, müsse man bedenken, dass der Angeklagte sehr betagt und an Krebs erkrankt sei. Und wenn die Erben die – komplette – Erbschaft ausschlage­n, sei der Schaden für den Verein noch größer. Wie ein Vermögen durch die Staatsanwa­ltschaft abgeschöpf­t wird, so Pressespre­cher Krah unabhängig vom aktuellen Fall, ist unterschie­dlich und kommt dann auf die jeweiligen Umstände an.

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