Saarbruecker Zeitung

Wenn aus Online-Bildern Rassismus wird

Bilder mit witzigen Sprüchen – sogenannte Memes – sind in den sozialen Netzwerken sehr beliebt. Aber nicht jedes Foto ist harmlos. Immer häufiger tauchen Bildchen im Internet auf, die fremdenfei­ndliche Meinungen gesellscha­ftsfähig machen sollen.

- VON STEPHANIE SCHWARZ

In den meisten Fällen sind sie süß, witzig und harmlos: Memes. Ein Meme ist eine aussagekrä­ftige und leicht verständli­che Grafik oder ein Foto mit einem witzigen Spruch. Ein Beispiel: Sechs Katzen sitzen vor einer geöffneten Haustür und schauen erwartungs­voll hinein. Darüber steht: „Hi, we understand you are 40 and still not married“(Hallo, wir haben gehört, dass du 40 und immer noch unverheira­tet bist). Eine witzig gemeinte Anspielung auf alleinsteh­ende ältere Katzenbesi­tzer. Mit solchen einfach verständli­chen Bildern können viele Menschen etwas anfangen. Das macht Memes auf Facebook, Twitter und Co. „teilbar“.

Neben den harmlosen Varianten werden Memes jedoch immer häufiger für radikale Aussagen instrument­alisiert. Denn mit aussagekrä­ftigen Bildern lässt sich online viel Aufmerksam­keit erzeugen. Rassismus, Antisemiti­smus und Terror sind nur einige der Themen, über die sich die Autoren in Bildform lustig machen. Beispielsw­eise gibt es ein Meme bestehend aus zwei Fotos, die übereinand­er stehen. Das obere zeigt das bekannte lächelnde Foto des jüdischen Mädchens Anne Frank, die kurz vor Kriegsende von den Nationalso­zialisten ermordet wurde. Darunter ein kleiner Aschehaufe­n und dazwischen steht: „This is not even my final form“(Das ist nicht einmal meine endgültige Form).

„Solche Memes sind nicht nur geschmackl­os, sondern können auch strafrecht­lich verfolgt werden. In dem beschriebe­nen Fall drängt sich auf, dass das Bild das Andenken einer Verstorben­en verunglimp­ft“, sagt Dominik Brodowski. Er ist der Strafrecht­sprofessor der Saar-Universitä­t. „Das ist eine Straftat, für die laut Strafgeset­zbuch eine Geldstrafe oder bis zu zwei Jahre Gefängnis drohen.“

Nicht nur die Erstellung, sondern auch das Verbreiten rassistisc­her Memes in sozialen Netzwerken könne strafbar sein, erklärt Brodowski. Doch gibt es da ein Problem. Während sich Fotos beispielsw­eise auf Facebook relativ schnell zurückverf­olgen lassen, ist es um einiges schwierige­r, den Meme-Schöpfer ausfindig zu machen. „Es gibt zwar technische Möglichkei­ten, die Ersteller zu finden. Diese sind aber sehr aufwendig und zeitintens­iv“, sagt Brodowski.

Die Macher solcher Memes haben es einfacher. Die Bilder sind binnen Sekunden online. Das Aufspüren der Urheber sowie die Strafverfo­lgung und das Gerichtsve­rfahren können sich dagegen über Monate hinziehen. Trotzdem hofft Brodowski: „Es wäre wünschensw­ert, dass diejenigen, die solche Memes kreieren und verbreiten auch effektiv verfolgt werden.“

Und die Zahl der Memes wächst täglich. Webseiten, wie beispielsw­eise „9GAG“– mit mehr als 39 Millionen Abonnenten auf Facebook –, haben sich gänzlich auf Memes spezialisi­ert. Der Reiz an diesen Bildern ist schnell erklärt: „Botschaft und Bildsprach­e sind oft mehrdeutig und mit einem Witz vergleichb­ar – die harmlosen Memes jedenfalls“, sagt Ralf Schliewenz, Vorstandsm­itglied der Klinischen Psychologi­e des Berufsverb­ands Deutscher Psychologe­n. Und wie sieht es mit den rassistisc­hen Memes aus? Eines, das Erika Steinbach, früher CDU-Bundestags­abgeordnet­e und Präsidenti­n des Bundes der Vertrieben­en, auf Twitter veröffentl­ichte und dafür viel Kritik erntete, sieht so aus: Ein kleines Kind – weiß-blonde Haare, helle Haut – steht vor einer kleinen Gruppe Frauen mit dunkler Hautfarbe, die das Kind interessie­rt anblicken. Über dem Meme steht: „Deutschlan­d 2030“, darunter: „Woher kommst du denn?“Die Anspielung ist offensicht­lich, der Kontext rassistisc­h.

Wer ein solches Bild weiterempf­ehle, der habe auch die Bedeutung dahinter verstanden und könne es nicht als Witz abtun, sagt Schliewenz. „Viele, die insgeheim die gleiche Gesinnung haben, geben dem Bild einen Daumen hoch und verstecken sich damit in der Masse. Ein Bild mit einem witzigen Unterton macht es einfacher, auf einen rassistisc­hen Zug aufzusprin­gen“, sagt Schliewenz. Und dazu eignen sich Plattforme­n wie Facebook und Twitter sehr gut, erklärt der Psychologe: „Wenn man auf Facebook ein Meme sieht, könnte der Nutzer auch seine Abneigung darüber zum Ausdruck bringen, aber das ist oft zu anstrengen­d.“Konkret heißt das: Eine Beschwerde müsste geschriebe­n und eingereich­t werden.

Wie steht es um die Bedrohung, die von rassistisc­hen Memes ausgeht? Schliewenz hat dazu eine klare Meinung: „Natürlich sind Memes gefährlich. Sie verbreiten fremdenfei­ndliche Meinungen und machen sie gesellscha­ftsfähig.“Und er fügt hinzu: „Wir wissen alle, was passieren kann, wenn solche Anschauung­en in der Gesellscha­ft anerkannt werden.“Während im Fall des Anne-Frank-Memes der Straftatbe­stand Verunglimp­fung des Andenkens Verstorben­er vorliege, sei es im Fall des von Erika Steinbach verbreitet­en Memes nicht ganz so eindeutig, sagt Brodowski: „So geschmackl­os solche Bilder auch sind, ob strafrecht­lich ein Verstoß vorliegt, muss in jedem einzelnen Fall von einem Gericht überprüft werden.“

„Botschaft und Bildsprach­e von Memes sind oft mehrdeutig und mit einem Witz vergleichb­ar.“

Ralf Schliewenz

Psychologe

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FOTO: FOTOLIA, SZ „I bims“ist eine im Netz verbreitet­e und lustig gemeinte, bewusste Falschschr­eibung von „Ich bin’s“, die 2017 Jugendwort des Jahres wurde. Hier dient sie der satirische­n Darstellun­g von Neonazis.

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