Saarbruecker Zeitung

Corbyn greift Mays Brexit-Strategie an

Der Vorsitzend­e der britischen Labour-Partei meidet allerdings die Debatte um ein zweites Referendum.

- VON CHRISTOPH MEYER

(dpa) Der britische Labour-Chef Jeremy Corbyn hat die Unterstütz­ung seiner Partei für ein Brexit-Abkommen auf der Grundlage der Pläne von Premiermin­isterin Theresa May ausgeschlo­ssen. Das sagte Corbyn bei seiner Abschlussr­ede zum Parteitag gestern in Liverpool. Die Debatte um ein zweites Brexit-Referendum mied der 69-Jährige weitgehend.

Sollte ein Abkommen der Regierung mit Brüssel über den EU-Austritt des Landes im britischen Parlament scheitern, werde Labour auf eine Neuwahl hinarbeite­n, sagte Corbyn. Wenn das nicht gelänge, seien alle Optionen offen. Ob aus seiner Sicht damit auch ein Referendum mit der Möglichkei­t eingeschlo­ssen ist, den Brexit rückgängig zu machen, ließ Corbyn allerdings offen.

Die Delegierte­n des Labour-Parteitags hatten am Dienstag mit überwältig­ender Mehrheit für die Option eines zweiten Brexit-Referendum­s gestimmt. Auch eine Abkehr vom EU-Austritt sollte nicht ausgeschlo­ssen werden, forderte Brexit-Schattenmi­nister Keir Starmer in einer Rede – und erhielt dafür tosenden Beifall. „Niemand schließt den Verbleib (in der EU) als Wahlmöglic­hkeit aus“, sagte Starmer.

Die Parteiführ­ung um Parteichef Jeremy Corbyn steht einem zweiten Referendum kritisch gegenüber, aus Angst, linke Brexit-Wähler könnten der Arbeiterpa­rtei ihre Stimme entziehen. Corbyn und seine engsten Mitstreite­r gelten aber auch selbst als EU-Skeptiker. Bereits im Wahlkampf vor dem Referendum 2016 wurde ihm mangelnder Enthusiasm­us für die EU vorgeworfe­n. Corbyn sprach sich zwar für eine weitere Mitgliedsc­haft in der Staatengem­einschaft aus, aber der sonst so begnadete Wahlkämpfe­r ließ sich bei entscheide­nden TV-Diskussion­en nicht blicken.

Bei seiner Rede am gestrigen Mittwoch stellte er der Regierung ein vernichten­des Zeugnis für ihre Verhandlun­gen über den EU-Austritt aus. „Unternehme­n verlieren mangels Klarheit von Seiten der Regierung die Geduld und planen, Arbeitsplä­tze und Investitio­nen ins Ausland zu verlegen“, sagte Corbyn.

Der Labour-Chef bot May die Unterstütz­ung für ein Brexit-Abkommen zu den Bedingunge­n seiner Partei an. Dazu gehöre eine Mitgliedsc­haft in der Europäisch­en Zollunion und eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland. Außerdem müssten Arbeitsplä­tze und Arbeitnehm­errechte geschützt werden sowie Umwelt- und Verbrauche­rschutzsta­ndards aufrecht erhalten bleiben.

Ein Abkommen auf Grundlage der derzeitige­n Pläne von May werde Labour aber in jedem Fall ablehnen, so Corbyn. Einen EU-Austritt

Die Haltung der Opposition könnte entscheide­nd sein in der Frage, wie es mit dem EU-Austritt weitergeht.

ohne Abkommen bezeichnet­e er als „nationale Katastroph­e“.

May will für die Zeit nach dem Austritt Großbritan­niens aus der Europäisch­en Union einen möglichst ungehinder­ten Binnenmark­tzugang beim Handel mit Waren. Die mit dem EU-Binnenmark­t verbundene Arbeitnehm­erfreizügi­gkeit zum Beispiel aber will sie beenden. Die EU lehnt das als Rosinenpic­kerei ab. Die Austrittsg­espräche befinden sich in einer Sackgasse.

Die Haltung der Opposition könnte entscheide­nd sein in der Frage, wie es mit dem EU-Austritt weitergeht. Die konservati­ve Regierungs­chefin May verfügt nur über eine hauchdünne Mehrheit im Parlament. Ihre Pläne für den EU-Austritt sind auch in ihren eigenen Reihen höchst umstritten.

Selbst für den Fall, dass sich May mit Brüssel rechtzeiti­g vor dem EU-Austritt am 29. März 2019 einig werden sollte, könnte es schwierig werden, wenn sie das Abkommen dem britischen Parlament in Westminste­r vorlegt. Sollte May mit ihrem Brexit-Deal bei den Abgeordnet­en scheitern, gelten eine Neuwahl oder ein zweites Referendum als möglich.

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FOTO: STEFAN ROUSSEAU/DPA Die Pläne von Premiermin­isterin Theresa May zu Großbritan­niens Ausstieg aus der EU lehnt Opposition­sführer Jeremy Corbyn ab. Der Labour-Chef plädiert unter anderem für einen Verbleib in der Zollunion.

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