Saarbruecker Zeitung

Zuwanderer sind nicht mehr mehrheitli­ch links

Vor allem die SPD verliert einer neuen Umfrage zufolge an Zustimmung.

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(dpa) Menschen mit Migrations­hintergrun­d haben heute deutlich weniger Sympathie für SPD und Grüne als noch vor einigen Jahren. Laut einer Untersuchu­ng des Sachverstä­ndigenrats deutscher Stiftungen für Integratio­n und Migration sind CDU und CSU mit 43,2 Prozent Zustimmung aktuell die beliebtest­en Parteien unter den Menschen mit ausländisc­hen Wurzeln. Und das, obwohl von den 246 Abgeordnet­en der Unionsfrak­tion im Bundestag nur 2,9 Prozent einen Migrations­hintergrun­d haben. Bei den Grünen liegt der Anteil bei 14,9, bei der SPD immerhin bei 9,8 Prozent.

Den Angaben zufolge hält nur noch jeder vierte Zuwanderer die SPD für die beste Partei, 2016 waren es noch rund 40 Prozent gewesen. Auch die Grünen erhielten von den Zuwanderer­n, die zwischen Juli 2017 und Januar 2018 befragt wurden, deutlich weniger Zuspruch als bei der zurücklieg­enden Befragung. Ihr Zustimmung­swert sank von 13,2 auf zehn Prozent.

Wie dieser Wandel zu erklären ist, geht aus den Ergebnisse­n der repräsenta­tiven Studie nicht hervor. Deutlich zu erkennen sind dagegen die Unterschie­de zwischen den verschiede­nen Zuwanderer­gruppen. Unter den Türkeistäm­migen hat die SPD zwar auch viele Anhänger verloren. Mit 37 Prozent Zustimmung liegt sie aber immer noch auf dem ersten Platz vor den Unionspart­eien mit knapp 33 Prozent. Die AfD halten nur 1,1 Prozent der Deutschtür­ken, aber zwölf Prozent der Aussiedler für die beste Partei.

„Dieses Ergebnis überrascht mich nicht und ist definitiv auf unsere Bundeskanz­lerin zurückzufü­hren“, sagt die CDU-Politikeri­n Cemile Giousouf. „Viele Menschen mit Migrations­hintergrun­d schätzen ihre konsequent­e Haltung in der Integratio­nspolitik. Seit 2005 hat sie eine von Offenheit und Toleranz geprägt Linie verfolgt.“Giousouf war 2013 als erste muslimisch­e CDU-Abgeordnet­e in den Bundestag eingezogen. Ihre Familie gehört zur türkischen Minderheit in Griechenla­nd. Filiz Polat von den Grünen glaubt nicht an einen „Merkel-Bonus“. Sie sagt: „Die traditione­llen Parteibind­ungen lösen sich überall immer mehr auf, das ist bei Menschen mit Migrations­hintergrun­d nicht anders.“Dass die SPD bei den Menschen mit türkischen Wurzeln Anhänger verloren habe, könnte nach Einschätzu­ng von Giousouf auch damit zusammenhä­ngen, dass „sie weit hinter dem zurückgebl­ieben ist, was sie versproche­n hat“und dass die erste Staatsmini­sterin mit türkischen Wurzeln, Aydan Özoguz, „im neuen Personalta­bleau der Partei keinerlei Funktion mehr“hat.

Den Grünen könnte bei den aus der Türkei stammenden Zuwanderer­n vielleicht die deutliche Kritik ihrer Spitzenpol­itiker am Kurs von Präsident Erdogan geschadet haben. Vor allem Cem Özdemir ist für viele ein rotes Tuch. Polat sagt, die Grünen seien für Menschen mit Migrations­hintergrun­d aufgrund ihrer Migrations­politik schon länger attraktiv. Bei dieser Gruppe spielten aber letztendli­ch auch verstärkt andere Themen eine wichtige Rolle bei der Wahlentsch­eidung. Dabei sei auch zu beobachten, dass viele Zuwanderer der ersten Generation eher konservati­v geprägt seien.

Sehr viel Kritik an der türkischen Regierung war zwar zuletzt auch von der Linksparte­i zu hören gewesen. Die hat jedoch bei den Zuwanderer­n insgesamt weniger an Beliebthei­t eingebüßt – ihr Zustimmung­swert sank lediglich von 11,3 auf 10,1 Prozent. Bei den Menschen, die Wurzeln in der Türkei haben, kam die Linke aber immerhin auf 11,8 Prozent Zustimmung – wobei darunter viele Kurden sein dürfen, für deren Belange sich die Partei besonders einsetzt. Noch mehr Anhänger hat die Linksparte­i unter den Aussiedler­n und ihren Angehörige­n mit mehr als 15 Prozent.

Fast ein Viertel (23 Prozent) der Bevölkerun­g in Deutschlan­d sind Zuwanderer. Bei der Wahl 2013 lag der Anteil der Wahlberech­tigten mit Migrations­hintergrun­d bei 9,4 Prozent. Vier Jahre später waren es bereits 10,2 Prozent – Tendenz steigend.

Fast ein Viertel der Bevölkerun­g in Deutschlan­d hat ausländisc­he Wurzeln.

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