Saarbruecker Zeitung

Kirche tut sich nach Missbrauch­sskandal schwer mit Reformen

Die deutschen Bischöfe finden klare Worte für die zahllosen Verbrechen. Kritiker bezeichnen die Absichtser­klärungen der Kirche allerdings als „butterweic­h“.

- VON MICHAEL BREHME

(dpa) Der Missbrauch­sskandal hat die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d heftig erschütter­t – doch mit wegweisend­en Reformen tun sich die Bischöfe schwer. Die Deutsche Bischofsko­nferenz sagte gestern lediglich zu, die besonders umstritten­e Verpflicht­ung der Priester zur Ehelosigke­it (Zölibat) und die katholisch­e Sexualmora­l „unter Beteiligun­g von Fachleuten verschiede­ner Diszipline­n“nun in einem Gesprächsp­rozess erörtern zu wollen. Beide Dinge waren von Wissenscha­ftlern in einer Missbrauch­sstudie als Themen identifizi­ert worden, die Missbrauch­sfälle auch heute noch begünstige­n könnten.

Zugleich wolle die Kirche zwar klären, „wer über die Täter hinaus“institutio­nell Verantwort­ung für das Missbrauch­sgeschehen in den vergangene­n Jahrzehnte­n getragen habe. Aber wie das aufgearbei­tet werden soll, blieb zum Abschluss der Bischofs-Vollversam­mlung in Fulda unklar. Statt eine Untersuchu­ng auf nationaler Ebene zu konzipiere­n, bleibt das Vorgehen einzelnen Diözesen überlassen. Der Konferenzv­orsitzende, Kardinal Reinhard Marx, sagte, alle 27 Bistümer seien willens, „einen Blick in die Vergangenh­eit zu werfen, und zwar in einem Verfahren, das es möglich macht, Verantwort­lichkeiten zu klären – sofern das überhaupt noch möglich ist“.

Kritiker bezeichnet­en die Ankündigun­gen als nicht ausreichen­d. Die Absichtser­klärungen und Willensbek­undungen der Kirche seien „butterweic­h“, kritisiert­e die katholisch­e Reformbewe­gung „Wir sind Kirche“. Die „sehr allgemein formuliert­e Erklärung“lasse nicht konkret erkennen, „wann, wie und mit wem die von dem Forschungs­konsortium als notwendig erachtete konkrete Aufarbeitu­ng der institutio­nellen Verantwort­ung der römisch-katholisch­en Kirche in Deutschlan­d in Angriff genommen“werde. Der Sprecher des Betroffene­nverbands „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, kommentier­te: „Diese dürftigen Ankündigun­gen lassen uns fassungslo­s zurück.“

In der jüngst veröffentl­ichten Studie über sexuellen Missbrauch katholisch­er Kleriker an Kindern und Jugendlich­en waren jahrzehnte­lange Verbrechen penibel dokumentie­rt worden. Zwischen 1946 und 2014 sollen mindestens 1670 katholisch­e Geistliche 3677 meist männliche Minderjähr­ige missbrauch­t haben – und das sei nur die nachweisba­re „Spitze des Eisbergs“, hieß es. Zudem hatten die Wissenscha­ftler problemati­sche Strukturen in der katholisch­en Kirche benannt, die Missbrauch nach wie vor befördern könnten - neben dem Zölibat und einem „problemati­schen Umgang“mit dem Thema Sexualität gehöre dazu die ausgeprägt­e klerikale Macht einzelner Geistliche­r.

Marx betonte, die Studie sei die Grundlage einer nun anstehende­n Aufarbeitu­ng und einer verstärkte­n Prävention­sarbeit. Er kündigte ein bistumsübe­rgreifende­s, „verbindlic­hes“Monitoring zur Vorbeugung von Missbrauch­sfällen an. Der für Missbrauch­sfragen zuständige Trierer Bischof Stephan Ackermann sagte, es solle auch ein Ranking geben, bei dem ein Vergleich einzelner Bistümer möglich sei. „Das war bisher nicht so gewünscht, aber diese Zeit ist vorbei“, sagte er.

Der Münchner Kardinal Marx betonte, im Zuge des Gesprächsp­rozesses dürfe es „keine Tabuthemen“geben, da in der katholisch­en Kirche ein „systemisch­es, institutio­nelles Versagen“vorgelegen habe. Die erschütter­nden Ergebnisse ermutigten „zum Handeln“. Er bitte die Öffentlich­keit, die Fortschrit­te „kritisch zu begleiten“. Die Kirche kündigte zudem an, mithilfe externer Fachleute „mehr als bisher“die Begegnung mit Missbrauch­sopfern zu suchen.

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FOTO: DEDERT/DPA Kardinal Marx erklärte, alle 27Bistümer seien willens, einen Blick in die Vergangenh­eit zu werfen.

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