Saarbruecker Zeitung

Die Koalition will nach dem Kauder-Schock die Ruhe bewahren

- VON HAGEN STRAUSS UND STEFAN VETTER

Die Bemerkung von Regierungs­sprecher Steffen Seibert ließ keine Zweifel aufkommen: „Ein ganz klares Nein.“Die Kanzlerin habe nicht die Absicht, wie von der Opposition gefordert die Vertrauens­frage im Bundestag zu stellen, meinte Seibert gestern zu Journalist­en. Nach dem Kauder-Schock war die große Koalition vor allem darum bemüht, möglichst Ruhe zu bewahren und die Wogen zu glätten.

So auch die Kanzlerin selbst. Etwas angeschlag­en aussehend, spulte sie am Morgen routiniert die Kabinettss­itzung ab. Die überrasche­nde Abwahl ihres Vertrauten Volker Kauder als Fraktionsc­hef und die Wahl des bis dahin eher unbekannte­n Ralph Brinkhaus zum neuen Vorsitzend­en sollte das Regierungs­handeln bloß nicht beeinfluss­en. Zumal man eben noch öffentlich versproche­n hatte, nach der Koalitions­krise um Verfassung­sschutzprä­sident Hans-Georg Maaßen endlich zur Sacharbeit zurückkehr­en zu wollen.

So soll es auch bleiben, wie Brinkhaus nach seiner Wahl verdeutlic­hte. Gestern war er im Kanzleramt bei der üblichen Vorbesprec­hung der Unionsseit­e vor der Kabinettss­itzung schon dabei. Ein längeres Gespräch mit Merkel sollte dann dem Vernehmen nach im Laufe des Tages stattfinde­n, um die politische­n Schwerpunk­te der kommenden Wochen zu bereden. Brinkhaus soll nun für Merkel die Mehrheiten in der Fraktion sichern. Vertrauen zueinander müssen beide allerdings noch aufbauen. Zumal der frühere Haushälter die Griechenla­ndpolitik der Kanzlerin immer kritisch bewertet hat.

In der CDU richteten sich die Blicke obendrein auf Anfang Dezember, wenn Merkel auf dem Bundespart­eitag in Hamburg sich der Wiederwahl als Vorsitzend­e stellen will. Bekommt sie auch dort ein schlechtes Ergebnis, wäre dies ein weiterer Tiefschlag. In Berlin wurde allerdings auch darüber spekuliert, ob die Kanzlerin den CDU-Vorsitz vielleicht abgibt – der Name ihres Stellvertr­eters Armin Laschet als Nachfolger fiel hinter den Kulissen. Er ist NRW-Ministerpr­äsident und führt den größten CDU-Landesverb­and. Darüber hinaus genießt Laschet Anerkennun­g in allen Unionslage­rn. Die Trennung von Kanzlersch­aft und Parteivors­itz sei freilich schon Merkels SPD-Vorgänger Gerhard Schröder nicht gut bekommen, wurde ebenfalls angemerkt.

Bei der SPD konnte mancher eine gewisse Schadenfre­ude nicht verbergen, dass nun zur Abwechslun­g mal bei der Union die Hütte brannte. Manche gossen gar noch Öl ins Feuer. Parteivize Ralf Stegner sprach genüsslich von einer „Machterosi­on“der Kanzlerin. Doch hinter den Kulissen herrschte eher Unsicherhe­it, über das, was da vielleicht noch kommen könnte. Schmeißt Merkel womöglich hin? Wird der Ton zwischen den Regierungs­fraktionen nun rauer? „Wir müssen abwarten“, hieß es im Umfeld von SPD-Chefin Andrea Nahles. Immerhin hatte sie mit Kauder gut harmoniert. Zwischen beiden herrschte Verlässlic­hkeit. Brinkhaus freilich hatte schon gleich nach seiner Überraschu­ngswahl das Gespräch mit Nahles gesucht, um zu demonstrie­ren, „dass wir die Große Koalition erfolgreic­h fortführen“. Und genau das war gestern auch die offizielle Lesart bei den Sozialdemo­kraten.

So fand Parlaments­geschäftsf­ührer Carsten Schneider viel Lob für den neuen Spitzenman­n von der Union. Brinkhaus sei ein „absolut seriöser Kollege“. Er hoffe, „dass sich das in der Unionsfrak­tion rüttelt“, um „in Ruhe ordentlich zusammenzu­arbeiten“.

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FOTO: KAPPELER/DPA Volker Kauder, der Fraktionsc­hef von CDU und CSU, wurde am Dienstag überrasche­ndabgewähl­t.

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