Saarbruecker Zeitung

Bleiben, gehen oder stürzen – Merkels Zukunft ist völlig offen

- VON STEFAN VETTER

Im Maaßen-Konflikt machte Angela Merkel alles andere als eine gute Figur. Bei der Neuwahl des Chefs der Unionsfrak­tion versagten die eigenen Abgeordnet­en der Kanzlerin die Gefolgscha­ft. Kein Zweifel, das Ansehen der Regierungs­und CDU-Chefin hat stark gelitten. Ihre Macht schwindet. In der Partei werden deshalb Forderunge­n laut, nun müsse Merkel die „Zeit des Übergangs in die Zukunft“moderieren. Doch wie kann dieser Übergang aussehen? Wenigstens drei Szenarien sind denkbar.

Merkel geht. Falls die Union die im Oktober anstehende­n Landtagswa­hlen in Bayern und Hessen gründlich verliert, und danach sieht es gegenwärti­g aus, werden viele „Parteifreu­nde“das vor allem Merkel anlasten. Unter dem wachsenden Druck könnte sie gezwungen sein, den CDU-Vorsitz abzugeben. Gelegenhei­t dazu bietet sich Anfang Dezember beim turnusmäßi­gen Wahlpartei­tag in Hamburg. Möglich wäre auch eine vorzeitige Aufgabe der Kanzlersch­aft. Vorgemacht hat das Willy Brandt (SPD). Der trat am 6. Mai 1974 in der laufenden Wahlperiod­e zurück. Zehn Tage später wählte der Bundestag damals Helmut Schmidt (SPD) zum Nachfolger.

Merkel bleibt. Für dieses Szenario spricht die Reaktion der Bundeskanz­lerin auf die Abwahl ihres Vertrauten Volker Kauder. Die prompte Forderung, sie müsse nun im Parlament die Vertrauens­frage stellen, ließ sie mit einem „ganz klaren Nein“abtropfen. Überhaupt ist Merkel eine Meisterin im Aussitzen. „Teflon-Kanzlerin“wird sie deshalb auch genannt. Das zeigte sich schon vor der Sommerpaus­e, als Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) die Große Koalition mit seinem Anti-Merkel-Kurs in der Flüchtling­spolitik fast zum Platzen gebracht hätte. Die Kanzlerin blieb stur, und Seehofer erklärte seinen Rücktritt vom Rücktritt.

Merkel wird gestürzt. Auch diese Möglichkei­t ist nicht ausgeschlo­ssen. Tritt sie auf dem Parteitag im Dezember doch noch einmal für den CDU-Vorsitz an, könnten andere aus der Deckung kommen und gegen sie kandidiere­n. Ralph Brinkhaus, einer breiten Öffentlich­keit bis dato eher unbekannt, hat das gerade vorgemacht, als er Kauder vom Fraktions-Thron verdrängte. Merkel selbst hat übrigens schon einmal eine Palastrevo­lution angezettel­t. Als CDU-Generalsek­retärin schrieb sie im Dezember 1999 in einem Gastbeitra­g für die Frankfurte­r Allgemeine Zeitung: „Die Partei muss also laufen lernen, muss sich zutrauen, in Zukunft auch ohne ihr altes Schlachtro­ss (…) den Kampf mit dem politische­n Gegner aufzunehme­n.“Mit dem Schlachtro­ss war der CDU-Ehrenvorsi­tzende Helmut Kohl gemeint. Ein paar Monate später wurde Merkel zur Parteichef­in gewählt.

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FOTO: NIETFELD/DPA Derzeit ist offen, wie es mit Bundeskanz­lerin Angela Merkelweit­ergeht.

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