Saarbruecker Zeitung

Mit westfälisc­her Sturheit an die Fraktionss­pitze

PORTRÄT Ralph Brinkhaus will der Union im Bundestag neuen Schwung verleihen.

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(dpa) Ralph Brinkhaus ist zwar im Revoluzzer­jahr 1968 in Rheda-Wiedenbrüc­k geboren, aber er ist ein eher ungewöhnli­cher Revolution­är. Der wohl selbst kaum an einen Sieg geglaubt hat und nun Kanzlerin Angela Merkel in arge Nöte bringt: Er hat einen Pfeiler ihrer Macht umgestürzt.

Auf seinem Schreibtis­ch im Bundestags­büro steht ein weißer Keramik-Geißbock. Der Westfale ist fest vom Wiederaufs­tieg seines 1. FC Köln in die Fußball-Bundesliga überzeugt. Er selbst spielt ab sofort in der obersten Liga der Bundespoli­tik. Am Dienstag löste er überrasche­nd den Merkel-Vertrauten Volker Kauder an der Fraktionss­pitze der Union ab. Sein Programm: Nach 13 Jahren Kauder brauche es neue Köpfe, Aufbruch, frischen Wind. „Ich kandidiere für neuen Schwung in der Fraktion, nicht gegen die Kanzlerin“, betonte er vor der Wahl. Leise und freundlich im Ton, durchsetzu­ngsstark in der Sache ist der Westfale.

Anfangs belächelt für seine Kandidatur, zog er westfälisc­h-stur das Ding durch – kein prominente­r Unions-Politiker schlug sich öffentlich auf seine Seite. Nun reiht er sich plötzlich ein in eine illustre Liste an der Spitze der Unions-Fraktion mit Namen wie Rainer Barzel, Helmut Kohl, Wolfgang Schäuble – und Angela Merkel.

Er hat Wirtschaft­swissensch­aften studiert, machte seinen Wehrdienst bei den Panzerjäge­rn im westfälisc­hen Augustdorf und arbeitete als Steuerbera­ter in Gütersloh. Der Heimat ist er sehr verbunden. In die CDU kam er 1984 zu Schulzeite­n über die Junge Union. Er ist seit 2009 im Bundestag.

Brinkhaus ist keiner für die schnelle Schlagzeil­e, kein Lautsprech­er. Wird Merkel mit ihm klarkommen? Oder wird das Regieren für sie mit einer selbstbewu­ssten Unions-Fraktion nun noch schwierige­r? Fest steht: Brinkhaus ist kein Abnicker – er steht in Zeiten einer erstarkend­en AfD für einen konservati­ven Kurs mit klarer Handschrif­t. Und mehr Selbstbewu­sstsein gegenüber Merkel und ihrer Regierung. Doch all die Merkel-Kritiker, die auf ihren Sturz lauern, müssen nun an der Fraktionss­pitze, dem Machtzentr­um beim Schmieden von Gesetzen, mit einem vorlieb nehmen, der in all den machtarith­metischen Überlegung­en für die Zukunft bis vor wenigen Wochen kaum eine Rolle spielte.

Am auffälligs­ten äußerte sich der neue Fraktionsc­hef bislang zur Europapoli­tik. Auf die weitreiche­nden Reformplän­e des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron reagierte die Kanzlerin sehr zurückhalt­end, Brinkhaus ist da deutlicher geworden. „Die Notwendigk­eit eines Eurozonen-Haushalts, verwaltet von einem EU-Finanzmini­ster, sehe ich gegenwärti­g nicht“, sagte er im November 2017. Immer wieder warnte er vor einer „Umverteilu­ng von Geldern in der Eurozone“. Damit steht er aber für einen großen Teil der Unionsfrak­tion. Vor allem will Brinkhaus eine echte Parlaments­beteiligun­g, etwa bei der möglichen Entwicklun­g des Rettungsfo­nds EMS zu einem europäisch­en Währungsfo­nds.

Eine regelrecht­e konservati­ve Wende in der Union zeichnet sich mit Brinkhaus bisher nicht ab – wohl aber andere Akzente auch im Umgang mit der AfD. „Wir wollen einen neuen Anlauf, um mit jenen ins Gespräch zu kommen, die sich von uns abgewandt haben“, sagt Brinkhaus. „Auch im Mittelstan­d haben wir zunehmend Protestwäh­ler, um die wir uns stärker als bisher kümmern müssen.“Er meint, man müsse stärker für den Zusammenha­lt im Land kämpfen – aber nicht mit immer höheren Sozialleis­tungen. „Wir können die Gräben in der Gesellscha­ft nicht mit Haushaltsm­itteln zuschütten.“

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FOTO: NIETFELD/DPA Ralph Brinkhaus sitzt seit 2009 für die CDU im Bundestag.

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