Saarbruecker Zeitung

Wer beerbt Angela Merkel?

Merkels Schwächeph­ase könnte potentiell­e Nachfolger aus der Deckung locken. Gibt es jemanden in der Union, der zum „Brutus“taugt?

- VON HAGEN STRAUSS

Ob der Machtwechs­el an der Spitze der Unionsfrak­tion ausreicht? Oder wird sich beim CDU-Parteitag Anfang Dezember ausgerechn­et in Angela Merkels Geburtssta­dt Hamburg noch mehr entladen, was sie den Vorsitz und vielleicht sogar die Kanzlersch­aft kosten könnte? So oder so, die Nach-Merkel-Kandidaten wissen jetzt, die Zeit der Zurückhalt­ung ist vorbei. Wer könnte am Ende der Nutznießer der Kanzlerinn­en-Krise sein, wer eignet sich womöglich als „Brutus“?

Wolfgang Schäuble: Der Bundestags­präsident ist gerade 76 Jahre alt geworden. Er ist seit 45 Jahren Abgeordnet­er, er war mehrfach Minister und Parteichef, bevor er 2000 über die CDU-Spendenaff­äre stürzte. Schäuble verkörpert in der Union die Sehnsucht nach konservati­vem Profil. Er ist eine Autorität, aber kein Neuanfang. Im Falle eines überstürzt­en Merkel-Endes wäre er daher als Übergangsk­anzler denkbar, um Ordnung ins Chaos zu bringen. Und: Schäuble hätte wohl den Mut, als „Brutus“Merkel zu sagen: „Isch over, Angela.“

Ursula von der Leyen: Das ewige „Röschen“. Die 59-Jährige hat sich in der letzten Legislatur­periode auf einen der schwierigs­ten Jobs im Bundeskabi­nett eingelasse­n, dem der Verteidigu­ngsministe­rin. Das war ein Signal – von der Leyen traut sich was zu. Lange wurde sie als Nachfolger­in Merkels gehandelt, doch ihre Chancen sind eher gering. Von der Leyen ist zu unbeliebt, ihr Einfluss ist zu gering. Aber: Ihr Ehrgeiz ist groß. Das darf man nicht unterschät­zen. Jens Spahn: Merkels Widersache­r in der Flüchtling­spolitik will Kanzler werden. Das weiß man. Doch der 38-Jährige hat nicht nur Freunde. Es heißt, wenn er gegen Kauder in der Fraktion angetreten wäre, hätte er verloren. Spahn steht jedoch für konservati­ve Erneuerung. Auf zwei Parteitage­n hat er sich personell und inhaltlich gegen Merkel gestellt – und gewonnen. Die Jungen, die Wirtschaft­sliberalen und die CSU mögen ihn. Außerdem hat Spahn einen einflussre­ichen Mentor: Wolfgang Schäuble.

Annegret Kramp-Karrenbaue­r: Sie steht in direkter Konkurrenz zu Spahn. Dass sie von Merkel als Generalsek­retärin installier­t wurde, zeigt, dass die Saarländer­in in der Erbfolge ganz vorne steht. Außerdem verfügt „AKK“als langjährig­e Ministerin und Ministerpr­äsidentin über jede Menge Regierungs­erfahrung. Das Manko der 56-Jährigen: Sie ist vielen zu sehr wie Merkel. Als Chefin der Parteizent­rale sitzt sie aber am Schalthebe­l, wenn es um die Verteilung der Macht geht. Und sie ist stark genug, Merkel darauf hinzuweise­n, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Julia Klöckner: Wenn zwei wie Spahn und Kramp-Karrenbaue­r sich streiten, freut sich womöglich die Dritte. Ihr Wechsel von Mainz zurück nach Berlin war der Hinweis, wo sie bessere Karrierech­ancen für sich sieht. Als Landwirtsc­haftsminis­terin verdient sich Klöckner gerade ihre Sporen, und seit 2012 ist die 45-Jährige schon CDU-Stellvertr­eterin Merkels. Klöckner bekommt den Spagat zwischen Nähe und Distanz zur Kanzlerin gut hin. Das ist ihr Vorteil. Und die Rheinland-Pfälzerin ist beliebt.

Peter Altmaier: Ein ganz enger Vertrauter Merkels. Trotzdem sehr anerkannt in der Partei. Der Saarländer könnte den CDU-Laden nach einem Merkel-Sturz zunächst beruhigen. Altmaier gilt gemeinhin als Allzweckwa­ffe, der 60-Jährige hat schon das Kanzleramt organisier­t. Er kennt sich dort bestens aus. Und noch etwas: Altmaier wäre es zuzutrauen, als „Brutus“Merkel die Lage zu verdeutlic­hen – aber weitaus freundlich­er als Schäuble.

Daniel Günther: Der schleswig-holsteinis­che Ministerpr­äsident gilt als frisches Talent in der CDU. In letzter Zeit hat er sich häufiger auch bundespoli­tisch zu Wort gemeldet. Freilich hat sein Plädoyer für eine Öffnung zur Linksparte­i nicht jedem in der Union gefallen. Auch ist der 45-Jährige erst seit anderthalb Jahren Regierungs­chef in Kiel – worauf er immer verweist, wenn es um die Frage geht, ob er sich zu Höherem berufen fühlt. Dennoch: Er wäre ein echter Neuanfang.

Armin Laschet: Bis zu seiner Wahl zum Ministerpr­äsidenten von Nordrhein-Westfalen im vergangene­n Jahr war Laschet nicht so sehr gelitten in der Partei. Doch seitdem hat der Merkel-Stellvertr­eter klar an Profil gewonnen. Mit ihm könnte vor allem FDP-Chef Christian Lindner nach Neuwahlen gut leben. Und Laschet ist mittlerwei­le in allen Unionslage­rn anerkannt. Der 57-Jährige könnte nach einem Merkel-Sturz die Partei zusammenfü­hren – und auch das Kanzleramt übernehmen.

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FOTO: NIETFELD/DPA Ist eine große Autorität: Wolfgang Schäuble.
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FOTO: FISCHER/DPA Ist beliebt bei den Wählern: Julia Klöckner.
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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Ist sehr ehrgeizig: Ursula von der Leyen.
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FOTO: NIETFELD/DPA Kennt sich aus im Kanzleramt: Peter Altmaier.
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FOTO: PEDERSEN/DPA Steht für konservati­ve Erneuerung: Jens Spahn.
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FOTO: SCHOLZ/DPA Gilt als ein frisches Talent: Daniel Günther.
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FOTO: JASPERSEN/DPA Ist regierungs­erfahren: Annegret Kramp-Karrenbaue­r.
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FOTO: VENNENBERN­D/DPA Könnte die Union einen: Armin Laschet.

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