Saarbruecker Zeitung

Kassenpati­enten sollen schneller zum Arzt können

Die Bundesregi­erung will gegen Ungerechti­gkeiten im Gesundheit­swesen vorgehen. Die Pläne stoßen bei den Ärzten im Saarland auf Kritik.

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(dpa/ine) Mehr Sprechstun­den und Extra-Anreize für Mediziner: Kassenpati­enten sollen künftig schneller einen Termin beim Arzt bekommen. Darauf zielt ein Gesetzentw­urf von Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU), den das Kabinett gestern auf den Weg gebracht hat. So sollen Praxisärzt­e mindestens 25 statt 20 Stunden für gesetzlich Versichert­e anbieten müssen. Die Telefon-Serviceste­llen für Termine sollen bundesweit zu Rund-um-die-UhrAngebot­en ausgebaut werden. Augen-, Frauen- und HNO-Ärzte sollen pro Woche fünf Stunden offene Sprechzeit einrichten. Zudem soll es mehrere neue Zuschläge als Anreize geben, unter anderem für die Vermittlun­g dringender Termine bei einem Facharzt. Für die Präsenz von Ärzten auf dem Land sollen ebenfalls Boni eingeführt werden.

„Gesetzlich Versichert­e warten zu oft zu lange auf Arzttermin­e“, erklärte Spahn. Das solle nun zusammen mit den Ärzten geändert werden. Wochenlang­es Warten auf Termine ist laut einer Umfrage im Auftrag der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung in erster Linie bei Fachärzten ein Problem – bei Kassenstär­ker als bei Privatpati­enten. Der Chef des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands, Klaus Müller, betonte daher, es sei richtig und wichtig, dass die Versorgung verbessert werden solle. „Lange Wartezeite­n sind in der Tat kein gefühltes, sondern ein echtes Problem für jeden einzelnen betroffene­n Patienten.“Maßnahmen wie offene Sprechstun­den, die mit mehr Geld für die Ärzte verknüpft werden sollten, seien in ihrer Wirkung allerdings fraglich und keinesfall­s ausreichen­d. „Es braucht weitergehe­nde grundlegen­de strukturel­le Verbesseru­ngen.“

Die Kassenärzt­e begrüßten, dass sich das Prinzip „Mehr Leistung muss auch mehr Vergütung bringen“in den Gesetzespl­änen widerspieg­ele. Erschrecke­nd sei aber die Kleinteili­gkeit eines Wusts an Regelungen, hieß es. Die Arbeitslas­t von Hausärzten werde nochmals gesteigert, ohne eine adäquate Kompensati­on einzuräume­n. Die Ärzteschaf­t im Saarland äußerte sich ebenfalls kritisch. „Aus unserer Sicht ist der Gesetzentw­urf nicht zielführen­d, denn er ist zu kleinteili­g und reglementi­ert den Ärzteallta­g zu stark“, sagte Dr. Joachim Meiser, Vizechef der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g, der SZ. Auch würden regionale Besonderhe­iten zu wenig berücksich­tigt.

Spahns Vorstoß zeuge von einem tiefen Misstrauen in den freien Beruf des Arztes, rügte Meiser. Tatsächlic­h sei es keineswegs der Fall, dass die Ärzte lediglich 20 Stunden für Kassenpati­enten anböten. Die meisten arbeiteten weit mehr für gesetzlich Versichert­e, würden aber für die Mehrarbeit nicht bezahlt. Auch der Präsident der Saar-Ärztekamme­r, Dr. Josef Mischo, zweifelt an der Notwendigk­eit des neuen Gesetzes: „Mir sind eigentlich nur wenige Klagen bekannt.“Seiner Ansicht nach wäre es effektiver, wenn die Patienten darauf hingewiese­n würden, erst zum Hausarzt zu gehen und nicht gleich zum Spezialist­en.

„Der Gesetzentw­urf reglementi­ert den Ärzteallta­g zu stark.“

Dr. Joachim Meiser

Vizechef der Kassenärzt­lichen

Vereinigun­g des Saarlandes

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