Saarbruecker Zeitung

Arztpraxen könnten bald Video-Sprechstun­den anbieten

Bei einer Anhörung im Landtag wurde gestern deutlich, wie die moderne Technik die medizinisc­he Versorgung revolution­iert – auch im Saarland.

- VON DANIEL KIRCH

Was bietet die moderne Technik nicht alles für Möglichkei­ten! Wer heute in einem saarländis­chen Krankenhau­s in die Röhre muss, kann nicht mehr sicher sein, dass der Radiologe, der die CT- oder MRT-Aufnahme auswertet, im Zimmer nebenan sitzt. Es es ist gut möglich, dass er sich das Bild in hunderten Kilometer Entfernung ansieht und den Befund elektronis­ch übermittel­t.

Auch den niedergela­ssenen Ärzten bieten sich ganz neue Möglichkei­ten. Die Ärztekamme­r des Saarlandes wird in ein paar Monaten entscheide­n, ob sie Video-Sprechstun­den zulässt, ohne dass sich der Patient zuvor persönlich dem Arzt vorgestell­t hat. An der Technik scheitert dies im Jahr 2018 nicht mehr, höchstens am Willen der Ärzteschaf­t. Im Frühjahr hatte die Ärztekamme­r das Ansinnen noch abgelehnt, man darf also gespannt sein. Die rheinland-pfälzische Ärztekamme­r hat ihre Berufsordn­ung jedenfalls vor wenigen Tagen geändert.

In der Gesundheit­sbranche begegnet die Telemedizi­n grundsätzl­ich großer Offenheit, wenn bestimmte Voraussetz­ungen erfüllt sind. Das zeigte gestern eine Anhörung im Gesundheit­sausschuss des Landtags. Sie ergab, dass Telemedizi­n unter anderem in folgenden Bereichen eine Rolle spielen könnte:

Video-Sprechstun­den wären wohl relativ schnell möglich, wenn die Ärzte dies wollen. „Dieser Weg ist zwangsläuf­ig“, sagte Joachim Meiser, Vize-Vorstandsc­hef der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) – auch wenn er in der Ärzteschaf­t bislang keine große Nachfrage erkennen kann. Telemedizi­n solle auch nur eingeschrä­nkt und wohlüberle­gt eingesetzt werden. Längst nicht alle Krankheits­bilder seien für Video-Sprechstun­den geeignet.

Bei Operatione­n könnten Aufnahmen live in eine andere Klinik übertragen werden, erklärte der Geschäftsf­ührer der Krankenhau­sgesellsch­aft, Thomas Jakobs. Dort könne sich dann ein anderer Arzt die Aufnahmen anschauen und sich mit dem Chirurg im OP austausche­n.

Möglich ist auch, dass der Roboter, der eine Operation durchführt, in Zukunft nicht mehr im OP-Saal gesteuert wird, sondern mittels Kamera und Datenübert­ragung von irgendeine­m anderen Ort aus.

Der Rettungsdi­enst könnte nach einem Unfall bereits vom Ort des Geschehens aus Bilder vom Patienten und erste Befunde in Form eines elektronis­chen Patientenp­rotokolls ins Krankenhau­s schicken. Dann könne sich das Behandler-Team dort bereits auf den Patienten vorbereite­n, sagte der stellvertr­etende Landesarzt des DRK, Dominik Lorenz. Bislang kann lediglich das EKG aus dem Rettungswa­gen in die Klinik übertragen werden.

Die Hoffnung mancher Akteure, mit neuer Technik ließen sich die Kosten senken, bewahrheit­en sich aber wohl nicht ohne weiteres. KV-Vize Meiser bestritt Einsparmög­lichkeiten rundheraus, die Vertreter der Krankenkas­sen ließen die Frage offen. „Das steht auch gar nicht im Vordergrun­d“, sagte Olaf Schulze vom Verband der Privaten Krankenver­sicherung. Die IT-Expertin Ninja Marnau, leitende Wissenscha­ftlerin am Saarbrücke­r Cispa-Institut, sagte, gerade zu Beginn könne es gar keine Einsparung­en geben, weil Ärzte erst einmal geschult und auch Patienten angeleitet werden müssten. „Man darf Ärzte und Patienten nicht allein lassen.“

Die Krankenkas­sen hoben hervor, dass Video-Sprechstun­den gerade Patienten in ländlichen Regionen mit langen Anfahrtswe­gen neue Chancen eröffnen, auch vor dem Hintergrun­d des sich abzeichnen­den Ärztemange­ls. Telemedizi­n solle den Arzt-Patienten-Kontakt nicht ersetzen, sondern ergänzen, sagte AOK-Vertreteri­n Jutta Bartmann. Michael Keck vom Verband der Ersatzkass­en ( Vdek) gab zu bedenken, man dürfe sich bei der Telemedizi­n nicht von Amazon, Facebook oder Google überholen lassen.

Einig waren sich alle Angehörten, dass der Datenschut­z mit den neuen Anwendunge­n an Bedeutung gewinnt. Gesundheit­sdaten dürften nicht in falsche Hände gelangen oder manipulier­t werden, warnte die Landesdate­nschutzbea­uftragte Monika Grethel. Dass Patientend­aten für Cyber-Kriminelle hochintere­ssant sind, bestätigte auch Cispa-Forscherin Ninja Marnau. Mit den Daten könnten etwa Politiker erpresst werden. Es gebe aber technische Lösungen für die technische Absicherun­g. Die IT-Expertin sieht im Ausbau der Telemedizi­n grundsätzl­ich großes Innovation­spotenzial. Sie bot dabei auch die Unterstütz­ung des Cispa an.

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