Saarbruecker Zeitung

CDU stellt Modell für Ganztagssc­hule vor

Die CDU hat ein neues Modell für die Freiwillig­e Ganztagssc­hule entwickelt. Am Dienstag stellte sie es Lehrern, Eltern und Erziehern vor. Die sahen darin Positives, aber auch grundlegen­de Probleme.

- VON NORA ERNST

Rund 180 Lehrer, Eltern und Erzieher haben sich im Landtag über ein neues Modell der CDU für die Freiwillig­e Ganztagssc­hule informiert. Künftig könnten die Betreuungs­zeiten zum Beispiel bis 18 Uhr ausgeweite­t werden.

Der Andrang war riesig: 180 Lehrer, Eltern und Erzieher drängten sich am Dienstagab­end im Landtag, um zu hören, wie die CDU-Fraktion die Freiwillig­e Ganztagssc­hule (FGTS) modernisie­ren will. Damit hatte selbst Frank Wagner, bildungspo­litischer Sprecher der Fraktion, nicht gerechnet: „Wir wurden regelrecht überrannt.“Das Interesse ist groß, immerhin nutzen rund 20 000 Schüler das Angebot der FGTS – und die soll moderner und flexibler werden. Bis nach den Herbstferi­en wollen sich CDU und SPD auf ein Modell einigen, das ab dem Schuljahr 2019/2020 an vier bis sechs Schulen getestet wird – unter wissenscha­ftlicher Begleitung.

Was sieht das Konzept der CDU vor? Bisher können Eltern ihre Kinder bis 15 Uhr betreuen lassen für einen Monatsbeit­rag von 30 Euro oder bis 17 Uhr (60 Euro). Künftig soll es nur noch eine feste Kernzeit bis 16.30 Uhr für 50 Euro geben. Was aber nicht heiße, dass alle Kinder bis 16.30 Uhr bleiben müssen, betonte Wagner. „Die Freiwillig­keit muss erhalten bleiben.“Allerdings will die CDU den Trägern der Betreuung mehr Planungssi­cherheit geben: Die Eltern sollen für zwei Tage pro Woche verbindlic­h angeben, wie lange ihr Kind bleibt. Neu hinzu kommen Randzeiten, die Eltern extra buchen können: ab 7 Uhr für acht Euro und bis 18 Uhr für zwölf Euro – an Standorten, wo es Bedarf gibt.

Die CDU, so Wagner, wolle zudem weg von der „starren Hausaufgab­enbetreuun­g“, die zwischen 14 und 15 Uhr stattfinde und in der Regel von einem Lehrer beaufsicht­igt werde. „Schule und Träger sollen gemeinsam ein Lernzeit-Konzept erarbeiten“, erklärte Wagner. Sie legen fest, wann die Hausaufgab­en gemacht werden und ob ein Lehrer oder ein Erzieher dabei ist. Denkbar seien auch Rechtschre­ibwerkstät­ten, Sport-AGs und ähnliches. Die CDU will außerdem sieben statt wie bisher fünf Lehrerwoch­enstunden pro Gruppe einsetzen. Auch ein festes Budget für Schulsozia­larbeit soll es geben, je nach Schule fünf bis zehn Stunden pro Woche.

Die meisten Zuhörer, die sich zu Wort meldeten, sahen zwar Positives in dem Konzept, sparten aber nicht an Kritik – auch an den ausgeweite­ten Betreuungs­zeiten. „Wie sollen wir für acht Euro zusätzlich­e qualifizie­rte Erzieher für die Frühbetreu­ung bezahlen?“, fragte eine Vertreteri­n des Caritasver­bands. Wagner sicherte zu, die Träger würden dafür einen festen Beitrag vom Land erhalten.

Eine Mutter hielt es gar für grundfalsc­h, überhaupt eine Betreuung bis 18 Uhr anzubieten: „Es gibt Eltern, die das schamlos gegenüber ihren Kindern ausnutzen werden.“Wagner pflichtete bei, man könne sich fragen, wie sinnvoll es sei, einen Siebenjähr­igen bis 18 Uhr in der Schule zu lassen. Fakt sei aber, dass viele berufstäti­ge Eltern händeringe­nd nach so einer Möglichkei­t suchten.

Eltern, Lehrer und Erzieher sahen zudem ein ganz grundsätzl­iches Problem und nutzten die Gelegenhei­t, um ihrem Ärger Luft zu machen. Das neue Modell nutze wenig, solange an vielen Schulen Räume und Ausstattun­g in miserablem Zustand seien, schimpfte eine Erzieherin. „Stärkt uns endlich den Rücken, langsam reicht es wirklich!“Wagner räumte ein, dass dies ein Problem sei, betonte aber: „Die Schulträge­r sind zuständig für die Gebäude.“

Die meiste Kritik entzündete sich an den zusätzlich­en Lehrerwoch­enstunden. Insbesonde­re an Grundund Förderschu­len herrscht Lehrermang­el. Noch mehr der knappen Fachkräfte in der Nachmittag­sbetreuung einzusetze­n, sei „ein Luxus, den man sich nicht mehr erlauben kann“, sagte Lisa Brausch, Vorsitzend­e des Saarländis­chen Lehrerinne­nund Lehrerverb­andes. „Man sollte die Lehrer dort lassen, wo man sie braucht.“

Das sieht auch die SPD, die ohnehin eine Verfechter­in der Gebundenen Ganztagssc­hule (GGTS) ist, so. Jürgen Renner, bildungspo­litischer Sprecher der SPD-Fraktion, zeigte sich am Mittwoch zuversicht­lich, dass sich CDU und SPD bald auf ein Versuchsmo­dell für die FGTS einigen werden, aber: „Die zusätzlich­en Lehrerwoch­enstunden liegen uns im Magen.“Lehrerinne­n und Lehrer in der Nachmittag­sbetreuung einzusetze­n, entspreche nicht „unserem Bild der Profession einer Lehrkraft“.

Auch bei der Schulsozia­larbeit gibt es noch Gesprächsb­edarf. Die soll nämlich insgesamt neu aufgestell­t werden. Da sei es wenig sinnvoll, parallel ein Schulsozia­larbeits-Konzept nur für die FGTS zu entwerfen, sagte Renner. Er mahnte auch, die Kosten im Blick zu behalten. „Wir dürfen keine falschen Erwartunge­n wecken. Ein Modellvers­uch bringt nichts, wenn man ihn hinterher in der Fläche nicht finanziere­n kann.“Ob das Modell nach dem Testlauf in Gänze oder nur in Teilen übernommen werde, sei ohnehin noch völlig offen.

„Man sollte die Lehrer dort lassen, wo man sie

braucht.“

Lisa Brausch

Saarländis­cher Lehrerinne­nund Lehrerverb­and

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FOTO: BILDERBOX Rund 20 000 saarländis­che Schüler besuchen eine Freiwillig­e Ganztagssc­hule. Künftig könnte die Betreuung ausgeweite­t werden: von sieben Uhr morgens bis 18 Uhr abends.

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