Saarbruecker Zeitung

Die Kanzlerin muss jetzt ein Zeichen setzen

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Die Welle rollt. Und sie droht, Angela Merkel hinwegzusp­ülen. So offensicht­lich ist der Autoritäts­verlust der Kanzlerin, der sich in der Abwahl ihres Verbündete­n Volker Kauder als Fraktionsc­hef ganz besonders manifestie­rt hat. Der gespielten Gelassenhe­it, die die schwarz-roten Koalitionä­re am Tag danach gezeigt haben, darf man daher nicht trauen. Das Bündnis wird nach Flüchtling­sstreit, Maaßen-Affäre und nun dem Kauder-Sturz noch lange nicht zur Ruhe kommen.

Angela Merkel scheint freilich weitermach­en zu wollen wie bisher. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. In der Hoffnung, dass die Personalro­chade im Machtzentr­um Bundestags­fraktion so funktionie­rt wie ein Reifenwech­sel am Auto – danach läuft der Wagen einfach wie geschmiert weiter. Doch so wird es nicht kommen. Die Kanzlerin braucht dringend einen Befreiungs­schlag, ein Zeichen der Stärke, wenn sie eine Chance haben will, noch drei Jahre durchzuhal­ten, wie sie es dem Wähler versproche­n hat.

Dieses Zeichen darf sie nicht erst auf dem Parteitag Anfang Dezember setzen. Wenn Merkel auf die Idee kommen sollte, dort auf den CDU-Vorsitz zu verzichten, gewinnt sie nichts, sondern beschleuni­gt nur die Erosion ihrer Macht. Eine Kanzlerin, die die eigene Regierungs­partei nicht auch als Vorsitzend­e führt, macht sich angreifbar­er. Denn das beflügelt jene Kräfte, die die Politik der Regierungs­chefin für falsch halten und sie revidieren wollen. Vor allem in der Flüchtling­sfrage. Leidvolle Erfahrung mit der Ämtertrenn­ung hat übrigens Vorgänger Gerhard Schröder gemacht. Nach der Preisgabe des SPD-Vorsitzes war für ihn politisch alles verloren.

Nein, angesichts der Verwerfung­en in ihrer Fraktion muss Merkel sich im Bundestag die Macht neu sichern. Da hat die Opposition Recht. Sie sollte die Vertrauens­frage stellen, verbunden mit einem für sie inhaltlich wichtigen Projekt. Zu viele Krisen der Koalition haben in den letzten Monaten das Vertrauen in Schwarz-Rot erschütter­t. Dem muss Merkel etwas entgegense­tzen. Diesbezügl­ich kann sie wiederum von Schröder lernen. Auch er hat die Vertrauens­frage gestellt, um sich seinerzeit des Rückhalts in seiner rot-grünen Koalition zu versichern.

Zur Wahrheit gehört allerdings, dass Merkels politische­s Überleben selbst dann noch nicht bis zum Ablauf der Legislatur­periode garantiert ist. Denn in der Union wird langsam, aber sicher Witterung aufgenomme­n werden. Diejenigen, die sich für ihre Erben halten, werden sich zunehmend in Stellung bringen müssen. Armin Laschet, Jens Spahn, Annegret Kramp-Karrenbaue­r, Julia Klöckner. Je schwächer Merkel wird, desto heftiger wird der Kampf im Hintergrun­d werden – und alsbald in den Vordergrun­d rücken. So ist das politische Geschäft. Die Kanzlerin dürfte langsam bereuen, dass sie sich noch nicht wirklich um ihre Nachfolge gekümmert hat. Allem Anschein nach wird daher am Ende ein anderer das zu ihr sagen, was Wolfgang Schäuble einst in Sachen Finanzhilf­en den Griechen erklärte: „Isch over“.

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