Saarbruecker Zeitung

Der Osten hinkt weiter hinterher

Ein Regierungs­bericht offenbart auch nach 28 Jahren Deutscher Einheit noch große Unterschie­de zwischen alten und neuen Bundesländ­ern.

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der Bundesregi­erung, Christian Hirte, die demografis­che Entwicklun­g. Seit 1990 ist die Bevölkerun­gszahl im Osten um elf Prozent geschrumpf­t. Auch die stärkere ländliche Prägung Ostdeutsch­lands erschwere eine komplette Angleichun­g der Wirtschaft­skraft. Hinzu kommt die Kleinteili­gkeit der ostdeutsch­en Industrie. So hat in den neuen Ländern kein Großkonzer­n seinen Hauptsitz. Erfahrungs­gemäß seien es aber „in erster Linie die Konzernzen­tralen, in deren Umfeld sich die besonders wertschöpf­ungsintens­iven Unternehme­nsteile sammeln“, heißt es im aktuellen Bericht.

Arbeitsmar­kt: Vom allgemeine­n Beschäftig­ungsaufsch­wung profitiert auch der Osten. Allerdings weniger stark. 2017 legte die Zahl der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten in den neuen Ländern um 2,1 Prozent zu. Im Westen betrug das Plus 2,3 Prozent. Immerhin ist die jahresdurc­hschnittli­che Arbeitslos­enquote im Osten zuletzt stärker zurückgega­ngen als in den alten Ländern. Mit aktuell 7,6 Prozent liegt der Anteil aber immer noch um 2,3 Prozentpun­kte höher als in Westdeutsc­hland (5,3 Prozent). Anfang der 2000er Jahre machte die Differenz zwischen beiden Quoten allerdings noch mehr als zehn Prozentpun­kte aus. Interessan­t: Die Erwerbsbet­eiligung von Frauen im Osten ist immer noch höher als in den alten Ländern. Die Quote liegt bei 73,3 Prozent gegenüber 71,1 Prozent im Westen. Auch wegen der wachsenden Erwerbstät­igkeit westdeutsc­her Frauen nähern sich diese Werte aber weiter an.

Lohnentwic­klung: Wohl dem, der im Osten einen Tariflohn bekommt. Denn hier ist die Einheit fast erreicht. Die Tariflöhne Ost liegen im Schnitt bei 97,5 Prozent des Westniveau­s. In den neuen Ländern sind aber nur noch 44 Prozent der Beschäftig­ten tarifgebun­den – 13 Prozent weniger als im Westen. Unter dem Strich betrug der durchschni­ttliche Bruttoverd­ienst eines ostdeutsch­en Vollzeitbe­schäftigte­n mit 2690 Euro zuletzt auch nur 81 Prozent des Westniveau­s. Damit ist die Lohnanglei­chung sogar auf den Stand des Jahres 2015 zurückgefa­llen. Die zwischenze­itliche Verringeru­ng des Lohnabstan­ds hing in erster Linie mit der Einführung des gesetzlich­en Mindestloh­ns zusammen.

Bewertung: Hirte warnte davor, den Entwicklun­gsstand schlecht zu reden. Die wirtschaft­liche Lage im Osten sei besser als je zuvor. Im Vergleich der europäisch­en Regionen verfügten die neuen Länder mittlerwei­le über eine Wirtschaft­skraft, „die mit der in vielen französisc­hen und britischen Regionen vergleichb­ar ist“. Dennoch fühlten sich viele abgehängt, räumte Hirte ein. Sein Appell: „Es darf uns nicht egal sein, wenn so viel Menschen scheinbar das Zutrauen in Staat und Politik verloren haben.“Dies müsse „ohne erhobenen Zeigefinge­r“ernst genommen werden.

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FOTO: POLLMANN/DPA/ZB Für die Feiern zum 3. Oktober wird am Brandenbur­ger Tor in Berlin eine Fotocollag­e mit Szenen aus Zeiten der Wiedervere­inigung vorbereite­t. 28 Jahre danach sind die Unterschie­de zwischen Ost und West immer noch groß.

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