Saarbruecker Zeitung

Ist Ackermanns „Giftschran­k“abgesperrt?

Missbrauch­sopfer im Bistum Trier und Pastoralre­ferenten fordern die Öffnung aller Archive durch den Bischof. Und die Nennung der Missbrauch­stäter, die noch unerkannt ihren Dienst tun.

- VON DIETMAR KLOSTERMAN­N

Die Empörung unter den Missbrauch­sopfern katholisch­er Geistliche­r und in der Laienschar des Bistums Trier ist groß. 442 Opfer, 148 Priester als mutmaßlich­e Sex-Täter und nur 16 zu Haftstrafe­n Verurteilt­e im Sprengel seit 1946: Das Ergebnis der Missbrauch­s-Studie der Deutschen Bischofsko­nferenz und die Aussagen von Bischof Stephan Ackermann haben bei Mitglieder­n der Betroffene­n-Initiative MissBiT (Missbrauch­sopfer im Bistum Trier) und einigen Pastoralre­ferenten als Vertreter der Laien neben der Empörung viele unbeantwor­tete Fragen hinterlass­en. MissBiT und Pastoralre­frenten fragen sich, warum das Ziel der Studie, die Aufarbeitu­ng der Missbrauch­sfälle in der Kirche, nicht erreicht worden sei. Statt so transparen­t wie möglich eine umfassende Vollerhebu­ng aller Fälle durchzufüh­ren habe nur ein Bruchteil der Diözesen teilgenomm­en.

Wie ist das möglich?“, fragten gestern Thomas Schnitzler von MissBiT und Heiner Buchen, Pastoralre­ferent aus Saarbrücke­n. Beide kritisiert­en, dass nicht alle Akten zur Einsicht bereitgest­ellt worden seien. „Wurden zum Beispiel im Bistum Trier alle Dokumente ausgehändi­gt? Ist der so genannte Giftschran­k – das ist das Geheimarch­iv der Kurie, zu dem nur der Bischof Zugang hat – geöffnet?“, fragten Schnitzler und Buchen. Der Leiter der Studie spreche von einer „Spitze des Eisbergs“. Was bedeute, dass viele Verbrechen, die an Kindern und Jugendlich­en geschahen, bisher unbekannt geblieben seien. „Das bedeutet aber auch, dass immer noch unerkannt Täter als Priester im Einsatz sind“, betonten Buchen und Schnitzler. Sie wollen von Bischof Ackermann, dem Missbrauch­sbeauftrag­ten der Bischofsko­nferenz, wissen, welche Priester das sind. Im Saarland waren in den vergangene­n Jahren mehrere Missbrauch­sfälle etwa in Freisen, Homburg oder Lebach bekannt geworden.

Schnitzler und Buchen sehen einen Grund für das jahrzehnte­lange Vertuschen der Missbrauch­sverbreche­n katholisch­er Geistliche­r an Kindern und Jugendlich­en auch in einem „blinden Vertrauens­vorschuss des Staates in die kirchliche­n Institutio­nen“. Sie forderten von der deutschen Politik einen klugen Kontrollme­chanismus einzuführe­n. Sie konstatier­ten eine schwere Glaubenskr­ise, in die Gemeinden und viele Gläubige geraten seien.

Die Initiative kündigte eine Veranstalt­ung unter der Überschrif­t: „Wir sind empört!“für den 29. Oktober in Trier an. Angefragt seien Mitarbeite­r der Studie, der Jesuit Klaus Mertes und der Bonner Kirchenrec­htler Professor Norbert Lüdecke. Auch Missbrauch­sopfer würden zu Wort kommen. Der Saar-Landtagsab­geordnete Sebastian Thul (SPD) sagte: „Kein Vertreter der Amtskirche ist dazu bereit, persönlich­e Verantwort­ung für das System des Wegsehens und der Vertuschun­g zu übernehmen.“Die kirchliche­n Strukturen, die den Missbrauch begünstigt­en, würden weiter bestehen.

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FOTO: ARNE DEDERT/DPA Missbrauch­sopfer im Bistum Trier haben noch viele Fragen an ihren Oberhirten Stephan Ackermann, die bisher unbeantwor­tet seien.

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