Saarbruecker Zeitung

AUCH NEU IM KINO

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Der exzellente Film „Alles ist

über sexuelle Gewalt und Schuld läuft im Saarbrücke­r Filmhaus, während die Camera Zwo

zeigt – Terry Gilliams eigenwilli­ge Cervantes-Adaption. Im Cinestar läuft der Musikfilm can only imagine“, in vielen Kinos läuft der Trickfilm

aus dem Hause Pixar über eine Superhelde­nfamilie – witzig, aber mit allzuviel Action und Spektakel. Hintergrün­de, keine Motivation – das Verständni­s für die Not, die DDR verlassen zu müssen, wird vorausgese­tzt und nicht diskutiert. Allenfalls bei der Jugendweih­e heißt es von einem Funktionär, quasi als Bekenntnis zu übertriebe­ner Fürsorge: „Wir beobachten Euch!“Kurz nach der Jugendweih­e fährt Familie Strelzyk – Vater, Mutter und die Söhne – mit dem Lada plus Anhänger, in dem sich der Ballon mit Gondel befindet, zu einem grenznahen Waldstück. Gasbrenner anwerfen, Ballon füllen, einsteigen, losfliegen. Doch der erste Flug dauert nur wenige Minuten, das Gas reicht nicht aus, der Ballon ist zu klein, die Passagiere sind zu schwer. Rasch fahren die Strelzyks nach Hause, damit die versuchte Republik-Flucht nicht auffliegt.

Von nun an funktionie­rt „Ballon“vor allem als Thriller, der seine Spannung aus zwei parallel entwickelt­en Handlungss­trängen bezieht. Da ist zum einen die Stasi unter Führung von Oberstleut­nant Seidel (Thomas Kretschman­n), die den zurückgela­ssenen Ballon entdeckt hat, das Vorhaben ahnt und nun auf Spurensuch­e geht: Woher kommt der viele Stoff? Woher stammt der Kleber, der die Gondel zusammenhä­lt? Zum anderen zeigt Herbig den zweiten Versuch mit all seinen Vorbereitu­ngen: Die Strelzyks tun sich mit der Familie von Günter Wetzel zusammen, der ein ausgezeich­neter Näher ist. Jetzt muss der Stoff gekauft werden, aber nicht zu viel auf einmal, am besten in mehreren Städten. Wie kann man die Funktion der Gaszylinde­r verbessern? Für jedes Problem findet Vater Peter Strelzyk eine Lösung, Günter Wetzel näht Abend für Abend. Doch sie hinterlass­en Spuren.

Vorbereitu­ng und Verfolgung gehen nun Hand in Hand. Herbig weiß um alle Versatzstü­cke der Spannungse­rzeugung, die man aus Hollywood-Thrillern kennt. Hier ein Hinweis, dort ein kleiner Fehler, hier ein Fahndungse­rfolg, dort ein misstrauis­cher Nachbar. Manchmal treibt er die Spannung auch zu weit, etwa, wenn die Stasi an ganz anderer Tür klingelt, als man annehmen konnte, oder der Ballon kurz vor der Landung auch noch Feuer fängt. Einiges gerät dem Regisseur auch zu überdeutli­ch. „Gehen Sie ins Gefängnis!“heißt es beim Monopoly, die Zweifel der Fluchtwill­igen unterstrei­chend.

Als Abenteuerf­ilm, der vom Über-sich-Hinauswach­sen seiner Helden erzählt, funktionie­rt „Ballon“aber erstaunlic­h gut. Man weiß um den Ausgang der Geschichte und fiebert trotzdem mit. Natürlich ist dies auch ein Familiendr­ama, weil man als Zuschauer die Verantwort­ung der Eltern ahnt und nicht möchte, dass den Kindern etwas passiert. Doch die Qualität der Beziehunge­n zwischen Eltern und Kindern bleibt vage. „Ich kann mir einen neuen Sohn machen, aber du kannst deinen Vater nicht eintausche­n“, sagt Peter Strelzyk einmal, wenn auch im Scherz.

Es gibt dann noch eine unmögliche Liebesgesc­hichte, die zumindest eine emotionale Anbindung des Zuschauers versucht. Doch die Figuren sind hier nur Chiffren, reduziert auf ihre Funktion bei einer aufregende­n Flucht. Für die DDR findet Herbig nur wenige Bilder, auch der Alltag in Schule und Beruf bleibt ausgespart. Immerhin: Die Kindergärt­nerin, die Wetzels kleinen Sohn betreut und darum von dessen abendliche­n Nähstunden weiß, sagt nichts. Nicht alle waren Verräter, soll diese kurze Szene uns sagen. Und so liegt über diesem Film auch etwas Versöhnlic­hes.

„Ballon“läuft ab morgen in einigen Kinos der Region – Termine und mehr zum Film gibt es morgen in unserer Beilage treff.region.

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