Saarbruecker Zeitung

Riesenentt­äuschung auf dem Campus der Saar-Uni

Die Saarbrücke­r Informatik ist mit ihrem IT-Projekt zur „Digitalen Realität“in der Endrunde der Exzellenzi­nitiative gescheiter­t.

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(byl) In der von zahllosen Erfolgen der vergangene­n Jahre verwöhnten Informatik der Saar-Universitä­t war die Enttäuschu­ng gestern mit Händen zu greifen. Nach zwei erfolgreic­hen Durchgänge­n in der Exzellenzi­nitiative, dem Wissenscha­ftswettbew­erb der deutschen Hochschule­n, ist die Uni in diesem Jahr erstmals leer ausgegange­n. Und das ausgerechn­et in ihrer Paradedisz­iplin, den Computerwi­ssenschaft­en. Neben dem Imageschad­en, den dieses Ergebnis für den Hochschuls­tandort Saarbrücke­n bedeutet, sind die finanziell­en Konsequenz­en durch das Aus in der Endrunde des Hochschulw­ettbewerbs beträchtli­ch. Etwa 74 Millionen Euro hätte ein Zuschlag in der Exzellenzi­nitiative in den kommenden sieben Jahren bedeutet.

Uni-Präsident Professor Manfred Schmitt brachte die Enttäuschu­ng der IT-Wissenscha­ftler, die zwei Jahre Arbeit in ihr „Digitale Realität“benanntes Projekt investiert haben, auf den Punkt. Das Ergebnis sei „maßlos enttäusche­nd“. Es sei auch deshalb ein schwarzer Tag für die Universitä­t, weil alle Beteiligte­n fest überzeugt gewesen seien, „dass der Antrag gut war. Wir haben uns im oberen Drittel gesehen.“

Unter 88 Forschungs­projekten hatte eine internatio­nale Jury in Bonn gestern zu wählen, 57 Projekte wurden bewilligt. Die Saar-Uni war nicht darunter – wie auch insgesamt die Informatik in der Endrunde des Wettbewerb­s überrasche­nd schlecht wegkam. Nur zwei der 57 bewilligte­n Projekte waren reine IT-Themen. Woran es gelegen hat, dass speziell das Saarbrücke­r Konzept, das darauf abzielt, Hard- und Software künftig viel enger mit unserem Alltag zu verflechte­n, nicht bestätigt wurde, werden die Informatik­er möglicherw­eise nie erfahren, erklärte der Sprecher des Programms, Professor Bernt Schiele. Es sei ein „sehr visionäres Thema“gewesen und dazu sehr breit aufgestell­t. Im Cluster „Digitale Realität“sollten bis zu 150 Forscher Grundlagen für die Hard- und Software der Zukunft entwickeln. Die wird unter anderem mit einer Vielzahl von Sensoren jede unserer Bewegungen und Regungen registrier­en und kann über einen einzelnen Menschen mehr Wissen ansammeln, als seine engsten Angehörige­n haben. Solche IT-Systeme müssen aus diesem Grund so gestaltet werden, dass sie die Privatsphä­re der Menschen, denen sie dienen sollen, respektier­en und gleichzeit­ig ein Maximum an Kontrollmö­glichkeite­n bieten, erklärten die Wissenscha­ftler in der Beschreibu­ng ihres Projekts, das wegen der innigen Verflechtu­ng der digitalen und der physischen Welt schließlic­h „Digitale Realität“getauft wurde. Nun wird es nicht realisiert.

Das stelle für den Hochschuls­tandort Saarland einen „schweren Standortna­chteil“dar, resümierte Bernt Schiele. Denn andere Bundesländ­er investiert­en derzeit massiv in die zukunftstr­ächtigen Computerwi­ssenschaft­en. Die Saar-Universitä­t und die Landesregi­erung müssten sich nun überlegen, wie es möglich sei, auf kleinerer Flamme wenigstens einen Teil der Ziele zu erreichen.

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